2014 machte die Enduro World Series in sieben Ländern auf drei Kontinenten halt, die Saison dauerte sieben Monate. Von außen sieht es so aus, als ob die EWS-Racer einen Traum leben. Die ganze Welt bereisen, Abenteuer erleben, neue Orte entdecken und auf den besten Trails der Welt racen – und das ganze als Job!

Die Enduro World Series zu bestreiten bedeutet, an den schönsten Orten die besten Trails der Welt zu befahren. Für die Top-Fahrerinnen ist dieses Leben dennoch alles andere als glamourös.
Die Enduro World Series zu bestreiten bedeutet, an den schönsten Orten die besten Trails der Welt zu befahren. Für die Top-Fahrerinnen ist dieses Leben dennoch alles andere als glamourös.

Natürlich ein aufregendes Leben, aber lasst euch nicht von fröhlichen Instagram Bildern und coolen Videos täuschen, das ganze ist kein Ponyhof. Die Rennstrecken sind mehr denn je dazu entworfen, die Racer an ihre Grenzen zu bringen. Schon ein Rennen überhaupt durchzustehen verlangt einiges an Training und Können, lange bevor Fahrtechnik, Sprintpower und Ausdauer überhaupt rennentscheidend werden. Jedes der Events dauert vier Tage und findet immer in unterschiedlichen Ländern statt – Organisation und Reisezeiten spielen also eine große Rolle. Das Budget muss geplant werden, um die Welt zu reisen ist nicht billig. Genauso teuer: Enduro Racebikes und all die Ausrüstung, die es braucht, um eine Saison harten Wettkampf zu überstehen.

Eine solche Saison zu bestreiten scheint ohne die Unterstützung eines professionelles Teams unvorstellbar. Nur Vollzeit-Profis mit Sponsorenvertrag, einem Team für die Finanzierung und Organisation und einem Mechaniker für das Bike haben das Privileg, sich ganz aufs Training konzentrieren. Bei den Männern ist dies midestens bei den 20 besten Fahrern der Fall, bei den Frauen sieht das leider anders aus. Für Frauen steht wenig Budget zur Verfügung und nur wenige von ihnen genießen den Status eines Vollzeit-Pros. Einige müssen hart arbeiten, um die Finanzierung zu stemmen und dabei noch Zeit für die Rennen selbst zu haben. Ihre Geschichten könnten unterschiedlicher nicht sein, die Bandbreite reicht von Vollzeit-Tierärztinnen und Ingenieurinnen über Saisonarbeiterinnen bis zu Studentinnen. Alle versuchen sie, das Unmögliche möglich zu machen: als Privateers zu starten und dennoch Top-Ergebnisse zu erzielen.
Wir haben uns mit ihnen getroffen um herauszufinden, wie sie ihr Leben als Racerinnen managen:

Caro & Anita Gehrig

Wo kommt ihr her? Aus Frasnacht, Switzerland

Wo lebt ihr? In Flims, Switzerland

Was war euer bestes EWS Ergebnis und eure Gesamtplatzierung? Anita ein 7. Platz aud 6. insgesamt, Caro 11. Platz und 11. insgesamt

Die Gehrig Twins. Top Ergbnisse trotz Gipsy Lifestyle
Die Gehrig Twins. Top Ergbnisse trotz Gipsy Lifestyle

Bei wievielen der EWS Rennen seid ihr 2014 gestartet? Anita bei 7 und Caro bei 6, da sie wegen einer Verletzung ein Mal aussetzen musste.

Eure Teams und Sponsoren?: Unser Team 2014 ist das Specialized Twins Racing Team, Sponsoren sind
Specialized, Zimtstern, SRAM, Mavic, Flims, IXS, Red Bull, Oakley, Dakine, X-Bionic, Crankbrothers, Polar und Winforce

Habt ihr einen anderen “Job” oder wie finanziert ihr eure Rennen?
Unsere Renn- und Reisekosten werden von unseren Sponsoren getragen. Wir müssen im Winter arbeiten um unsere Fixkosten reinzuholen, Versicherung, Miete usw. Anita arbeitet in einem Bikeshop in Flims und am Wochenende in einem Club an der Bar. Caro arbeitet im Hotel “Riderspalace” und kümmert sich um die Künstler und Events in dem Club.

