Das Zerode Katipo scheint wie der wahr gewordene Traum aller Kettenschaltungs-Kritiker. Das Bike aus Neuseeland besitzt eine moderne Geometrie, einen schicken Carbon-Rahmen, ein top Fahrwerk – und ein Pinion-Getriebe mit Riemen-Antrieb. Wir waren sehr gespannt, wie es sich im ausgiebigen Test schlägt und welche Vor- und Nachteile das Konzept besitzt.

Zerode Katipo | Federweg: 160/160 mm | Laufradgröße: 29” | Gewicht: 15,72 kg | Preis ab 5.899 € | zerodebikes.com

Ihr habt noch nie von Zerode gehört? Das ist nicht verwunderlich. Die kleine Schmiede aus Neuseeland hat sich auf Carbon-Trail- und Enduro-Bikes mit Pinion-Getriebe spezialisiert und aktuell nur zwei Modelle im Portfolio. Das 27,5”-Modell Taniwha haben wir bereits vor über drei Jahren für euch getestet. Das Katipo ist der neueste Spross im Portfolio der kleinen Edel-Schmiede. Es besitzt wahlweise 140 oder 160 mm Federweg am Heck und rollt auf 29”-Laufrädern. Realisiert wird die Veränderung des Federwegs über einen angepassten Dämpferhub und einen anderen Umlenkhebel. Der Carbon–Rahmen bleibt der gleiche.

Zerode bietet das Katipo sowohl als Trail- und Enduro-Version an. Realisiert wird das über unterschiedliche Umlenkhebel und einen angepassten Dämpferhub.
Bei der Gangzahl des Getriebes kann man zwischen 12 und 9 Gängen wählen. In unserem Test-Bike steckte eine Pinion C1.12. Allerdings glauben wir, dass auch die 9 Gang-Version für viele trotz der größeren Gangsprünge eine super Option ist.

Alle, die glauben, das Zerode Katipo wäre ein E-Mountainbike, müssen wir hier eines Besseren belehren. Die Box am Unterrohr ist kein Motor, sondern ein Pinion-Getriebe, das eine klassische Kettenschaltung ersetzt. Das Katipo ist wahlweise mit einem Pinion C1.12-Getriebe mit 12 Gängen und 600 % Übersetzungsbandbreite oder der P9-Version mit 567 % Bandbreite erhältlich. Bei letzterer muss man etwas größere Gangsprünge in Kauf nehmen, spart aber dafür rund 100 g Gewicht. Unser Katipo Test-Bike mit 160 mm Federweg und einer Pinion C1.12 bringt es je nach Reifen auf ein Gesamtgewicht von rund 15,72 kg.

Was sind die Vorteile eines Pinion-Getriebes gegenüber einer Kettenschaltung?

Es gibt mehrere Gründe, die für ein Getriebe beim Mountainbike sprechen. Der erste und offensichtlichste ist der geringere Wartungsaufwand – speziell in Verbindung mit einem Riemen-Antrieb. Pinion selbst empfiehlt für das Getriebe einen Ölwechsel nach 10.000 km. Außerdem kann man natürlich kein Schaltwerk verbiegen oder abreisen und der generelle Verschleiß ist reduziert. Ein weiterer Benefit ist das zentral positionierte Gewicht und die geringere ungefederte Masse. Dadurch kann das Fahrwerk feinfühliger ansprechen und das Rad sollte satter auf dem Trail liegen. Durch die immer gleiche Kettenlinie lässt sich außerdem die Kinematik des Hinterbaus noch besser abstimmen. Es gibt noch einige weitere Vorteile, wie z. B. die enorme Übersetzungsbandbreite oder die Tatsache, dass man im Stand mehrere Gänge schalten kann.

Beim Zerode spart man sich das Schaltwerk und die Pflege der Kette. Ganz ohne Liebe kommt aber auch das Bike nicht aus. Speziell den Riemenspanner sollte man gelegentlich schmieren.

Gibt es auch Nachteile bei einer Pinion-Getriebeschaltung?

Die Pro’s fürs Pinion-Getriebe klingen ja schon einmal sehr positiv. Doch es gibt auch negative Aspekte. So hat man beim Pedalieren ein mahlendes Gefühl und das Getriebe fühlt sich weniger effizient an. Dieses Gefühl soll nach einer Einfahrzeit von rund 1.000 km nachlassen. Wie stark der Verlust im Getriebe ist, können wir nach unserer Testfahrt leider nicht sagen, allerdings empfanden wir ihn bis zum Schluss als spürbar. Außerdem ist der Leerweg der Kurbel durch den extra Freilauf im Getriebe größer. Speziell bei technischen Trails bergauf stört das, wenn man mit kurzen Tretunterbrechungen Bodenkontakt der Kurbeln verhindert. Zum Schalten in einen leichteren Gang ist eine kurze Unterbrechung des Kraftflusses nötig, da sich der Gang sonst nicht einlegen lässt. Ach ja, und das Pinion-Getriebe ist leider nur mit einem Dreh-Schaltgriff kompatibel – einen klassischen Daumen-Trigger gibt es nicht. Außerdem ist ein Getriebe schwerer als eine klassische Schaltung, das Gewicht sitzt dafür aber zentral im Rad.

