Meinen ersten New World Disorder-Film habe ich vor über 16 Jahren gesehen – und zwar so oft, bis das VHS-Band fast ausgeleiert war. Auf diesem Trip heizte ich nun selbst voll konzentriert und mit weißen Knöcheln hinter Andrew Shandro einen technischen Trail runter und es war genau so, wie ich es mir immer erträumt hatte. Wir waren im Land der unfassbaren Wildnis, voller Bäumen und Bären, und unsere euphorischen Schreie gingen in der Weite der Landschaft verloren. Wo wir waren? In Squamish – and shit was about to get real!

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Es war mein erster Trip nach Kanada und leider blieb ich nur für ein paar vom Jetlag verdämmerte Tage. Ich war eingeladen worden, die neuesten Trek-Bikes zu testen, und hatte nicht eine Sekunde gezögert. Schon der Flug hierher war ein Abenteuer gewesen: Ein Stopp von nur 20 min in Paris Charles de Gaulle hatte mich gezwungen, meinen inneren Hulk mühsam unter Kontrolle zu halten, während die Leute nach Pässen suchend in ihren Taschen fummelten, Rolltreppen blockierten und generell alles taten, um mir meinen kanadischen Traum zu verbauen. Ich rannte durch den Flughafen wie Speedy Gonzales auf LSD und sah mit Entsetzen, dass das Gate für den Flug nach Vancouver kurz davor war, zu schließen. Auf meinem Sprint zum Gate nahm ich drei Treppenstufen auf einmal und jede Enduro-Line, die sich mir bot. Am Ende wäre ich fast auf Knien unter dem Absperrband durchgerutscht – doch dann hatte ich es geschafft, ich würde nach Vancouver fliegen. YES! Meine Tasche mit all dem Bikezeug allerdings hatte beschlossen, nicht mitzukommen. Verdammt …

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Nach einer kurzen Diskussion mit einem Gepäckabfertiger von Air France, der über den Charme und Witz eines Backsteins verfügte, verließ ich den Flughafen in dem Wissen, dass mein Zeug in zwei Tagen eintreffen würde. Aber ich war schließlich in Kanada, dem Heiligen Gral der Mountainbikewelt, wer brauchte hier schon Klamotten? Obendrein hatte ich das Shuttle verpasst und daher etwas Zeit totzuschlagen, und so nahm ich die Sky Train nach Templeton, wo ich mein Kreditkartenlimit mit karierten Flanellhemden von Vans (der kanadischen Uniform) ausreizte, außerdem noch mit etwas Unterwäsche und allem, was man sonst noch so als Mensch braucht. Anschließend ging es mit dem Bus weiter.
Der Kontrast zwischen Vancouver und Squamish war verblüffend: auf der einen Seite die absurd teuren, Penthouse gekrönten Wolkenkratzer, auf der anderen freie Sicht aufs Meer, die Berge und den Zedernwald, der diese Hauptstadt des Abenteuers ausmacht. Doch nicht nur die Szenerie ist voll krasser Kontraste, in Kanada scheint ein Kampf zwischen Zurückhaltung und Übermaß zu toben. Recyceln ist Pflicht, doch viele fahren hier in riesigen Ford F-150s rum, mit V8-Motoren, die unter bedrohlichem Gurgeln kostbares Benzin in Lärm und Smog verwandeln. Die Leute träumen von einem einfachen Leben an der Grenze zur Wildnis, doch die Preise für Häuser sind astronomisch hoch – kein Wunder, wenn es so wunderschön ist.

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Die Kanadier, die ich traf, waren warmherzige Leute, so souverän und zuversichtlich, wie es Menschen sind, denen es an nichts fehlt. Die Mountainbike-Community ist riesig, stolz und großherzig. Als sich herumsprach, dass meine Sachen verloren gegangen waren, eilten mir alle zu Hilfe. Trek, 7mesh und der Tantalus Bike Shop statteten mich mit Klamotten und Protektoren aus, und schon war ich bereit zum Shredden – danke Leute, ihr seid alle großartig! Trek hatte außerdem alle Register gezogen und uns eine komplette Reihe neuer Fuel EX- und Remedy-Bikes zum Testen zur Verfügung gestellt. Doch damit nicht genug: Wir würden das auch noch in Begleitung von Cam McCaul, Brandon Semeniuk, Casey Brown, R-Dog and Andrew Shandro tun. Nicht schlecht, wirklich nicht schlecht! Trotz Jetlag konnte ich kaum an mich halten vor lauter Vorfreude, als ich, einen Crispy Crunch-Schokoriegel mampfend, im Busshuttle zum Beginn des ersten Trails saß.

