Mit seinem Potenzial, Kategorien verschwimmen zu lassen, ist das neue YT JEFFSY CF Pro Race 29 dank 150 mm Federweg bereit dafür, weit oberhalb seiner Gewichtsklasse zu kämpfen. Doch wie schlägt es sich gegen seinen großen Bruder, dem YT CAPRA CF Pro Race 29? Wir haben beide im Kampf gegen die Stoppuhr auf die Trails geschickt.

YT Capra CF PRO RACE 29 | 170 mm/160 mm (v/h) | 5.299 €
YT Jeffsy CF PRO RACE 29 | 150 mm/150 mm (v/h) | 5.299 €

Ganz wie Muhammad Ali: Rope-a-dope

Herrscht hier wirklich ein Ungleichgewicht? Auf dem Papier ja. Doch Papier ist eindimensional. Wie sieht es in der Praxis aus? Lasst uns zurückdenken an das Jahr 1967. In der brutalen Hitze von Zaire (heute die Demokratische Republik Kongo) und vor den Augen der 20.000 Zuschauer traten sie gegeneinander an: George Foreman, schlagkräftiger, größer, jünger, stärker und bis dato unbesiegt, gegen Muhammad Ali, der zwar schneller, aber auch leichter war (und wohl nicht mehr auf seinem Zenit) – ein Underdog in jeder Hinsicht. Nach einer furchterregenden Eröffnungsrunde voller Schläge auf beiden Seiten tat Ali etwas Erstaunliches: Da er fühlte, dass sein Gegner ihm hinsichtlich Schlagkraft überlegen war, begab er sich zu den Ringseilen, suchte mithilfe seiner Beweglichkeit Deckung und ließ die Schläge Foremans auf seine Arme und seinen Körper einprasseln. „Man hat mir erzählt, du wüsstest, wie man zuschlägt, George!“, verspottete Ali den wütenden Foreman, ließ ihn damit umso energischer agieren und zehrte an dessen Kräften. In der achten Runde ahnte Ali schließlich, dass der größere, schwerere Boxer nach solch einer Vielzahl wilder Schläge ermüdet sein musste, daher teilte Ali nun eine brutale Salve an Schlägen aus. Der Kampf war damit vorüber, der Underdog hatte gesiegt. Gelegentlich können Kraft und Muskeln von Wendigkeit und Raffinesse besiegt werden. Ist ein Bike schneller, nur weil es mehr Federweg hat?

Äpfel vs. Birnen

Als wir eine Vorschau des Kampfes JEFFSY CF Pro Race 29 gegen CAPRA CF Pro Race 29 auf unserem Instagram-Kanal posteten, stach ein Kommentar heraus: „Vergleichen wir mittlerweile Äpfel mit Birnen?“. Auf dem Papier besitzt das YT CAPRA CF Pro Race 20 mm mehr Federweg, gigantische 170 mm, um genau zu sein. Folglich sollte es der klare Sieger bei jedem Abfahrts-Battle auf Zeit sein. Doch wie wirken sich 20 mm zusätzlicher Federweg im Kampf gegen die Stoppuhr bei gleichen Fahrern wirklich aus? Sind 150 mm das Ideal, oder zählt doch die Größe? Auch wenn wir vielleicht verschiedene Früchte miteinander verglichen haben, können wir nicht leugnen, neugierig auf diesen Kampf „David gegen Goliath“ gewesen zu sein. Kann man das super potente JEFFSY CF Pro Race 29 überhaupt als David betrachten?

Wenngleich beide dieser außergewöhnlichen Bikes die Kategorien verschwimmen lassen, so unterscheiden sie sich doch in ihren speziellen Fähigkeiten.