Ideal ist der Grip-Shift-Hebel am MTB nicht. Man kann sich mit ihm aber arrangieren. Das Schalten im Stand und das Schalten mehrerer Gänge ist super. Dass man immer Druck vom Pedal nehmen muss, um einen leichteren Gang zu wählen, nervt dagegen.

Die Ausstattung des Zerode Katipo im Detail

Zerode bietet das Katipo in zwei Ausstattungavarianten sowie als Frame-Kit an. Außerdem kann man bei der kleinen Schmiede die Komponenten auch an seine eigenen Vorlieben anpassen. Für ein Katipo Enduro Frame-Set inklusive X2-Dämpfer werden in Deutschland 5.899 € fällig. Das Umrüstkit auf einen Riemen statt einer Kette kostet 725 € extra. Es wird klar: Auch wenn die Schaltung beim Rahmenset inklusive ist, ein Schnäppchen ist das nicht! Da es sich bei unserem Test-Bike um einen Custom-Aufbau handelt, gehen wir nicht weiter auf die Ausstattung ein. Beide Komplett-Bikes von Zerode besitzen eine insgesamt durchdachte und hochwertige Ausstattung. Sie setzen auf ein FOX Factory-Fahrwerk, MAGURA MT5-Bremsen und MAXXIS-Reifen. Einen Unterschied gibt es bei den Laufrädern. Während das günstigere Voyager-Modell über Stan’s NoTubes Flow MK3-Felgen verfügt, rollt das Deluxe-Modell auf Zerode-Carbon-Felgen. Beide Bikes besitzen serienmäßig einen Riemenantrieb. Genaue Preise hängen stark davon ab, wo ihr lebt, checkt das daher am besten mit Zerode direkt.

Zerode ist eine kleine Schmiede aus Neuseeland. Das Katipo ist wahlweise als Frame-Kit oder Komplett-Bike verfügbar. Auch Sonderwünsche lassen sich hier realisieren.
Unser Test-Bike hatte anfangs einen relativ flachen Lenker. Im Verlauf haben wir ein Modell mit mehr Rise montiert und die Spacer reduziert.
Die MAGURA-Zweikolbenbremse am Hinterrad ist leider total unterdimensioniert. Wir haben sie schnell gegen ein standfestes Modell getauscht.

Modern, ausgewogen, durchdacht – Die Geometrie des Zerode Katipo

Die schlechte Nachricht zuerst: Viele Fahrer werden wohl nicht in den Genuss des Zerode Katipo kommen. Neben dem hohen Preis limitieren nämlich auch die lediglich zwei verfügbaren Rahmengrößen den Käuferkreis. Das Katipo gibt es nur in L und XL. Bei unserem Test-Bike in Größe L beträgt der Reach gut gewählte 475 mm. Das Sitzrohr fällt mit 460 mm leider unnötig lang aus und limitiert so die Versenkbarkeit der Sattelstütze. Die Tretlagerabsenkung ist mit 25 mm auf dem Papier gut gewählt – vor allem, wenn man den zentralen Schwerpunkt bedenkt. Die Kettenstreben sollten mit einer Länge von 444 für ein ausgewogenes Handling sorgen. Sitz- und Lenkwinkel sind mit 75,5° und 64° ebenfalls im Rahmen des Katiopo Enduro.

Größe L XL
Sattelrohr 460 mm 490 mm
Lenkwinkel 64° 64°
Sitzwinkel 75.5° 75.5°
Kettenstrebe 444 mm 444 mm
BB drop 25 mm 25 mm
Steuerrohr 110 mm 120 mm
Radstand 1,245 mm 1,279 mm
Stack 610 mm 618 mm
Reach 475 mm 505 mm

