„Ich kann das nicht.“ Ganz gleich ob in der Schule, beim Biken, auf der Arbeit oder in der Werkstatt – wie häufig haben wir das in unserem Leben schon selbst gesagt oder gehört? Häufig haben wir bereits kapituliert, bevor wir überhaupt angefangen haben. Warum eigentlich? Und was können wir dagegen tun?

Muhammad Ali hat einmal gesagt, dass man zu dem wird, was man denkt. Jeder Profisportler würde ihm dabei vermutlich zustimmen. Schließlich wissen sie alle, wie viel mentales Training bringt, um erfolgreich seine Ziele zu erreichen. Mentale Stärke macht wahre Meister aus – darüber sind sich von Sunzi über Muhammad Ali bis hin zu Martin Luther King alle einig. Das zentrale Element nicht nur des mentalen Trainings, sondern der Art und Weise, wie wir unser Leben leben, uns und andere wahrnehmen, ist unser Mindset, also unsere mentale Einstellung. Und die wird maßgeblich von unserem Glauben geprägt. Aber was ist eigentlich unser Glaube? Warum kann er uns manchmal limitieren und manchmal ganz weit tragen? Nur wenn wir das verstehen, können wir ihn nutzen, um unsere Träume und Ziele zu erreichen.

Was ist eigentlich Glaube?

Keine Frage, es ist sehr wichtig, die Grenzen des eigenen Könnens zu kennen und dann mal zu sagen: „Ich mache das jetzt nicht.“ Aber in den meisten Fällen kennen wir die Grenzen gar nicht, zumindest nicht wirklich. Wir haben einfach nur aufgrund von Erzählungen, Filmen oder Büchern Vorstellungen vermittelt bekommen, was für „jemanden wie mich“ möglich ist und was nicht. Oder haben aufgrund eigener Erfahrung beschlossen, dass wir bestimmte Dinge nun mal einfach nicht können und deshalb gar nicht noch mal ausprobieren sollten. Auch wenn wir jetzt älter und erfahrener sind und auch wenn wir damals vielleicht einfach die falsche Herangehensweise ausprobiert oder zu schnell aufgegeben haben. Wenn wir etwas nie ausprobieren – und zwar ernsthaft ausprobieren und nicht nur halbherzig versuchen –, dann können wir auch nicht sagen, ob es klappt oder tatsächlich so ist, wie wir es gehört oder uns vorgestellt haben. Das Traurige daran: Mit diesem Verhalten können wir nie Neues schaffen oder lernen, sondern bleiben das, was wir zu sein und zu können glauben.

Es ist unser Glaube, der uns unsere Grenzen glauben macht – und uns hindert, neue tolle Erfahrungen zu sammeln, uns weiterzuentwickeln und krasser zu werden.

Glaube hat in diesem Kontext nichts mit Religion zu tun, er ist vielmehr die Summe unserer Überzeugungen. Die können natürlich auf einer Religion basieren, aber vor allem basieren sie auf unseren eigenen Erfahrungen und den daraus entstehenden Erwartungen und Einschätzungen. Glaube ist das, woran du glaubst. Und das kann so ziemlich alles sein: ob Du daran glaubst, dass man allen Menschen mit Verständnis und Offenheit begegnen sollte, dass man unter 30 schon die ersten 20.000 € zur Seite gelegt haben muss, dass sich wahre Liebe nicht im Online-Dating finden lässt, dass dreimal Sport wöchentlich das Minimum sein sollten … ganz egal. In diesem Sinne kann man Atheist sein, aber niemand ist wohl wirklich ungläubig.

Jede und jeder hat Überzeugungen und Glaubenssätze, die das eigene Handeln und Leben bestimmen – oftmals in einer Art und Weise, die uns ähnlich wie unsere Routinen im Alltag nicht bewusst ist. Gerade weil uns die weitreichenden Auswirkungen oftmals nicht bewusst sind, ist es so wichtig, dass wir unsere eigenen Glaubenssätze immer wieder hinterfragen und mit unseren eigenen Lebenszielen abstimmen. Denn: Es ist unser Glaube, der uns unsere Grenzen glauben macht – und uns daran hindert, neue tolle Erfahrungen zu sammeln, uns weiterzuentwickeln und krasser zu werden.