Was ist für euch das Schwerste daran, Finanzierung, Racen, Reisen und normales Leben unter einen Hut zu bringen? Wie schafft ihr es trotzdem?
Nicht für ein Team zu fahren bedeutet für uns, alles selbst zu organisiseren. Das kann sehr zeitraubende Büroarbeit sein, Flüge buchen, Artikel schreiben, sich neben anderen Sachen noch um Sponsoren kümmern. Das hat aber auch den Vorteil, dass wir ziemlich unabhängig sind und uns unsere Projekte selbst aussuchen können. Wegen unseres kleinen Budgets versuchen wir, die Ausgaben beim Reisen gering zu halten. Wir fahren zu Events mit dem Auto und schlafen oft darin oder bei Freunden auf der Couch. Ein bisschen Gipsy-Lifstyle gehört auf jeden Fall dazu, sonst könnten wir es uns gar nicht leisten, die Welt mit unseren Bikes zu bereisen. Wir lieben dieses Leben gerade und genießen es total!

Anka Martin

Wo kommst du her? Aus Cape Town, South Africa

Wo lebst du? In Nelson, Neuseeland und in Europa im Camper für 5 oder 6 Monate im Jahr.

Was war dein bestes EWS Ergebnis und deine Gesamtplatzierung? 9. insgesamt in 2013, 12. insgesamt in 2014 (habe eine Runde wegen einem kaputten Knöchel verpasst) und bestes Einzelergebnis war ein 7. Platz in Val D’Isere, Frankreich.

Ein Leben "on the road" - Anka Martin
Ein Leben “on the road” – Anka Martin

Bei wievielen der EWS Rennen bist du 2014 gestartet? Bei allen, außer in Schottland, da war ich verletzt

Deine Teams und Sponsoren? Juliana Bicycles & SRAM

Hast du einen anderen “Job” oder wie finanzierst du deine Rennen?In Neuseeland haben wir eine MTB-Guiding-Firma, das beschäftigt uns in der Off-Season. Ich gebe viele Frauen Kurse und –coaching. Ich helfe meinem Mann mit seinem Foto-Business, schreibe für ein paar Magazine und arbeite auch als MTB-Guide in Europa zwischen den Rennen.

Was ist für dich das Schwerste daran, Finanzierung, Racen, Reisen und normales Leben unter einen Hut zu bringen? Wie schaffst du es trotzdem?
Das Schwerste an der Sache ist, 5 bis 6 Monate weg von zu Hause zu sein. Und nur aus dem Koffer zu leben. Es macht Spaß, wir haben es uns so ausgesucht, aber es wird auch schnell zur Last. Man kann nicht mal eben nach Neuseeland fliegen, das ist viel zu teuer – das Teilzeit-Nomaden-Dasein ist aber auch toll, ich würde nicht tauschen wollen. Ich mache das einfach schon so lange, dass ich mich daran und ans ständige k.o. sein gewöhnt habe. Ich lebe so, weil ich dieses Leben gewählt habe und es meine Leidenschaft ist. Ich liebe es, aber es ist mit Sicherheit nicht das glamouröse Jet-Set Leben, das viele sich vorstellen.

Lorraine Truong

Wo kommst du her? Aus der Schweiz.

Wo lebst du? In Val-de-Travers, Nordwest Schweiz.

Was war dein bestes EWS Ergebnis und deine Gesamtplatzierung? Ein 6. Platz bzw. 16. insgesamt

Bei wievielen der EWS Rennen bist du 2014 gestartet? Bei 4 von 7. Chile und Colorado waren zu teuer und in Finale war ich verletzt.

Deine Teams und Sponsoren? Kein Team. Sponsoren sind Norco, Leysin-Oxygène des Alpes, Fox, DZR shoes und Bliss protection.