Slow and steady – Das Zerode im Uphill

Eines ist das Zerode Katipo definitiv nicht: eine Rakete im Uphill. Allerdings sind das die wenigsten Bikes mit 160 mm Federweg am Heck. Die Sitzposition ist angenehm und trotz des auf dem Papier eher flach angegeben Sitzwinkels angenehm zentral, das Fahrwerk arbeitet antriebsneutral. Das Getriebe benötigt laut Pinion knapp 1.000 km an Einfahrzeit und läuft dann angeblich immer geschmeidiger. In unserem ausgiebigen Test verschwand das mahlende Gefühl nicht. Ok, wir können auch nicht garantieren, die 1.000 km voll gemacht zu haben – das ist auf einem Enduro-Bike im steilen Terrain nämlich ganz schön viel. Wie viel Effizienz das Getriebe letztlich wirklich kostet, können wir nicht mit Gewissheit sagen. Allerdings fühlt sich das Rad insgesamt schon weniger spritzig und einen Tick langsamer an wie vergleichbare Bikes mit Kettenschaltung. Seine Stärken spielt das Pinion-Getriebe bei super steilen Uphills aus. Wenn andere anfangen, ihr Bike zu schieben, schaltet man einfach noch einen Gang runter. Außerdem ist es natürlich perfekt für alle, die ständig im Matsch und Regen unterwegs sind. Speziell im Herbst haben wir das gedichtete System sehr geschätzt. Ganz ohne Wartung geht es aber auch hier nicht, schließlich fordert der Kettenspanner etwas Liebe, um nicht zu knarzen und zu knacken.

Leise, ausgewogen, spaßig – Das Katipo brilliert in der Abfahrt

Seine größten Stärken spielt das Zerode Katipo definitiv in der Abfahrt aus. Hier begeistert das Rad ab dem ersten Meter mit seinem super satten Fahrgefühl. Es vermittelt dank seines zentralen Schwerpunkts ein gewisses E-MTB-Feeling. Der Hinterbau arbeitet sehr feinfühlig und filtert Schläge beeindruckend souverän weg. Das Rad vermittelt viel Ruhe und schaukelt sich nicht auf. Bei großen harten Schlägen ist ausreichend Progression vorhanden und der Gegenhalt beim Pushen und in Kurven ist super. Gleichzeitig ist es flüsterleise – genial!

Tuning-Tipp: Lenker mit viel Rise montieren

Die Geometrie ist sehr ausgewogen und passte unseren 180 cm großen Testern perfekt. Man steht zentral und hat bei jedem Gefälle guten Grip an beiden Laufrädern. Das macht das Zerode gutmütig und berechenbar. Kurven lassen sich extrem schnell und kontrolliert fahren. Wer auf Drifts steht, kann diese super kontrollieren, wer sie lieber wie auf Schienen durchfährt, kann auch das auf beeindruckende Art und Weise. Bei verspielten Fahrmanövern muss man einen gewissen Input liefern, um das Katipo z. B. in den Manual zu ziehen. Außerdem empfehlen wir, einen Lenker mit viel Rise zu montieren, um den insgesamt etwas niedrigen Stack zu kompensieren, ohne aber den Reach zu verkürzen. Bergab arbeitet das Pinion-Getriebe unauffällig. Wie schon bergauf braucht es eine gewissen Gewöhnung, um die Schaltlogik zu verstehen und das Schaltverhalten anzupassen, dennoch störte der Grip-Shift-Hebel nie bergab. Nur die limitierte Auswahl an Griffen könnte für manche Fahrer nervig sein.

Ist das Zerode Katipo mit seinem Pinion-Getriebe die Revolution, auf die viele gewartet haben?

Würden wir das Zerode Katipo gerne als unser Ein-Bike-für-Alles besitzen? Diese Frage haben wir uns während des Tests mehrfach gestellt. Es gibt viele gute Gründe, das Bike zu lieben. Es ist super leise, hat ein sehr sattes Fahrwerk und eine stimmige Geometrie. Außerdem ist der Wegfall eines Schaltwerks für viele sicher ein großer Grund zur Freude. Am Ende würden wir uns allerdings für ein klassisches Bike mit Kettenschaltung entscheiden. Die besten Modelle erreichen ein genauso sattes und leises Fahrgefühl, ohne die Nachteile des Getriebes. Ein Schaltwerk hält zwar nicht ewig, lässt sich aber einfach ersetzen. Was aber macht man, wenn der Kettenspanner im Urlaub den Geist aufgibt?

Fazit

Das Zerode Katipo begeistert nicht nur durch sein super sattes Fahrwerk und die erstklassige Geometrie, sondern vor allem durch die gelungene Integration des Pinion-Getriebes ins Gesamtkonzept des Bikes. Ja, das Getriebe besitzt Vorteile, aber auch Nachteile und es liegt an jedem selbst, diese für sich zu bewerten. Wenn das für einen persönlich passt, man nach einem einzigartigen Bike sucht und das nötige Kleingeld mitbringt, kann man hier fündig werden!

Tops

  • super ausgewogen und satt
  • sehr leise!
  • exklusiv und einzigartig
  • alle Vorteile des Getriebes

Flops

  • Uphills sind nur Mittel zum Zweck
  • nur zwei Rahmengrößen verfügbar
  • auch der Riemenspanner braucht Liebe

Mehr Informationen findet ihr unter zerodebikes.com


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Text: Fotos: Finlay Anderson