Unsere Selbstwahrnehmung, unsere Lebenseinstellung und unser Handeln – all das basiert auf subjektiven Ideen und Überzeugungen. Wir handeln auf eine bestimmte Art und Weise, weil wir glauben, dass es so gut oder anders schlecht sei, dass es die Welt zu einem etwas besseren Ort macht oder dass wir mit dem richtigen Verhalten mehr geschätzt, geliebt oder gelobt werden. Und in manchen Fragen kann sich dieser Glaube so stark anfühlen, dass wir meinen, die einzig richtige Wahrheit zu kennen. Oder zumindest zu uns und unseren Fähigkeiten die einzig richtige Einschätzung zu haben – wer sollte schließlich besser als wir selbst wissen, was sich innerhalb unserer Möglichkeiten bewegt? Das mag sein, aber die Glaubenssätze, auf denen diese Einschätzungen beruhen, stammen teilweise noch nicht mal von uns selbst.

Wie entstehen Glaubenssätze?

Die Art und Weise, wie sich unsere Glaubenssätze festsetzen, passiert meist subtil und unauffällig. Wir lernen, dass ein bestimmtes Handeln zu einer bestimmten Reaktion führt. Wiederholen sich diese Erfahrungen, entstehen Überzeugungen, die sich irgendwann – unbemerkt von uns – zu einem Glaubenssatz verfestigen können. Drei schlechte Dating-Erfahrungen in Folge = ich bin also kein Typ für Beziehungen. Und solche Glaubenssätze können dann leicht zur self-fulfilling prophecy werden, bis man aufgibt.

Doch damit nicht genug. In den unterschiedlichsten Lebensbereichen, von Arbeit über Familie bis hin zum Biken, suchen wir die Unterstützung, Sicherheit und Nähe einer Gemeinschaft. Wir imitieren unser Umfeld, spiegeln sein Verhalten und ordnen uns ein. Die größtenteils gleichen Vorstellungen, Überzeugungen und Rituale einer Gemeinschaft sorgen für oftmals berechenbare Reaktionen, die uns in unserem Glauben nochmals bestärken. Das kann die Kultur eines ganzen Landes genauso sein, wie die Gepflogenheiten in einer Familie. Vor allem von Vorbildern, sei es Dad, Mutti, Idol oder Profi-Athlet, übernehmen wir Verhaltensweisen. Wer viel durch die Welt reist, sich mit unterschiedlichen Kulturen sowie Gesellschaftsstrukturen auseinandersetzt, merkt: Wow – Glaube, Rituale und Reaktionen können so unterschiedlich sein!

Je älter wir werden, desto mehr Erfahrungen haben wir gemacht, die unsere Überzeugungen und unseren Glauben prägen. Im besten Fall befeuern sie uns, doch meist stehen sie uns im Weg, lassen uns ängstlich, vorsichtig und kleinmütig werden. Damit beschneiden wir unser Potenzial und werden zu vielem, nur nicht dem, wovon wir insgeheim träumen oder schon seit unserer Kindheit geträumt haben. Genau an diesem Punkt muss man innehalten und erkennen, dass das Fürwahrhalten zwar subjektiv zureichend, aber objektiv unzureichend ist. Schlicht ausgedrückt, man belügt sich selbst, ohne es zu wissen.

Und irgendwann hören wir uns selbst sagen: „Ich kann das nicht.“ Wir kapitulieren, ohne alle unsere Möglichkeiten ausgeschöpft und es wirklich probiert zu haben oder im schlimmsten Fall sogar bevor wir überhaupt angefangen haben. Scheiße, oder? Dabei muss uns klar sein, dass die Aussage „Ich kann das nicht“ oftmals auf einer Illusion basiert. Denn in der Regel ziehen wir Schlüsse dieser Art entweder aufgrund unvollständiger Informationen oder aufgrund vergangener Erfahrungen, in denen wir diese oder eine ähnliche Sache nicht geschafft haben.

Wer kennt ihn nicht? Diesen einen lässigen Dude, der den Backflip mit unglaublicher Leichtigkeit vollbringt. Wir fühlen uns wie Loser, weil wir uns nicht mal ohne Trick über den Jump wagen. Doch das wahre Problem ist, dass wir die unzähligen Trainingsstunden und Fehlschläge dieser Person in diesem Moment nicht sehen können und auch nicht in Erwägung ziehen, dass besagte Person vielleicht auch mal richtig Schiss hatte, überhaupt abzuziehen.