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Ich hatte viele Jahre davon geträumt, nach Kanada zu reisen, und nun, da ich in meinen ersten Trail hineinrollte, den „Angry Midget“, wurde ich etwas nervös. Würden sich meine Träume in Luft auflösen, wenn die Trails dem Hype nicht gerecht würden? Zum Glück blieben die Sorgen unbegründet, denn die Trails waren unglaublich, schnell und voller Features. Starker Regen am Tag davor hatte den Boden gefestigt und so bot er massiv viel Grip und der Trail war unglaublich schnell. Unvorstellbar große Zedern reckten sich gen Himmel und bildeten ein Walddach, das hier und da von Sonnenstrahlen durchbohrt wurde, es gab Lichtspeere, die zwischen den hochaufragenden Stämmen hindurchstachen und auf der Nebeldecke tanzten, die aus dem grünen Moos aufstieg. Wir shreddeten einen Trail nach dem anderen, völlig stoked angesichts dieser Großartigkeit. Mein Hintern streifte gefährlich nah am Hinterreifen, als ich über einen Rock Roller fuhr, lachend über die Beschreibung „fahrbar“ direkt davor, die mir nun 2 m freien Fall bescherte, bevor ich von der Transition aufgefangen wurde. Auch die Namen der Trails waren grandios: Angry Midget, Man Boobs, Tinder, Your Mom, Entrails. Man stelle sich vor, jemand hätte uns danach in der Bar zugehört, als wir bei einem Afterride-Bier sagten: „Geil, Mann! Wir haben den wütenden Zwerg mal so richtig platt gemacht, haben dann kurz auf Tinder die Lage gecheckt und danach ordentlich deine Mutter rangenommen!“ Hochgezogene Augenbrauen wären unser geringstes Problem gewesen.

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Wir waren in Kanada, um exklusiv schon mal einen Blick auf das neue Trek Remedy und Fuel EX zu werfen. Beide Bikes wurden komplett überarbeitet und besitzen 10 mm mehr Federweg, einen längeren Reach und einen ein Grad flacheren Lenkwinkel. Beide Bikes verfügen über das neue Straight Shot-Unterrohr und das Knock Block-System, was ihre Steifigkeit und Stabilität deutlich über das Level ihrer Vorgängermodelle hinauskatapultiert. Die RE:aktiv-Dämpfung sorgt für Laufruhe in anspruchsvollen Terrain. Mit seinen 130 mm Federweg hat sich das Fuel EX nun in eine ansehnliche Shred-Maschine verwandelt und ist prädestiniert für Fahrer, die sich nicht einschränken lassen wollen – damit verwischt es die Trennlinie zwischen Trailriding und Vollgas ballern.

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Auch das Remedy ist kaum wiederzuerkennen, mit 10 mm mehr Federweg (auf nun 150 mm) und einem längeren Reach ist es jetzt eine Laufradgröße geschrumpft, auf 27,5″. Gleichzeitig hat sich ein Grad beim Lenkwinkel verabschiedet. Heraus kommt ein aggressives Bike mit Feuer unter dem Hintern, das die toughesten Trails wegsteckt, als wären sie nichts. Das Remedy ist jetzt so vielseitig und geht so sehr nach vorne, dass man sich fragen muss, wo in diesem Konzept Platz für das Slash bleibt – aber wir sind sicher, das Team von Trek hat einen Plan! Und wir hatten auch einen: raus aus dem Pub und wieder rauf auf die Trails.

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Im Laufe des Nachmittags unterhielten uns die kanadischen Veteranen in unserer Gruppe mit Geschichten aus der Wildnis und von dramatischen Begegnungen mit Bären. Unklugerweise hatte ich mir im Flugzeug „The Revenant“ angesehen und war damit sensibilisiert in Sachen Bären, hinter jedem Knacksen und Schnappen eines Zweigleins vermutete ich einen zornigen Grizzly. Ich griff zur Beruhigung nach dem kleinen Multi-Tool in meiner Tasche, doch da fiel mir ein, dass dies keine geeignete Waffe gegen Bären ist. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir keine Ahnung, dass wir wenig später einen echten, wenn auch bärenfernen Notfall erleben sollten. Der Trail „Half Nelson“ gaukelt einem mit seinen supergeschmeidigen Anliegern und einfachen Sprüngen vor, eine ziemlich simple Strecke zu sein – die Herausforderung liegt aber in der Geschwindigkeit. Und genau hier passierte einem aus unserer Gruppe ein kleiner Fehler, der zu einem schweren Sturz führte: Er schlug voll mit Kopf und Nacken ein, und kämpfte im wahrsten Sinn des Wortes um sein Leben. Die nächsten 30 Minuten vergingen quälend langsam und waren für alle Beteiligten furchtbar, doch die Bergrettung von Squamish war alarmiert und erreichte uns mit Krankenwagen, Feuerwehr und Polizei. Ein Rettungsflug nach Vancouver rettete schließlich den Tag. Wir fürchteten das Schlimmste und waren daher überglücklich, als wir hörten, dass Menschen – insbesondere, so scheint es, Italiener – doch einiges aushalten, und dass er glücklicherweise mit ein paar Knochenbrüchen davon gekommen war und sich vollständig erholen würde. Uns allen wurde klar, wie gefährlich es sein kann, hier allein mit dem Bike unterwegs zu sein.

