Die Bikewelt ist erneut in Aufruhr, denn ein neuer Standard scheint sich zu etablieren. Er heißt: Boost! Erstmal hörte man von Boost bei der Einführung der neuen Modellpalette von Trek [wir berichteten]. Damals schien es sich nur um einen neuen Hinterachsstandard zu handeln, aber jetzt setzen FOX als auch SRAM/RockShox auch am Vorderrad auf eine breitere Nabe, und Boost scheint anzukommen im Gesamtsystem Mountainbike. Wir verraten euch was hinter dem neuen Standard steckt und welche Konsequenzen er mit sich bringt.

Erstmals vom neuen Standard Boost 148 haben wir bei der Präsentation der neuen Trek-Modelle für 2015 gehört.
Erstmals vom neuen Standard Boost 148 haben wir bei der Präsentation der neuen Trek-Modelle für 2015 gehört.

Zugegeben, die drei Millimeter pro Seite die Boost 148 am Heck breiter ist, als der aktuell weit verbreitete und etablierte 142 mm Standard klingen nicht viel. Doch ändert sich durch sie weit mehr als nur die Achsbreite! Als vor einigen Jahren Hinterbauten von 135 mm auf 142 mm gewachsen sind, wurden sie nur verbreitert und als Fahrer konnte man durch Adapter problemlos die Laufräder auf den neuen Standard umrüsten. Bei Boost ist das jetzt anders! Denn die zusätzlichen sechs Millimeter am Hinterbau, bzw. zehn Millimeter an der Front werden dazu genutzt, um den Nabenflansch zu verbreitern. Das bietet einige Vorteile, ändert aber auch die Position von Bremsscheibe und Kassette und macht so auch eine spezielle Federgabel und Kurbeln oder zumindest angepasste Spider/Kettenblätter (bei Direktaufnahme) nötig.

Die Vorteile von Boost

Ein Vorteil des breiteren Achsstandards liegt ganz klar auf der Hand, denn durch den bereiteren Nabenflansch und den damit verbundenen flacheren Speichenschirm erhöht sich vor allem die Steifigkeit und Stabilität der Laufräder enorm. Laut einigen Herstellerangaben besitzt ein 29″ Hinterrad mit 148 mm Naben die gleiche Steifigkeit und Stabilität wie ein 27,5″ Laufrad mit 142 mm Nabe. Doch Boost bringt laut SRAM noch weitere Vorteile:

  • Die erhöhte Steifigkeit ermöglicht ein effektiveres und präziseres Handling des Bikes
  • Durch den breiteren Hinterbau lassen sich noch kürzere Kettenstreben realisieren
  • Lagerpunkte können breiter und dadurch steifer angelegt werden
  • Die breitere Hinterradnabe ermöglicht eine größere Vielzahl verschiedener Kettenblätter
  • Und zu guter Letzt erhöht Boost natürlich auch die Reifenfreiheit an der Federgabel und am Hinterbau

Kompatibilität von Boost 148 Hinterbauten und Kurbeln

Wie bereits angesprochen ändert sich bei Boost-Hinterbauten die Position der Kassette, was eine Veränderung der Kettenlinie zur Folge hat. Um weiterhin die gleiche Schaltperformance zu erzielen, sind Boost-kompatible Kurbeln oder bei Direktaufnahme ein entsprechendes Kettenblatt bzw. Spider zwingend nötig. Denn hier wandert die Position des Kettenblatts um 3 mm nach außen und gleicht sich so der Kassette an. Der Q-Faktor sowie Achs- und Lagerbreite bleiben unverändert.

Die Grafik verdeutlicht die Positionsänderung der Kassette und die damit nötige Überarbeitung der Kurbel bzw. des Kettenblatts.
Die Grafik verdeutlicht die Positionsänderung der Kassette und die damit nötige Überarbeitung der Kurbel bzw. des Kettenblatts.
Der neue Boost-Standard ist ein Gesamtsystem und erfordert neben dem passenden Rahmen die richtige Nabe und Kurbel.
Der neue Boost-Standard ist ein Gesamtsystem und erfordert neben dem passenden Rahmen die richtige Nabe und Kurbel bzw. ein entsprechendes Kettenblatt bei Direktaufnahme.
Standard-Kurbeln können nicht mit Boost -Naben kombiniert werden und umgekehrt.
Standard-Kurbeln können nicht mit Boost-Naben kombiniert werden – und umgekehrt.

Boost 110 am Vorderrad

Da die Vorteile des größeren Nabenflansch offensichtlich sind, und immer mehr Hersteller an Rädern mit Plus-Laufradgrößen arbeiten ist es nur konsequent auch den Achsstandard am Vorderrad zu überarbeiten, um so Platz für die dickeren Reifen zu schaffen und die Steifigkeit zu erhöhen. Hier wird der Speichenschirm und dadurch auch die Nabe je 5 mm pro Seite breiter. Laut SRAM erreicht dadurch ein 29″ Laufrad mit 110 x 15 mm Achse die gleiche Steifigkeit wie ein vergleichbares 26″ Modell mit 100 x 15 mm Achse. Ein beeindruckender Wert!

Der neue Boost 110 Standard am Vorderrad.
Der neue Boost 110 Standard am Vorderrad.

Natürlich erfordert diese breitere Nabe eine Federgabel mit breiterem Casting wie sie sowohl FOX also auch RockShox in naher Zukunft im Programm haben werden. Bei diesen Federgabeln ist es jedoch nicht möglich, die bekannten 100 x 15 mm Naben mit Hilfe von Spacern einzubauen, da auch hier sich die Position der Bremsscheibe ändert.

Unsere Meinung

Häufig fürchten Biker neue Standards mehr als der Teufel das Weihwasser. Fest steht aber, ohne neue Standards und Entwicklungen wäre der Bikesport nicht an dem Punkt, an dem er sich heute befindet und wir wären vermutlich noch immer mit Starrgabeln und Felgenbremsen unterwegs – ganz zu schweigen von Teleskopsattelstützen. Aus diesem Grund sind neue Entwicklungen in unseren Augen generell immer als positiv zu bewerten! Im Gespräch versicherte uns Simon Cittati (Brand Communication Manager RockShox) außerdem, das SRAM/RockShox mit dem neuen Angebot an Boost-Komponenten lediglich den Fahrradherstellern die Möglichkeit geben will, das am besten funktionierende Gesamtkonzept zu konfigurieren, natürlich aber weiterhin alle Komponenten auch mit den altbekannten Standards anbietet. „Eine Pike haben wir ja immerhin auch noch mit 26 Zoll im Angebot.“ sagt er im Interview.

Am Ende entscheidet also der Kunde an der Ladentheke beim Kauf eines neuen Bikes, ob Boost sich etabliert – in unseren Augen spricht nichts dagegen!

Text: Christoph Bayer | Bilder: Robin Schmitt, PM SRAM


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