Die Herausforderer

Vor dem Kampf geht es zunächst auf die Waage, von Angesicht zu Angesicht: Das JEFFSY CF Pro Race 29 wiegt 12,9 kg, beim CAPRA CF Pro Race 29 stoppt der Zeiger hingegen bei 13,5 kg. Doch es gibt auch eine Menge Gemeinsamkeiten. Beide Bikes kosten 5.299 €, beide rollen auf 29-Zoll-Reifen, beide besitzen eine FOX 36 Factory GRIP 2-Federgabel sowie einen kompletten XTR-Antrieb. Die Geometrien sind ebenfalls nicht wahnsinnig verschieden: Der Lenkwinkel des CAPRA ist um ein Grad flacher und es hat einen längeren Radstand, doch sein Reach ist 5 mm kürzer und der Sitzwinkel 2,5 Grad flacher. Beide Bikes teilen sich mit 435 mm identisch lange Kettenstreben. Vielleicht ist es also nicht wirklich Äpfel vs. Birnen, die Änderungen an der Geometrie des JEFFSY CF Pro Race 29 machen es jedoch zum Herausforderer in diesem Duell. Das CAPRA hat mit der SRAM CODE RSC kräftigere Bremsen, verglichen zur SRAM Guide RSC des JEFFSY, doch das JEFFSY ist eben auch leichter. Bei beiden Bikes wurde für die Test-Runs auf Zeit dieselbe Reifenkombi aufgezogen: MAXXIS Minion DHF/DHR II 2.5.

Mit seinen 150 mm Federweg nimmt das YT JEFFSY CF Pro Race 29 den Kampf gegen das stärkere CAPRA auf – kann es das schlaggewaltige CAPRA mit der „Rope-a-dope“-Taktik auskontern?

Das YT Capra CF PRO RACE 29 im Detail

Gabel FOX 36 FLOAT Factory 170 mm
Dämpfer FOX FLOAT X2 Factory 160 mm
Schaltung Shimano XTR
Bremsen SRAM CODE Ultimate
Laufräder e*thirteen TRSr Carbon
Reifen e*thirteen TRSr / TRS+ 2,35″
Vorbau Renthal Apex
Lenker Renthal Flatbar Carbon
Sattelstütze FOX Transfer Factory
Preis 5.199 €

Größe M L XL XXL
Sattelrohr 420 mm 445 mm 465 mm 490 mm
Oberrohr 584 mm 621 mm 645 mm 667 mm
Steuerrohr 95 mm 105 mm 115 mm 120 mm
Lenkwinkel 65°/65,5° 65°/65,5° 65°/65,5° 65°/65,5°
Sitzwinkel 75,5°/76° 75,5°/76° 75,5°/76° 75,5°/76°
Kettenstreben 435 mm 435 mm 440 mm 440 mm
BB Drop 25 mm/15 mm 25 mm/15 mm 25 mm/15 mm 25 mm/15 mm
Radstand 1.203 mm 1.227 mm 1.256 mm 1.279 mm
Reach 440 mm 460 mm 480 mm 500 mm
Stack 621 mm 630 mm 639 mm 644 mm

Das YT Jeffsy CF PRO RACE 29 im Detail

Gabel FOX 34 FLOAT Factory 150 mm
Dämpfer FOX FLOAT DPX2 Factory 150 mm
Schaltung Shimano XTR
Bremsen SRAM Guide Ultimate
Laufräder e*thirteen TRS Race Carbon
Reifen e*thirteen TRS+ 2,35″
Vorbau Renthal Apex 35
Lenker Renthal Fatbar Carbon
Sattelstütze FOX Transfer Factory
Preis 5.199 €

Größe S M L XL XXL
Sattelrohr 400 mm 415 mm 435 mm 460 mm 485 mm
Oberrohr 571 mm 592 mm 614 mm 637 mm 659 mm
Steuerrohr 100 mm 105 mm 110 mm 120 mm 125 mm
Lenkwinkel 66,5°/67° 66,5°/67° 66,5°/67° 66,5°/67° 66,5°/67°
Sitzwinkel 77,5°/78° 77,5°/78° 77,5°/78° 77,5°/78° 77,5°/78°
Kettenstreben 435 mm 435 mm 435 mm 440 mm 440 mm
Radstand 1.171 mm 1.193 mm 1.215 mm 1.244 mm 1.266 mm
Reach 434 mm 454 mm 474 mm 494 mm 514 mm
Stack 615 mm 620 mm 624 mm 633 mm 638 mm