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Am nächsten Morgen wollten wir so schnell wie möglich zurück auf den Trail, und nach ein paar Pfannkuchen mit Ahornsirup (alles andere wäre ja auch unhöflich gewesen) machten wir uns auf den Weg. Die Guides von Endless Biking brachten uns ein neues Wort bei: „janky“, eine Beschreibung, wenn der Trail so richtig technisch wird. Als wir in einen Trail namens „Entrails“ einfuhren, dicht an Andrew Shandros Hinterrad, wurde es höllisch janky. Immer wieder tauchten wir in Steilstücke ein, fuhren über superschwierige Rock Rolls, und nahmen die direktesten Linien, die wir ohne die Legende vor uns nicht einmal gesehen hätten. Es machte absurd viel Spaß, von Kurve zu Kurve zu heizen, grinsend und kreischend wie Kinder an Weihnachten. Als ich zu schnell auf einen riesigen Felsen zufuhr, wurde mir klar, dass es zu spät war, um auf der glitschigen Oberfläche noch Geschwindigkeit rauszunehmen. Ich polterte die Felsplatte hinab und schaffte es mit driftendem Hinterrad nur gerade so, ohne jeglichen Spielraum für Fehler, auf den nächsten Absatz zu kommen – nur wenige Millimeter entfernt vom Crash meines Lebens. Herzlichen willkommen in Squamish! Als ich von der Felsplatte absprang und durch eine harte, lehmige Kurve feuerte, der Dreck in alle Richtungen spritzend, malte ich mir aus, dass es von außen wie ein ziemlich draufgängerischer Move ausgesehen haben musste, doch innerlich brüllte ich wie ein kleines Kind. Es versteht sich von selbst, dass ich danach nicht mehr ganz so sehr auf dicke Hose machte und diesen großen Steinplatten etwas mehr Respekt zollte.

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Und wie schlugen sich die neuen Bikes von Trek auf den Trails rund um Squamish? Hier könnt ihr unseren vollständigen ersten Eindrücke vom neuen Trek Fuel EX und dem neuen Remedy lesen, aber ich kann sagen: Es war sehr beeindruckend. Beide Bikes schienen irgendwie beeinflusst zu sein von der Umgebung, in der wir uns befanden: Sie waren länger, laufruiger und satter, als hätte jemand einen V8 in den Kofferraum einer Familienkutsche gepackt. Besonders überrascht war ich vom Trek Fuel EX. Trotz des geringen Federwegs hatte ich selbst meilenweit außerhalb meiner Komfortzone nie den Eindruck, auf einem unterdimensionierten Bike unterwegs zu sein. Dieses Trailbike kann dank 29″-Laufrädern weit mehr, als man anhand des Federwegs vermuten würde. Sollte sich jemals jemand fragen, wie weit wir in den letzten Jahren gekommen sind – dieses schnelle und vielseitige 29er gibt die Antwort.

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Und dann war es an der Zeit, den Heimweg anzutreten. Ich hätte für immer bleiben können und es fühlte sich an, als wäre ich nur ein paar Minuten dort gewesen (vielleicht war das aber auch der Jetlag). Als ich meine Sachen für die Rückreise packte, spürte ich, dass Kanada einen Teil meines Herzens gestohlen hatte. Ein bisschen wie meine Heimat, Schottland, aber auf einer ganz anderen Ebene. Noch nie hatte ich eine solch riesige Weite und Wildnis gesehen – und dabei war es ja nur ein Tropfen in einem Ozean gewesen, den ich da entdeckte. Ich verstand nun, warum so viele meiner Freunde hierher in Urlaub gefahren und nie zurückgekehrt waren. Kanada ist der ultimative Spielplatz, das perfekte Reiseziel für alle, die es in den Wäldern gerne so richtig krachen lassen wollen. Ich bin immer noch ganz aufgewühlt – wer weiß, wann ich wieder komme und vor allem: wie lange ich dann bleibe …

Hier findet ihr den First Look zum neuen Trek Fuel EX und Trek Remedy. Außerdem konnten wir das Fuel EX bereits exklusiv testen.


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Text: Fotos: Sterling Lorence, Margus Riga, Trev Worsey