Hello_America_final (1)

Eines schönen Tages erreichte uns das Gerücht, dass es im schönen Breisgau einen von kanadischen Spezialisten angelegten Trail geben sollte. Jetzt wissen wir alle, wie unüberwindbar der deutsche Gesetzesdschungel scheint, bis es zu einem ersten legalen Spatenstich kommen kann – und auch in der Nähe von Freiburg klappte das nur durch die tapfere Zusammenarbeit der Kanadier und der Locals, die den Wirklichkeit gewordenen Traum zu Ehren ihrer Gäste dann auch „Canadian Trail“ getauft haben.

Also fragten wir uns, wer besser geeignet sein könnte, einen kanadischen Trail im deutschen Schwarzwald zu testen als ein Ami und ein Brite und fanden keine Antwort. Die zweistündige Anfahrt auf Autobahn und Landstraße schreckte mich in keinster Weise ab, schließlich sind wir Amerikaner eine Autofahrernation und fahren nahezu überall hin. Wir fahren mit dem Auto zur Schule, zur Arbeit, zum Einkaufen, ja wir fahren damit sogar zur U-Bahn und zum Nachbarn, der nur zwei Türen weiter wohnt. Vorher holte ich noch Andy in der Redaktion ab. Er ist einer der neuen Fototypen im Enduroteam und war bereits seit einer Woche in Deutschland, wo er schon viel über den neuen Wundertrail gehört hatte. Lukas – ein Stuttgarter Local, der stets bereit ist, jede Herausforderung anzunehmen, die sich ihm und seinem Bike in den Weg stellt – komplettierte unsere kleine, aber feine Mannschaft.

"My van is fast by American standards, but is simply a pig on the German autobahns" - Loading up Andy's Canyon Strive, Evan's Specialized Enduro and Lukas' (no idea)
Mein für amerikanische Verhältnisse echt schneller Bus beim Aufladen von Andys Canyon Strive und meinem Specialized Enduro.
A breezy chilling spot at the top of the Canadian trail. Well worth the hour long ascent.
„Oben angekommen möchte man sich am liebsten im geheimnisvollen Dunkel dieses dichten und tiefen Walds verlieren.“

Auf der Autobahn kam dann wie immer die Ernüchterung. Für amerikanische Verhältnisse war mein Bus schon echt schnell, aber hier in Deutschland relativierte sich dieser Eindruck drastisch. Obwohl ich mich fühlte wie Schumacher zu seinen besten Zeiten und mit knapp 200 Sachen über die Piste glühte, war es doch immer wieder frustrierend, von jemandem überholt zu werden, der gefühlt dreimal so schnell war.

Die zwei Stunden Fahrt verbrachten wir mit gegenseitigem Kennenlernen und damit, dass wir uns gegenseitig die Vorzüge des jeweiligen Mutterlandes näherbrachten. Dabei wurden so hochintellektuelle Themen erörtert wie zum Beispiel, wo es erlaubt ist, mit einer offenen Bierflasche Auto zu fahren, oder wo man ein Gesundheitsrisiko eingeht, wenn man sich an einer Tanke etwas zu Essen holt. Ach ja, und habt ihr schon gewusst, dass man in Deutschland pinkeln darf, wo immer man möchte?

In Freiburg gibt es zwei legale Strecken, nämlich Borderline und Canadian, die beide für sich eine Reise wert sind. Wir beschlossen letztere als erste unter die Stollen zu nehmen, solange wir noch frische Beine hätten. Wie sich herausstellte, war das eine gute Entscheidung, denn es gibt für die beiden Strecken keine Shuttlemöglichkeit, sodass man den Berg entweder auf Forstwegen hochstrampeln oder das Bike hochschieben muss. Ich kenne XC-Fahrer, die diese Anstiege locker hochsprinten würden, aber für das, was ich normalerweise fahre, waren diese 500 Höhenmeter schon eine arge Plackerei. Andy versicherte mir, dass er bergauf selbst mit seiner sackschweren Fotoausrüstung keine Probleme haben würde, aber da ich nur 20 m hinter ihm war, konnte ich bei jeder Kehre, hinter der er fälschlicherweise den Gipfel vermutete, sein Gefluche schon ziemlich deutlich hören.

So many features are evident on the Canadian trail. Ones that we were happy to hit time and time again...
Auf dem Canadian gibt es unzählige Hindernisse, die es wert wären, sie öfter zu fahren …
...especially as you know round the next corner is an equally, if not better feature which will blow your mind.
… besonders wenn man weiß, dass darauf ein gleichwertiges oder gar besseres folgt.
Bike park glory. A true flowing trail which provided ample amounts of opportunities to try out absolutely everything.
So muss ein Bikepark sein: Flow, so weit Auge und Kraft reichen und genügend Hindernisse, um wirklich alles probieren zu können.

Trotz allem kann man sich der beeindruckenden Schönheit dieser Gegend am Rande des Schwarzwalds nicht entziehen. Bereits nach wenigen Metern taucht man ein in eine Welt der Stille und wenn man sich einen Augenblick zum Rasten Zeit nimmt, möchte man sich am liebsten im geheimnisvollen Dunkel dieses dichten und tiefen Walds verlieren. Ich habe nichts gegen ordentlich Trubel auf dem gut gefüllten Parkplatz eines Bikeparks, auf dem sich ein Haufen positiv Verrückter trifft, laute Musik läuft und gefachsimpelt oder einfach nur Bier getrunken wird. Aber diese friedliche Stimmung, die einem hier am Traileinstieg begegnet, und das Gemeinschaftsgefühl aus dem Wissen heraus, dass sich jeder diesen Anstieg aus eigener Kraft erarbeitet hat, sind wirklich einzigartig.