Das Schlachtfeld

Zuerst der Downhill-Test. Wie wirken sich 20 mm extra Federweg auf der Stoppuhr aus? Um das herauszufinden, haben wir die Bikes mit auf unsere schottische ENDURO-Magazine Teststrecke genommen, die „zornigen“ Enduro-Trails von Innerleithen. Die Teststrecke wurde so ausgewählt, dass sie eine harte Stage eines Enduro-Rennens widerspiegelt, inklusive Sprüngen, wilden Wurzelteppichen, engen Spitzkehren, Vollgas-Abschnitten und Highspeed-Kurven, aber auch einigen tretlastigen Geraden sowie Pump-Sektionen. Unsere erfahrenen Testpiloten kennen jede Linie und jeden Millimeter der Strecke, sodass sie äußerst konstante Läufe hinlegen können und dabei weniger als eine Sekunde voneinander entfernt sind. Die Reifendrücke wurden vereinheitlicht, bevor die Setup-Läufe abgeschlossen und die Bikes abgestimmt wurden. Und schließlich wurde die Stoppuhr gezückt. Nach 16 Abfahrten auf der ca. 2:30 Minuten langen Downhill-Strecke, bei denen die Bikes zwischen den Fahrern hin- und hergewechselt wurden, um Messabweichungen durch Erschöpfung zu vermeiden, lagen die Ergebnisse auf dem Tisch: Ein Bike war klar schneller. Allerdings ist bergab Fahren nur eine Seite. Was ist mit schnellen Runden und kurzen Anstiegen? Nicht jeder fährt nur in Bikeparks oder auf Rennstrecken. In unserem Test ging es immer um mehr als nur die bloße Geschwindigkeit bergab. Mehr als einen Monat lang stellten wir die beiden Bikes während unzähliger Situationen auf die Probe – schnelle Feierabend-Runden, epische Wochenendausfahrten und Vollgas-Shuttle-Tage.

Ein Direktvergleich bei der Abfahrt

Racer 1:
YT JEFFSY CF Pro Race 2,31 ± 0,02
YT CAPRA CF Pro Race 2,24 ± 0,01
Racer 2:
YT JEFFSY CF Pro Race 2,31 ± 0,01
YT CAPRA CF Pro Race 2,26 ± 0,03

Doch zurück zur Zeitmessung. Auch wenn es eng war, gab es einen klaren Gewinner. Auf der Teststrecke unseres Magazins erwies sich das CAPRA CF Pro Race 29 für jeden Fahrer als schneller, und zwar um über 2 Sekunden pro gefahrener Minute, aber warum? Angesichts ihrer Gemeinsamkeiten in der Ausstattung war es eine Überraschung, zu erleben, dass beide Bikes auf dem Trail äußerst unterschiedliche Persönlichkeiten aufweisen. Mit dem superflachen 170 mm CAPRA CF Pro Race 29 lässt es sich unfassbar leicht schnell fahren, zudem ist es im zerklüfteten Terrain und bei Sprüngen gelassener. Es gleitet geschmeidig und geräuschlos durch Steinfelder und ermöglicht es, später zu bremsen und mit den Reifen mehr Grip zu finden. Dank der zusätzlichen 20 mm an Federweg und der flacheren Winkel fühlen sich ruppige Strecken sanfter und leichter an. Doch auch das JEFFSY CF Pro Race 29 fühlt sich unglaublich schnell an, ist dabei allerdings lebendiger und braucht eine härtere Hand, wenn man auf ruppigem Untergrund scharf bremst und Linien mit Highspeed halten will. Obwohl es einen Heidenspaß vermittelt, sorgten der kürzere Federweg und die steilere Geometrie in unseren Tests dafür, dass wir uns auf schnelleren und härteren Abschnitten ein wenig zurückhielten, wo das Bike nicht dasselbe Level an Grip finden konnte, wie sein langhubiger Bruder. Genau dort gingen die Sekunden also verloren.