Hast du einen anderen “Job” oder wie finanzierst du deine Rennen? Dieses Jahr habe ich mein Ingenieursstudium abgeschlossen. Die eine Hälfte des Jahres habe ich mit Studieren verbracht, die andere Hälfte mit Arbeiten. Meine Eltern haben meinen Unterhalt übernommen, Die Rennen habe ich mit Hilfe von Sponsoren, lokaler Unterstütung (Verein, Region) und meinem Gehalt finanziert.

Was ist für dich das Schwerste daran, Finanzierung, Racen, Reisen und normales Leben unter einen Hut zu bringen? Wie schaffst du es trotzdem?
Mein größtes Problem war Zeit. Bei einem 100% Job bzw. Studium bleibt kaum Zeit zum Trainieren, Racen, Organisieren, Bikes pflegen usw. Erholungsphasen sind ein echtes Problem. Wenn ich zum Beispiel einen Gabelservice brauchte, musste ich entweder Training oder Erholungsstunden ausfallen lassen. Manchmal musste ich um 4h30 aufstehen, um vor der Arbeit noch Trainieren zu können. Wie ich das geschafft habe? Naja, ich habe überlebt, hahaha. Nein im Ernst, ich hatte das Gefühl die ganze Zeit 150% zu geben. Mein Sturz am Saisonende kam wohl nicht von ungefähr, mein Körper und Geist waren dem Rhytmus einfach nicht mehr gewachsen.

Meggie Bichard

Wo kommst du her? Aus Guernsey, UK.

Wo lebst du? In Nelson, Neuseeland.

Was war dein bestes EWS Ergebnis und deine Gesamtplatzierung? Jeweils ein 7. Platz.

Vollzeit-Tierärztin, kein Team und trotzdem eine der schnellsten Frauen der Welt
Vollzeit-Tierärztin, kein Team und trotzdem eine der schnellsten Frauen der Welt

Bei wievielen der EWS Rennen bist du 2014 gestartet? Wegen zu wenig Urlaub nur bei 3.

Deine Teams und Sponsoren? Kein Team. Sponsoren sind Specialized NZ, Coppins, Loveday Clinic, Sports Therapy und MTB skills Clinic.

Hast du einen anderen “Job” oder wie finanzierst du deine Rennen? Ich arbeite vollzeit als Tierärztin.

Was ist für dich das Schwerste daran, Finanzierung, Racen, Reisen und normales Leben unter einen Hut zu bringen? Wie schaffst du es trotzdem? Ich hatte das Glück, letztes Jahr acht Wochen Urlaub nehmen zu können, das wäre aber nächstes Jahr nicht mehr drin. Ich arbeite jetzt als Vertretung und bin dadurch recht flexibel. Um das Racen nächstes Jahr zu finanzieren, muss ich aber jetzt schon mehr arbeiten als geplant. In Neuseeland ist es für mich schwer Unterstützung zu bekommen, so werde ich nächstes Jahr wieder als Privateer an den Start gehen und einfach so viele EWS und andere Endurorennen fahren, wie ich eben managen kann.

Rosara Joseph

Wo kommst du her? Aus Neuseeland.

Wo lebst du? Zur Zeit habe ich keinen festen Wohnsitz!

Was war dein bestes EWS Ergebnis und deine Gesamtplatzierung? 5. Platz in Winter Park und Whistler, 7. insgesamt.

Schnell und trotzdem zu wenig Support - Rosara Joseph wird 2015 bei der EWS nicht mehr starten
Schnell und trotzdem zu wenig Support – Rosara Joseph wird 2015 bei der EWS nicht mehr starten

Bei wievielen der EWS Rennen bist du 2014 gestartet? Bei allen, außer in Chile. Die Reise wäre zu teuer gewesen und ich musste in Neuseeland zu der Zeit arbeiten.

Deine Teams und Sponsoren?: Yeti Fox Shox Factory Team.

Hast du einen anderen “Job” oder wie finanzierst du deine Rennen? Während der letzten Sommer in Neuseeland habe ich als Anwältin gearbeitet, das hat mir meine Finanzierung gesichert.