Ein weiterer Grund: Wir glauben, dass wir etwas nicht können, weil wir es uns nicht zutrauen, es uns eingeredet wurde oder – die häufigste Ursache – es uns selbst einreden. Dabei können wir bis zu dem Punkt, an dem wir es tatsächlich versucht haben, nie sagen, ob wir etwas können oder nicht. Und selbst dann ist die Aussage „Ich kann das nicht“ meistens falsch. Korrekt wäre: „Ich habe es dieses Mal nicht geschafft.“ Vielleicht muss man sich einfach mehr oder besseren Support suchen, vielleicht muss man sich Schritt für Schritt mit Foampit und Airbag an den Backflip herantasten. Es kann 2 oder 100 weitere Male brauchen, bis uns etwas Bestimmtes gelingt, aber Fakt ist: Fast alles kann man lernen, wenn man es wirklich will. Wie schnell und wie effektiv, das hängt dabei auch von unserer Einstellung ab. Und genau hier kommt unser Glaube, also die Summe unserer Überzeugungen, ins Spiel. Mit „Ich kann das nicht“ wird man im Leben nie weit kommen.

Der Grund, dass Kids so schnell lernen, liegt auch daran, dass sie deutlich weniger Hemmungen und negative Erfahrungen mit sich herumtragen als Erwachsene, die sie daran hindern, die Dinge einfach zu tun. Sie machen einfach den ersten Schritt, und dann den nächsten. Und solange sie sich einigermaßen in die richtige Richtung bewegen, kommen sie auch irgendwann an. Wer jedoch nie losläuft, egal ob perfekt oder auf wackeligen Beinen, wird nie ankommen, geschweige denn besser werden. Aller Anfang ist klein und wackelig, aber es ist der Anfang!

Wie erkennen wir unsere hinderlichen Glaubenssätze?

Unsere Glaubenssätze sind Teil des Unterbewusstseins und für uns selbst erst mal unsichtbar bzw. schwer wahrzunehmen. Sie drücken sich in bestimmten Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen aus. Jede Situation, in der wir Angst verspüren, „Ich kann das nicht“ denken oder die wir vermeiden wollen, ist die perfekte Gelegenheit, unsere Glaubenssätze zu erkennen. Denn diese Emotionen sind Hinweise auf die Grenzen, an die wir glauben. Das kann ein Jump im Bikepark sein, aber auch die Angst im Dunkeln, die vielleicht darauf zurückzuführen ist, dass wir zu viele Horrorfilme geschaut haben und glauben, dass im echten Leben ebenfalls permanent Axtmörder und Bösewichte im Dunkeln durch die Gegend rennen. Aber ist dem wirklich so? Oder ist das das ein Irrglauben, basierend auf Filmen und vereinzelten Nachrichtenberichten?

Indem wir versuchen, unsere Grenzen zu ergründen und zu reflektieren, was uns davon abhält, das zu tun, was wir eigentlich wollen, können wir hinderliche Glaubenssätze durchbrechen. Damit verändern wir unsere (Selbst-)Wahrnehmung, lernen anders zu reagieren, erlangen neue Freiheiten und merken: Krass, in uns steckt so viel mehr Potenzial, als wir dachten!

Man muss den mentalen Grenzübertritt nicht immer sofort und vor allem nicht überstürzt tun, aber es kann nie schaden, sich eine Grenze etwas näher anzuschauen, auch wenn es sich erst mal kontraintuitiv und unangenehm anfühlt. Aus der Nähe wirken gewisse Dinge gar nicht mehr so angsteinflößend wie in unserer Vorstellung! Übt man das häufig genug im Alltag, verändert sich allmählich unsere Einstellung zu uns selbst. Aus „Ich schaffe das nicht“ wird dann schnell ein „Warum sollte ich es nicht schaffen?“.

Glaubst du, dass …?

Die einzige Person, die dein Leben führen und etwas verändern kann, bist du selbst. Dann ist es vielleicht gar nicht schlecht, ein gutes Vertrauen zu dir aufzubauen, oder? Der Glaube an uns, unsere Fähigkeiten und unsere zukünftigen Möglichkeiten fördert das, woran es vielen von uns fehlt: Selbstvertrauen. Und genau das gilt es zu fördern! Nicht auf überhebliche, sondern gesunde Art und Weise, mit der richtigen Dosis Selbstreflexion und -einschätzung. Statt andere ständig nach ihrer Meinung und ihrem Glauben zu fragen – „Glaubst du, dass das und das eintreten wird?“ – müssen wir für uns entscheiden, woran wir glauben und woran nicht. Welche Grenzen wir hinnehmen und welche wir verschieben wollen. Und genau an diesem Punkt hilft der Glaube an uns selbst, uns weiterzuentwickeln.