Ja, das CAPRA ist schneller, doch wie sieht es mit der Effizienz aus? Hat das JEFFSY dabei das CAPRA im Griff?

Schlagkraft allein gewinnt keine Kämpfe

Federweg zählt also noch immer, wenn es auf die pure DH-Performance ankommt, doch würde das aggressivere CAPRA CF Pro Race 29 auch überall sonst dominieren? In dieser Runde konnte das JEFFSY seine Rope-a-dope-Taktik voll ausspielen. Auch wenn das CAPRA CF Pro Race 29 für ein 170 mm-Bike ein exzellenter Kletterer ist, kann es einfach nicht mit dem steilen Sitzrohr, der ausgewogenen Hinterbau-Kinematik und der effizienteren Fahrposition des JEFFSY mithalten. Wenn die Trails eher bergab verlaufen statt in Falllinie zu stürzen, dann fühlt sich das langhubige CAPRA CF Pro Race 29 an, als sei es gelangweilt, gemächlich den Trail hinabzusegeln. Im Kontrast dazu wird dabei das JEFFSY erst lebendig und spornt euch an, jede Kompression wegzudrücken sowie von jeder Kante abzuziehen, sei sie auch noch so klein. Die ausgewogene Geometrie erlaubt blitzschnelle Richtungswechsel und ein fantastisches Handling. Ja, das CAPRA ist der schnellere Downhill-Bolide, doch dreht man die Vorzeichen herum, könnten wir auch behaupten, dass das JEFFSY CF Pro Race 29 der bessere Kletterer ist, noch dazu vielseitiger und bergab lediglich ein winziges bisschen langsamer als das mächtige CAPRA.

Welches Bike solltet ihr kaufen?

Wenn ihr das Glück habt, mit dem Cursor über dem „Jetzt kaufen“-Button dieser zwei identisch teuren Bikes zu schweben, dann scheint die Wahl schwierig zu sein – doch eigentlich ist es ganz einfach. Wenn ihr ein Enduro-Racer seid oder eure Wochenenden damit verbringt, Runden im Bikepark zu drehen, dann gibt es nur ein Bike für euch: das fantastische CAPRA CF Pro Race 29. Mit größeren Reserven ist es ein Bike, dass es euch erlauben wird, mit mehr Selbstvertrauen der Uhr wertvolle Sekunden abzujagen, während ihr sicherer und kontrollierter eure Grenzen verschiebt. Wenn ihr allerdings nicht in der Nähe von EWS-würdigem Terrain lebt, dann werden seine gigantischen Federwegsreserven und flachen Winkel euch mit einem Bike zurücklassen, dass sich gelangweilt anfühlt. Ja, das YT CAPRA CF Pro Race 29 ist in sehr hartem Terrain ein paar Sekunden schneller und für einige wenige Fahrer ist das alles, worauf es ankommt. Doch für die meisten ist das JEFFSY CF Pro Race 29 das lohnendere Bike: Hochgradig vielseitig, effizienter, lebendig und fesselnd verwandelt es jeden Trail in eure persönliche Rennstrecke – unabhängig vom Gefälle. Gleichsam glücklich an der Startlinie eines Amateur-Enduro-Rennens als auch bei einer epischen, mühsam erkämpften 70 km-Ausfahrt in den Alpen. Für alle außer reinrassigen Rennfahrern und Park-Enthusiasten ist das YT JEFFSY CF Pro Race 29 das Bike, das den K.-o.-Schlag liefert.

Mehr Infos unter: yt-industries.com


Dieser Artikel ist aus ENDURO Ausgabe #038

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