„You have to finish first to finish first“, sagte einmal Jared Graves, als er nach seiner Taktik für ein Enduro World Series Rennen gefragt wurde. Stürze und Materialdefekte haben keinen Platz beim Kampf um Podiumsplätze. Kommt ein Fahrer mit gesenkten Kopf ins Ziel, wandert der Blick meist automatisch auf die Laufräder bzw. Reifen. Ist bei ihnen erst einmal die Luft raus, so ist auch die Stage-Zeit bzw. häufig das gesamte Rennen ruiniert. Reifen sind ─ nicht nur bei Rennen ─ extremen Belastungen ausgesetzt. Neben hohem Grip entscheidet vor allem auch die Pannensicherheit über Sieg und Niederlage.

Update Juni 2016: Dieser Artikel ist von 2014, inzwischen haben wir einen neuen Enduro-Reifen Vergleichstest!

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Testing rolling resistance - SCIENCE!
Rollwiderstand Testen ist eine Wissenschaft für sich
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Aus diesem Grund mussten sich die Kandidaten des zweiten Teils unseres Vergleichstests unter anderem auch auf den Prüfständen des Reifen-Giganten Continental in Korbach beweisen. Die ENDURO-Redakteure Christoph und Max-Philip überwachten dabei den gesamten Testablauf, bei dem neben einer klassischen Rollwiderstandsmessung auch die Durchschlagfestigkeit und die Stärke der Karkasse gemessen wurde. Bei der Durchschlagsmessung wurde in 5-cm-Schritten die Fallhöhe eines 10kg-Gewichts nach und nach erhöht, bis der Schlauch nach dem Aufprall Luft verlor. Für die beiden Durchstichtests stellten wir die Festigkeit der Lauffläche mit einer Nadel und die der Seitenwand mit einer Klinge auf die Probe. Ziel war es abzubilden, wie resistent die verschiedenen Modelle gegenüber Dornen und scharfkantigen Steinen sind.

"Testing to failure"
Testen bis zum Äußersten
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Für den Praxis-Test erhielt die ENDURO-Testcrew zusätzlich Unterstützung von Tobias Reiser, der für das Focus Trail Team schon bei mehreren World Series und europäischen Rennen an den Start ging und daher die Anforderungen an einen guten Enduro-Reifen bestens kennt. Gemeinsam mit ihm testeten wir die Reifen nicht nur auf verschiedenen Untergründen, sondern auch bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen, um Erkenntnisse über Faktoren wie Grip, Kurvenführung, Nasshaftung und die Dämpfungseigenschaften zu gewinnen.

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Bei einer abschließenden Besprechung der Fahreigenschaften jedes einzelnen Modells halfen die Messwerte aus dem Labor, die Testeindrücke zu evaluieren und so das Gesamtergebnis unseres Prüfprozesses zu vervollständigen.

Die sechs getesteten Modell in der Übersicht. Die Reifen im Einzeltest folgen hier:
Die sechs getesteten Modell in der Übersicht. Die Reifen im Einzeltest folgen hier:

Continental Trail King Protection 27.5 + Apex

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Der Continental Trail King ist nicht nur der einzige in Deutschland gefertigte Reifen im Feld, er verfügt auch ─ anders als alle weiteren Testkandidaten ─ über eine für Vorder- und Hinterrad unterschiedliche Laufrichtung, um die perfekte Kombination aus guten Rolleigenschaften und Traktion zu bieten.
Eines der vielen Features, welches die Korbacher Entwickler dem Trail King spendiert haben, ist die extra Lage Apex (Kunststoffschicht). Sie sitzt im unteren Teil der Seitenwand und verhalf dem Reifen so bereits im Labor zu top Pannenschutz-Werten. In der Praxis erfordert diese steife Karkasse allerdings einen deutlich geringeren Reifendruck (1,3─1,5 bar) als die Konkurrenz, um ähnlich gute Dämpfungseigenschaften zu bieten ─ andernfalls fährt sich der Reifen sehr hart und schmiegt sich nur ungenügend dem Untergrund an.

