„Einatmen. Ausatmen. Und bloß nicht aufhören zu treten…” Mit diesen Worten im Kopf quälte ich mich eine nicht enden wollende, steile Rampe hoch. Irgendwie hatte ich mir die erste Zweitagestour mit meiner vierjährigen Tochter leichter vorgestellt. Sie fand es wunderschön. Ich dagegen versuchte mit ihr im Schlepptau nicht umzukippen.

Da war sie wieder, die Frage: „Papa, wann gehen wir denn dieses Jahr zelten?“ Ich konterte mit einer Pauschalantwort: „Bald!” Nachdem wir das Spiel einige Male wiederholt hatten, war ich aber doch mal am Zug. Denn es ist schon beeindruckend, von seiner vierjährigen Tochter mehrmals im Jahr aufgefordert zu werden, den sicheren Hafen „Sofa“ zu verlassen, um mit ihr in ein kleines Abenteuer zu starten. Das Zelten im Garten ist mir aber zu langweilig und so schmiedete ich hochmotiviert einen Masterplan, um Maja – so heißt meine Kleine – das maximale Erlebnis bieten zu können: Radtour inklusive ihrer ersten Trailfahrt, Übernachtung am Berg und jede Menge Kühe.

  Ihre Augen leuchten schon ab der ersten Runde, in der unser Trip begann.

Die Herausforderung

Bisher dachte ich immer, dass mich mit meinen zehnjährigen Erfahrung als professioneller Bike-Guide in der heimischen Bergwelt sicherlich nichts mehr aus der Ruhe bringen könnte. Mountainbike-Touren kann ich hier im Schlaf guiden, aber eine Tour mit Kind und Zelt im Gepäck zu planen und durchzuführen stellt einen vor ganz andere Herausforderungen. Es geht zwar – wie so oft auch bei meinen Kunden – um das Thema Laufradgrößen. Dieses Mal aber nicht um die altbekannte Diskussion 29” versus 27,5”, sondern um 16, 18 oder 20 Zoll. Auch die Wahl der Gänge spielt im Kindesalter eine nicht unwesentliche Rolle: Eingang-, Zweigang-Rad, oder sogar schon 7-fach! Bepackt mit Tipps der bikenden Eltern-Szene und der Campingausrüstung von früheren Reisen starteten wir an einem Donnerstagnachmittag mit sehr guter Wetterprognose los. Maja musste ich nicht wirklich fragen, ob sie mit mir am Berg zelten möchte. Ihre Augen leuchteten schon ab der ersten Sekunde, in der unser Trip begann.

Zwei Welten – ein Ziel

Mit gefüllten Packtaschen und Rucksäcken bestückt ging es einige Stunden später schließlich los. Wir beide fühlten uns wie die größten Abenteurer – jeder in seiner Welt, aber mit einem gemeinsamen Ziel. In meiner Erwachsenenwelt ging es plötzlich nicht mehr nur um mich, sondern vielmehr um das WIR! Denn meine Tochter verlässt sich ganz auf mich, so musste auch die Packliste gewissenhaft abgehackt werden. Ganz wichtig hierbei: Jasper! Ihr aktuelles Lieblings-Pixi-Buch. Somit war die Gutenachtgeschichte schon mal in trockenen Tüchern. Majas kindliche Leichtigkeit ließ uns nahezu den Berg hochfliegen – in ihren Augen zumindest. Sie quasselte ununterbrochen und stimmte ein Kindergartenlied nach dem anderen an. Meine Stimme? Die blieb teilweise weg, denn mit über 30 kg Zusatzgewicht wurde die Bergauffahrt ab und an durchaus anstrengend – trotz E-Mountainbike.

Majas erster Trail

„Papa schau mal, mein erster Trail!“ Mein Herz schlug Purzelbäume, als ich mit ihr kurz vor dem Abendlager einen welligen Wiesentrail hinabrollte. Und das nicht nur einmal, denn Majas Motivation und Wille ließen sie noch ein paar Mal hoch schieben und den Abfahrtsspaß ins Unendliche treiben. Mein Stolz ist unbeschreiblich und ein Gedanke schlug wie ein Blitz ein: Jetzts geht es zu 100 % nicht mehr um mich – wieso auch? – alles fühlt sich genau richtig an. Das Teilen der Freude mit ihr ist in dieser Sekunde so viel mehr wert als alleine den epischsten Trail auf unserem Planeten zu fahren.

