Surfen, Essen, Trails zum Niederknien – wer kann bei der Côte d’Azur nicht schwach werden? ENDURO-Redakteur Ross ist vor dem schottischen Winter geflohen und hat für einen Tag französisches Lebensgefühl mit britischer Trailkenntnis verbunden. Was dabei wohl herausgekommen ist?

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Als ich die Tür öffne, steigt mir der warme, süße Duft der Boulangerie in die Nase und mein Magen knurrt in freudiger Erwartung. Mit einer Tüte frischer, warmer Teilchen lassen wir uns draußen auf einer Bank nieder und verschlingen hastig unsere Pains au Chocolat. Hier an der Côte d’Azur liegt die Temperatur gegen Ende des Winters bei angenehmen 16 °C. Auf den Straßen sind keine Touristen zu sehen, wir kommen vorbei an geschlossenen Läden und Restaurants, fast ist es ein bisschen unheimlich. Nach einigen Minuten Pedalieren aus der Stadt heraus, noch bevor wir auf dem ersten Trail des Tages angelangt sind, werden wir oben auf den Felsen mit einer unglaublichen Aussicht belohnt – wir können gar nicht anders als anzuhalten und die Morgensonne aufzusaugen, während sich unter uns die Wellen am Strand brechen und das Mittelmeer sich scheinbar unendlich bis hinter den Horizont ausdehnt.

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Meine beiden Gefährten für den Tag sind zwei verrückte Franzosen namens Gaeten und Yannick. Gaeten (oder auch Baguette, wie ich ihn wegen seines Nachnamens Dupin getauft habe) sieht sich gerne als den nächsten Sébastien Loeb, nur eben in einem Citroën-Transporter statt im Rallye-Auto – auch wenn nicht alle seine Ansicht teilen. Yannick dagegen sieht man in jeder freien Minute geheimnisvoll über seinen Handybildschirm streichen. Er versichert mir immer wieder, es sei Candy Crush, aber ich bin mir da nicht so sicher.

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Mit brennenden Beinen und Lungen treten wir bergauf, umgeben vom Gelb der blühenden Mimosen, bis uns ein kalter, nasser Tunnel kurz in Dunkelheit hüllt – eine erfrischende Abwechslung für einen Schotten wie mich, der in seinem Leben vielleicht zehn Tage die Sonne gesehen hat. Gaeten sprintet enthusiastisch mit ausgelassenen Wheelies und Sprüngen voraus, und schwärmt dabei von dem frisch gebauten Trail, zu dem wir unterwegs sind.

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Als wir schließlich zu einer schmalen Lücke im Gestrüpp gelangen, bin ich doch etwas verwundert. „Hier? Echt?“, murmele ich. Gaeten ruft lachend „Oui!“ und während Yannick und ich noch überrascht dastehen, rollt er schon auf den Trail. Ich beeile mich hinterherzukommen und mir wird schnell klar, wie falsch ich gelegen habe und wie sehr er Recht hat! Eine steile Achterbahn voller Kurven mit dem verrücktesten Untergrund ever, ich kann nicht genug davon kriegen. Das Zeug bietet jede Menge Grip und ich bin mehr als nur ein wenig enttäuscht, als wir aus dichtem Gebüsch wieder hinaus auf die Straße schießen, wo unsere Autos stehen.

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Nach einer Partie Tetris mit Bikes und Surfbrettern machen wir uns auf den Weg zu unserem nächsten Ziel, Gassin. Ich bin voller Vorfreude, aber auch nervös, denn ich habe dieses Headcam-Video von Loic Bruni vor ein paar Jahren gesehen. Ich werde heute ganz sicher nicht mit denselben Geschwindigkeiten experimentieren wie der Weltmeister. Wir kommen an einer alten Windmühle, der Moulin de Paillas, vorbei und erreichen schließlich das obere Ende des Gassin-Trails. Sofort fällt mir auf, dass hier anstelle des von mir heißgeliebten Drecks am Morgen überall Steine sind, und zwar ganz schön viele. Wir sind kaum 20 min gefahren und nun doch in einer völlig anderen Umgebung, auf ganz anderem Terrain. Es ist unschwer zu erkennen, wieso die Franzosen die Ranglisten dominieren.

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Es geht durch wilde Kurven, über ruppige Steine und einige stattliche Sprünge, und dann, nicht weit vom Ende entfernt, hören wir das unverkennbare Geräusch des Aufeinandertreffens von Felge und Stein, und das anschließende Zischen, als die Luft sich ihren Weg in die Freiheit sucht. Merde. Wir rollen nach unten, packen die Bikes in den Wagen und machen uns auf zum Strand.

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Während die Sonne am Himmel tiefer sinkt, laden wir die Boards aus, ziehen die Wetsuits an und marschieren hinaus auf den goldenen Sand. Das kühle Wasser des Mittelmeeres umfängt meinen Körper und reißt mich aus meinem Tagtraum, während hinter mir die Sonne untergeht.

Text und Bilder: Ross Bell


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