Das Profil des Pneus ist von den breiten Mittel- sowie den versetzt angeordneten Seitenstollen geprägt und bietet speziell auf harten, steinigen Böden guten Grip. Wird der Untergrund weicher, ist die Bremstraktion zwar noch im Rahmen, die Kurvenführung und speziell der Grip an Querhängen lässt jedoch stark nach. Der schmale Grenzbereich setzt früh und überraschend ein. Dank der Black Chili Mischung meistert der Reifen nicht nur nasse Wurzeln hervorragend (einen niedrigen Luftdruck vorausgesetzt), auch die Rolleigenschaften im Gelände sind sehr gut und ein Verschleiß ist nahezu nicht festzustellen.

+ geringer Verschleiß
+ gute Nasshaftung
+ hoher Pannenschutz
– schmaler Grenzbereich
– auf weichen Böden wenig Seitenführung

Trail King | Mischung/Karkasse: BLCH ProTech TLR | 2,4 x 27,5 | 930g | 64,90 € | www.conti-online.com

Maxxis Highroller II EXO 2.4 (Kauftipp)

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Der Maxxis Highroller II ist in vielen verschiedenen Ausführungen verfügbar. Wir erhielten für unseren Test die günstigste Variante mit einer Breite von 2,4“, verstärkter EXO-Karkasse in der MaxxPro Mischung, ohne den Zusatz TR (tubeless ready) da diese Version zu diesem Zeitpunkt nicht verfügbar war.
Mit einem Gewicht von 960 g rangiert der Reifen im oberen Drittel unseres Testfeldes, und auch auf dem Prüfstand glänzt der Maxxis nicht mit überragenden Rolleigenschaften. Im Bereich der Pannensicherheit hingegen rangiert er im oberen Mittelfeld. Anders als beim tubeless ready Modell (wurde im Vorfeld bereits getestet) geht bei unserem Testmodell die Montage äußerst leicht vonstatten und der Reifen lässt sich ohne großen Kraftakt auf die Felge ziehen.
Die breiten und hohen Schulterstollen verleihen dem Reifen nicht nur viel Traktion am Querhang und eine sehr gute Kurvenführung, sondern auch einen sehr späten, dafür schmalen Grenzbereich. Nach Gripverlust fängt sich der Reifen allerdings sehr schnell wieder und stabilisiert das Rad.
Dank seiner sehr guten Dämpfungseigenschaften sowohl im Bereich der Karkasse als auch der Gummimischung schmiegt sich der Maxxis gut dem Untergrund an. Er nimmt Unebenheiten wie Wurzeln und Steine sanft auf, verspringt nicht und bietet so speziell bei Nässe sehr gute Fahreigenschaften. Die breiten,weit versetzten und abgeflachten Mittelstollen sorgen für einen ausgewogenen Mix aus hoher Bremstraktion bei gleichzeitig akzeptablem Rollwiderstand im Gelände.

+ sehr später Grenzbereich
+ viel Grip in allen Lebenslagen
+ gute Eigendämpfung
– leicht erhöhter Rollwiderstand

High Roller II | Mischung/Karkasse: EXO 60TPI | 27,5 x 2,4 | 960g | 49,90 € | www.maxxis.de

Onza Ibex 27.5 x 2.4

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Ibex bedeutet übersetzt Steinbock und Onza verspricht mit dem Reifen Traktionswerte auf dem Trail, wie sie die flinken Tiere im Gebirge besitzen. Dies soll zum einen mit der fein gewobenen Karkasse (120 TPI) sowie durch die zweiteilige Gummimischung erreicht werden. In Sachen Gewicht (930 g) wie auch bei den Laborwerten liegt der Onza im guten Mittelfeld. Die geringen Werte der Rollwiderstandsmessung wurden auch in der Praxis nochmals untermauert.

„Das Profil könnte überzeugen“, sagt Testfahrer Tobias bereits beim ersten Kontakt mit dem Ibex. Die Kombination aus dicken, hohen Seiten- und breiten Mittelstollen wirkt stimmig und kann bereits auf den ersten Metern des Testtracks überzeugen. Egal ob harter, felsiger oder weicher Waldboden ─ die Schulterstollen halten den Reifen sicher in der Spur und knicken auch bei Highspeed nicht weg. Der nahezu lückenlose Übergang der Stollen führt zudem zu einem sehr gutmütigen, wenn auch leicht undefinierten Fahrverhalten. Der Grenzbereich setzt sehr spät, dann jedoch überraschend ein. Einzig auf nassen Wurzeln gelingt es dem Ibex weniger gut, die Spur zu halten. Hier wäre eine etwas weichere Mischung im Bereich der Seitenstollen und eine noch etwas ausgeprägtere Eigendämpfung wünschenswert. Verschleiß konnten wir während der Testdauer kaum feststellen und so ist langer Fahrspaß garantiert.