Unser Abendlager

Klar könnte ich das Zelt in wenigen Minuten alleine aufbauen. Aber da wir als Team auf Tour unterwegs waren, wurde auch dieses Prozedere geteilt. Maja bohrte die Heringe in die Erde und steckte das Gestänge zusammen, ich war für das Aufspannen des Zeltes zuständig. Unter den neugierigen Blicken von Lusi und Susi verspeisten wir durch einen Zaun getrennt unsere verdiente Brotzeit. Ein kluger Schachzug, denn ohne Zaun hätten sich die beiden Kälber mehr als nur einmal selbst bedient. Maja schmiss ihnen im Gegenzug immer wieder ein bisschen Gras rüber – die Kinder verstehen sich. Unter den letzten Sonnenstrahlen las ich ihr die Geschichte von Jaspers Abenteuern rund um die Welt vor. Maja krabbelte in das Zelt, schlüpfte in ihren Schlafsack und kuschelte sich in meine Arme. Kurz bevor sie in die Traumwelt hinüber schwebte, hatte sie noch einen Gedankenblitz: „Papa, weißt du, warum es den Gutenabendstern gibt? Damit der Mond nicht so alleine ist.“ Im nächsten Moment schlief sie zufrieden und erledigt von den Ereignissen ein. Ich genoss vor dem Zelt die Stille am Berg und blickte mit Dankbarkeit in das Lichtermeer im Tal.

Guten Morgen mit Lusi und Susi

Am nächsten Morgen wurden wir einmal nicht vom nervigen Piepsen eines Weckers, sondern vom Gebimmel der Kuhglocken geweckt. Sie ließen uns schon lange vor 6 Uhr in den Tag starten. Maja hatte aber andere Sorgen. Ihr war es zu hell, ich sollte das Licht ausschalten. Tja, das Zelt besitze leider keinen Fensterrollo zum Abdunkeln, ließ ich sie wissen. Daraufhin steckte sie ihren Kopf wieder tief in den Schlafsack. Kurzzeitig zumindest, denn die Sonnenstrahlen heizten das Zelt schnell auf, sodass sie nun doch ins Freie krabbelte. Nach einem kräftigen Frühstück und einem kurzen „Pfiat di” bei Lusi und Susi ging es anfangs im Soloritt und dann angekoppelt an der FollowMe Tandem-Verbindung über feine Trails und Schotterpisten wieder zurück ins Tal.

Heute ist kindergartenfrei

Gäbe es einen Selbstbewusstseinsbarometer, hätte mich Maja jetzt mit dem Auto nach Hause gefahren. Gut, dass sie noch nicht mit ihren Füßen an die Pedale kommt – sonst hätte sie das auch ohne Führerschein direkt gemacht. Das – wenn auch kurze – Bergabenteuer hat ihr mehr als nur gut getan und uns beide noch ein Stück näher gebracht. Auf der Rückfahrt in Richtung Zuhause schlief Maja nach den ersten Metern fix und fertig ein. Für den Kindergarten war es leider zu spät geworden, was aber auch gut war, denn sie hatte einiges an Schlaf nachzuholen. Auf der rechten Spur fahrend fad ich mich in Gedanken versunken und überlegte schon jetzt, wo unsere nächste Tour hingehen könnte. Dieses Abenteuer schreit nach Wiederholung, wir haben beide Blut geleckt.


5 Tipps für ein erfolgreiches Camping-Abenteuer mit eurem Nachwuchs

  • 1. Nimm genügend Essen und Trinken für euch beide mit.
  • 2. Lass dir mit dem Nachwuchs viel Zeit auf Tour.
  • 3. Habe immer einen Plan B, falls die geplante Übernachtungs-Location nicht erreicht wird.
  • 4. Das Einschlafritual ist wichtig: Vergiss also das Kuscheltier und/oder die Einschlafgeschichte nicht.
  • 5. Checke das Equipment zuvor sorgfältig. So wird der Trip nicht zum Alptraum, sondern zum wahren Traum.

Dieser Artikel ist aus ENDURO Ausgabe #034

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Text: Fotos: Andi Maschke, Christoph Bayer