Andernfalls entscheiden wir uns, dass das, was bisher in unserem Leben nicht geschehen ist, in Zukunft auch nicht in unserem Leben geschehen kann.

Es geht nicht darum, ob aus unserer jetzigen Perspektive etwas möglich oder nicht möglich ist. Unser Vorausdenken verläuft linear, aber das Leben tut das nicht. Immer wieder entstehen unvorhergesehene Ereignisse und Wendungen, sprich „Möglichkeiten“, die das Unmögliche möglich machen können. Indem wir uns einreden, dass etwas nicht möglich sei, kommen wir nicht an den Punkt der neuen Möglichkeiten oder noch schlimmer – wir erkennen sie gar nicht.

Energieverschwendung und Selbstsabotage: Warum unsere Anstrengungen häufig vergeblich sind

Etwas zu tun, ohne daran zu glauben, hat noch nie zu großen Taten und Ergebnissen geführt – abgesehen von manch glücklichem Zufall. Der Grund ist offensichtlich: Wenn der Körper handelt, der Verstand aber ständig streikend sagt „ich kann das nicht“ oder zweifelnd fragt „Wie soll das klappen?“, dann entstehen Dissonanzen in uns. Wir verschwenden Energie, weil der eine Teil (z. B. unser Körper) nach vorne, der andere Teil (z. B. unser Verstand) nach hinten will. So verpufft unsere Energie im Getriebe unserer Zweifel und dem Machtkampf zwischen Kopf und Körper.

Mit der richtigen Überzeugung und dem entsprechenden Handeln hingegen bündeln wir unsere Bemühungen, konzentrieren unsere Energie und wirken als Einheit. Diesen Elan werden nicht nur wir selbst wahrnehmen. Auch unser Umfeld wird uns dazu Rückmeldung geben und wir merken: Wow, da geht was vorwärts! Da will ich vielleicht dabei sein! Und so entstehen neue Möglichkeiten oder Kontakte und das eine kommt zum anderen.

Indem wir uns klare Ziele setzen und fest daran glauben, dass etwas möglich ist, werden sich Erfolge einstellen, weil wir Energie und Aufmerksamkeit investieren und erste Schritte in die anvisierte Richtung unternehmen. Das „Wie“ braucht uns im ersten Schritt noch gar nicht zu kümmern. Wichtiger ist, dass wir den ersten Schritt gehen. Mit der richtigen Portion Selbstvertrauen werden wir unseren Weg finden. Und das „Wie“ wird sich schon ergeben, das wussten bereits die Römer: „Fortes fortuna adiuvat“, den Tapferen hilft das Glück.

Es geht überhaupt nicht darum, alle unseren alten Glaubenssätze über Bord zu werfen – das wäre weder möglich noch dienlich. Viel wichtiger ist, unsere vermeintlichen Grenzen zu erkennen und zu realisieren, in welchen Situationen uns manche Glaubenssätze im Weg stehen. Nur so können wir bewusst eine neue Entscheidung treffen, unsere Überzeugungen neu ausrichten und stärken, um die richtige Richtung einzuschlagen.

Klingt toll und plausibel? Das freut uns, aber es besteht immer die große Gefahr, dass man Dinge liest, für gut befindet und dann doch nicht umsetzt, weil wieder Alltag dazwischenkommt. Deshalb wollen wir hier auch kein Fazit ziehen, denn „Ich kann das nicht“ ist weder Anfang noch Ende dieses Essays. Es ist die Feuertaufe in jedem Moment deines Alltags – ob auf dem Bürostuhl, in der Werkstatt, im Bikepark oder an sonst einem Punkt, an dem du an deine Grenzen stößt. In diesem Sinne: Glaub an dich!


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Text: Robin Schmitt Fotos: Diverse

Über den Autor

Robin Schmitt

Robin ist einer der zwei Verlagsgründer und Visionär mit Macher-Genen. Während er jetzt – im strammen Arbeitsalltag – jede freie Sekunde auf dem Bike genießt, war er früher bei Enduro-Rennen und ein paar Downhill-Weltcups erfolgreich auf Sekundenjagd. Nebenbei praktiziert er Kung-Fu und Zen-Meditation, spielt Cello oder mit seinem Hund (der eigentlich seiner Freundin gehört!), bereist fremde Länder und testet noch immer zahlreiche Bikes selbst. Progressive Ideen, neue Projekte und große Herausforderungen – Robin liebt es, Potenziale zu entdecken und Trends auf den Grund zu gehen.