+ sehr gutes Profil
+ großer Grenzbereich
+ viel Grip im Trockenen
– Schwächen bei der Nasshaftung

Onza Ibex | Mischung/Karkasse: FRC120 RC255a TLR | 27,5 x 2,4 | 932g | 53,90 € | www.onzatires.com

Schwalbe Hans Dampf Snakeskin Trailstar

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Der Schwalbe Hans Dampf kann mittlerweile getrost als Klassiker im Segment der Enduro-Reifen bezeichnet werden. Kein anderer Reifen wird seitens der Hersteller so viel verbaut wie der ursprünglich für den US-Markt konzipierte Pneu.
Bereits auf den ersten Metern begeistert der Hans Dampf mit sehr guten Rolleigenschaften. Hierfür verantwortlich ist die durchdachte Trailstar Gummimischung, aber auch das Profil hat entscheidenden Einfluss.
Jeder Profilblock des Reifens verfügt über eine Lamelle, um sich so noch besser dem Untergrund anzupassen, was sich auch in den hervorragenden Dämpfungseigenschaften bestätigt. Die weit versetzten Mittelstollen setzen sich auch bei Matsch erst spät zu und sorgen so für solide, wenn auch nicht überragende Verzögerungswerte. Der lückenlose Übergang des Profils von Mittel- zu Seitenstollen sorgt auf jedem Untergrund für gutmütige und berechenbare Fahreigenschaften. Besonders weniger aggressive Fahrer werden dies zu schätzen wissen, da sie auch ohne starke Schräglage bereits viel Traktion in Kurven erhalten.

Erfahrene Biker würden sich ein etwas definierteres und direkteres Handling wünschen. Speziell bei weichem Untergrund (Matsch, tiefer Waldboden) fehlt es dem Reifen aufgrund der vielen Stollen an der Flanke ein wenig an Spurentreue und Kurvenführung. Auf festem Untergrund (Wurzeln, Steine) ist die Nasshaftung über jeden Zweifel erhaben. An der Pannensicherheit gab es weder im Labor noch in der Praxis angesichts des geringen Gewichts von lediglich 815 g (795 g lt. Hersteller) etwas zu bemängeln. Einzig in Sachen Haltbarkeit enttäuschte der Reifen, da bereits nach rund zehn längeren Touren die Seitenstollen sichtliche Einrisse aufwiesen und so leicht wegknickten.

+ geringes Gewicht
+ gute Nasshaftung
+ sehr gutmütig
– mangelnde Kurvenführung bei weichem Untergrund
– schlechte Selbstreinigung
– hoher Verschleiß

Hans Dampf Snakeskin Trailstar | Mischung/Karkasse EVO TRL SNSK TRI | 27,5 x 2,35 | 815g | 54,90 € | www.schwalbe.com

Schwalbe Magic Mary Super Gravity Trailstar (Testsieger)

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Der Schwalbe Magic Mary Reifen ist nicht nur die erste Wahl von World Cup-Gesamtsieger Steve Smith, auch viele Enduro-Racer wissen den Muddy Mary Nachfolger zu schätzen.
Die Extra-Lage Gewebe der Super Gravity Karkasse beschert dem Reifen im Labortest Topwerte beim Durchschlagsschutz und der Stabilität der Seitenwand. Das offene Profil mit den großen Blöcken sowie das hohe Gewicht erfordern auf dem Rollenprüfstand dann allerdings einige Extrawatt. Dank der festen Karkasse ist es nötig, den Reifen mit einem deutlich reduzierten Luftdruck zu fahren (1,3─1,5 bar bei 80 kg), denn nur so passt er sich perfekt dem Untergrund an und bietet solide Dämpfungseigenschaften. Das Profil besticht durch die hohen und einzeln platzierten Mittel- sowie massiven, nach unten abgestützten Seitenstollen. Auf weichem Untergrund gräbt sich der Reifen dadurch förmlich in den Boden ein und bietet phänomenale Kurvenführung und Traktion. Doch auch auf harten Strecken fühlt er sich wohl. Bedenken, die Stollen könnten hier weg knicken, haben sich nicht bestätigt. Im Gegenteil: Die Magic Mary fährt sich erstaunlich definiert und gibt gutes Feedback. Wurzeln und Querhänge meistert der Reifen bravourös. Der Grenzbereich setzt spät und äußerst kontrollierbar ein, die Verzögerungswerte sind sehr gut.