Was ist für dich das Schwerste daran, Finanzierung, Racen, Reisen und normales Leben unter einen Hut zu bringen? Wie schaffst du es trotzdem? Ich habe es total genossen, in den letzten beiden Saisons ein Teil der EWS zu sein. Wir sind an so außergewöhnlich schönen Orten auf tollen Tracks gefahren, zusammen mit einer riesigen Gruppe toller Menschen. EWS Rennen werde ich nächstes Jahr leider nicht mehr fahren können, die Reise- und Rennenkosten kann ich einfach nicht mehr tragen. Ich habe es aus Liebe zur Sache gemacht, und hatte eine tolle Zeit, aber jetzt ist der Punkt gekommen, an dem es einfach zu schwer wird. Das macht mich traurig, vor allem weil ich viel Energie ins Racen und in die Sponsorensuche investiert habe, aber es hat eben nicht funktioniert.

Katy Winton

Wo kommst du her? Aus Schottland.

Wo lebst du? Nahe der schottischen Grenze.

Was war dein bestes EWS Ergebnis und deine Gesamtplatzierung? 8. Platz in Val d’Isere 2013; 10. Platz insgesamt in 2014.

Der Traum vom Profi-Radsport. Katy Winton erfüllt ihn sich
Der Traum vom Profi-Radsport. Katy Winton erfüllt ihn sich

Bei wievielen der EWS Rennen bist du 2014 gestartet? Bei 6 von 7. Ich war nicht in Chile. Nachdem ich mir im Vorjahr das Handgelenk in Finale gebrochen hatte, musste ich die erste Runde aussetzten, das brach mir wirklich das Herz. Ich hatte vor, alle Runden zu bestreiten um eine Top-Ten Platzierung im Overallranking zu erreichen – so hatte ich eine Mission für den Rest der Saison!

Deine Teams und Sponsoren? Pivot Morvelo Enduro Racing mit Sweet Protection, Hope Technology, Scottoiler UBS, Spy optics, AllMountainStyle und Maxis Tyres.

Was ist für dich das Schwerste daran, Finanzierung, Racen, Reisen und normales Leben unter einen Hut zu bringen? Wie schaffst du es trotzdem? Letztes Jahr habe ich in einem Café gearbeitet, auf Kinder aufgepasst und Vorträge im Rahmen des “Champions in schools” Programms in Schottland gehalten. Zusammen mit der Unterstützung meiner Familie (für die ich unendlich dankbar bin) konnte ich mir die Saison 2014 leisten. Ohne sie hätte ich es nicht zu den ganzen Rennen geschafft. Ich habe mich für diesen Weg entschieden und mit 16 die Schule verlassen um professionnelle Radsportlerin zu werden. Meine Familie hat mich dabei 100% unterstützt.

Das Frauen-Podium - ein Privileg für die wenigen Racerinnen mit vollem Team-Support?
Das Frauen-Podium – ein Privileg für die wenigen Racerinnen mit vollem Team-Support?

Das Engagement, die Entschlossenheit und Leidenschaft für den Sport ist beeindruckend. Keine Zeit oder kein Geld zum Trainieren? Die bekannte Ausrede wird man nach einem Blick auf diese Frauen noch mal überdenken. Dennoch ist es eine traurige Tatsache, dass die unterschiedliche Unterstützung von Männern und Frauen dem Trend der etablierteren Radsportarten folgt. In den Enduro World Series konnte man 2014 einen aufregenden Kampf zwischen den besten drei oder vier Fahrerinnen verfolgen. Ohne weitere finanzielle Unterstützung wird es allerdings schwer, den Kampf um die Podiumsplätze für einen größeren Kreis zu öffnen, so wie es bei den Männern dieses Jahr der Fall war. Enduro als neuer und an Bedeutung gewinnender Sport hat im Bereich der Rennstrecken schon Statements zu mehr Gleichberechtigung setzen können. Wäre es möglich, dass der Sport auch bei der Athletenförderung mehr Geschlechtergleichheit etabliert und so neue Maßstäbe setzt?

Text: Cait Elliot Fotos: Philipp Ruggli, Sven Martin, Matteo Cappe, Ben Moulam


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