+ enormer Grip
+ angenehmer Grenzbereich
+ top Selbstreinigung
– hohes Gewicht
– hoher Rollwiderstand

Magic Mary Super Gravity Trailstar | Mischung/Karkasse: EVO SG SNSK TRI | 27,5 x 2,35 | 1101g | 59,90 € | www.schwalbe.com

Specialized Butcher Control

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Der Specialized Butcher Control ist nicht nur der leichteste Reifen im Test, er ist mit einem Preis von 34,90€ auch mit Abstand am günstigsten.
Das niedrige Gewicht und die geringen Abstände der mittleren abgeflachten Profilblöcke bescheren dem Reifen Topwerte auf dem Rollenprüfstand. Die dünnwandige Karkasse kostet allerdings Punkte im Bereich Durchschlagschutz und Stabilität der Seitenwand ─ hier wäre die 50 g schwerere GRID Version des Reifens sicher die bessere Wahl.
Bei trockenen Bedingungen ist der Butcher voll in seinem Element. Das flache Profil mit dem angenehmen Übergang von Mittel- zu Seitenstollen bietet viel Grip und einen angenehm definierten Grenzbereich. Wird der Untergrund weich, bieten die Seitenstollen zwar noch solide Führungsqualitäten, den Mittelstollen fehlt es aber an Traktion ─ die Verzögerungswerte lassen nach. Auf nassen Wurzeln bemängelten die Tester zudem die zu geringe Eigendämpfung des Reifens, wodurch es ihm nicht gelang, dem Untergrund konsequent zu folgen. In der Control Variante empfiehlt sich der Butcher daher vor allem für Tourenfahrer, die einen potenten Reifen für nahezu alle Bedingungen suchen. Racern empfehlen wir die verstärkte GRID Version des Reifens. Diese werden wir zeitnah testen und die Ergebnisse auf unserer Website veröffentlichen.

+ top Perfomance auf trockenem Boden
+ gute Rolleigenschaften
– geringe Pannensicherheit
– schwache Eigendämpfung

Butcher Control | Mischung/Karkasse: Control TLR | 27,5 x 2,3 | 768g | 34,90 € | www.specialized.com

Fazit

Sämtliche Reifen unserer Tests liefern Performance auf sehr hohem Niveau und doch unterscheiden sich die Modelle deutlich:
Die beste Fahrperformance liefert der Schwalbe Magic Mary. Er bietet Fahrern maximale Sicherheit bei gleichzeitig enormen Grip und einem späten, gut kontrollierbaren Grenzbereich. Um den Rollwiderstand des Rades zu senken, empfehlen wir jedoch einen der Strecke angepassten Hinterreifen (Hans Dampf / Rock Razor).
Wer einen Reifen für alle Fälle sucht, der wird mit dem etwas günstigeren Maxxis Highroller II glücklich werden. Neben durchweg sehr guten Fahreigenschaften bietet er dank geringem Verschleiß langfristigen Fahrspaß ─ und ist deshalb unser Kauftipp!

Für Biker mit Fokus auf langen Touren mit hohem Tretanteil ist vor allem der Schwalbe Hans Dampf interessant. Sein geringes Gewicht spart wichtige Energie im Uphill bei gleichzeitig solider Performance bergab.
Der Onza Ibex und der Continental Trail King sind die Alleskönner des Tests, welche dank stabiler Karkasse und durchdachter Gummimischung einen extrem breiten Einsatzbereich abdecken, in der Gesamtperformance aber nicht ganz mit der Konkurrenz mithalten können.

Update Juni 2016: Dieser Artikel ist von 2014, inzwischen haben wir einen neuen Enduro-Reifen Vergleichstest!

Text: Christoph Bayer Fotos: Fabian Rapp, Klaus Kniest, Christoph Bayer


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