Dabei sollte man aber immer den eigentlichen Grund der Anreise im Auge behalten, denn der Canadian ist wahrlich ein Kunstwerk von einem Trail. Spätestens ab der ersten Kurve zimmert er dir ein Lächeln ins Gesicht, das sich im weiteren Verlauf bis hin zu einem hysterischen Lachen steigern kann, das dann bis zum letzten Meter anhält. Fahrtechnisch bietet der Trail von allem etwas und von nichts zu viel und so erwartet einen ein gelungener Mix aus Anliegern, Sprüngen, Drops, Wasserrinnen, Felspassagen und vor allem und ganz entscheidend – jeder Menge Flow. Leider reichen meine bescheidenen Fähigkeiten nicht annähernd aus, um dieses Trailfeuerwerk gebührend zu beschreiben und ich empfehle daher allen Interessierten, sich mithilfe der dazugehörigen Fotos und Videos ein genaueres Bild vom Canadian zu machen. Andy war dazu verdonnert, einige wirklich großartige Aufnahmen von der Abfahrt zu schießen, legte sich zu diesem Zweck aber unglücklicherweise in einen Haufen roter Waldameisen. Aber davon abgesehen hatte auch er viel Spaß.

Unten angekommen klatschten wir ab und nach einigen isotonischen Getränken und ein paar Riegeln überquerten wir die Dreisam, um nun auch den Borderline-Trail zu checken. Dessen Aufstieg erwies sich als ebenso schweißtreibend wie die Auffahrt zum Canadian, aber oben angekommen wurden wir dafür besonders belohnt. Am höchsten Punkt befindet sich nämlich eine Aussichtsplattform, von der aus man einen beeindruckenden Rundumblick vom Herzen des Schwarzwalds im Osten bis hin zum Rheintal mit den Vogesen auf der französischen Seite im Westen genießen kann. Wir blickten auf die altehrwürdige Stadt Freiburg und auf die Weingärten entlang des Rheins hinab und konnten selbst den Titisee und den Bikepark in Todtnau erkennen. So langsam dämmerte uns, weshalb dies eine der beliebtesten Urlaubsregionen Deutschlands ist. Doch schon war es auch wieder an der Zeit, sich die Protektoren überzustreifen und sich in die Abfahrt zu stürzen.

For such a young guy, Lukas has some serious style.
An einem der letzten Hindernisse des Canadian hatte Lukas Lust auf ein wenig extra Airtime – und so entstand diese spektakuläre Aufnahme.
We exchanged
„Unten angekommen klatschten wir ab, und nach ein paar Gatorades und Riegeln überquerten wir die Dreisam, um nun auch den Borderline-Trail zu checken.“

Der Borderline-Trail gleicht mehr einer konventionellen Downhillstrecke als den in letzter Zeit so populären Flowtrails. Auf meinem Specialized Enduro kassierte ich daher einige satte Durchschläge und voller Zuversicht redete ich mir ein, dass dieser Trail mit viel Speed einfacher zu fahren sein würde als langsam. Steil und mit zahllosen Schlaglöchern und Wasserrinnen übersät gestaltete er sich äußerst anspruchsvoll. Die meisten unserer Sprünge entstanden durch das Überfliegen von exponierten Wurzeln und Felsblöcken und ständig waren wir am Bremsen, Rutschen und Driften und konnten oft nur mehr raten oder hoffen, was uns hinter der nächsten Kehre erwarten würde. Dennoch ist auch dieser Trail extrem gelungen und ein paar bauliche Veränderungen in der jüngeren Vergangenheit haben geholfen, die Erosion durch ablaufendes Wasser einigermaßen gut in den Griff zu kriegen. Dass man den Borderline-Trail auch mit einem Hardtail befahren kann, haben uns ein paar Unerschrockene in Spandexhose mit voll ausgefahrenen Sätteln an ihren XC-Bikes zwar bewiesen, aber wir bevorzugen eindeutig ein Bike mit Remotestütze und 165 mm Federweg.

Viewing tower.
„Von der Plattform aus hat man einen beeindruckenden Rundumblick vom Herzen des Schwarzwalds im Osten bis hin zum Rheintal mit den Vogesen auf der französischen Seite im Westen.“
Fist bumps.
Mindestens einen Handschlag hat man sich nach einem Biketag in Freiburg redlich verdient.
Beer
Sonnenuntergang am Fluss – nicht komplett ohne eine Kühltasche voller Bier.

Das Ende des Trails spuckt einen direkt am Fluss aus und so tauschten wir einige unserer Ausrüstungsgegenstände gegen eine Kühltasche voller Bier und rollten in Richtung Ufer, um dort den Sonnenuntergang zu genießen. Anschließend machten wir uns auf den Weg in die Altstadt, wo wir uns ein ganz vorzügliches Abendessen mit Flammkuchen und anderen lokalen Spezialitäten am Fuße des über 800 Jahre alten Freiburger Münsters zu uns nahmen. Ich kenne genügend Leute, die nicht allzu viel auf die deutsche Küche geben, doch wer immer das behauptet, war offenbar noch nie in Freiburg. Bei Flammkuchen handelt es sich um eine Elsässer Pizzavariation mit Speck, Zwiebeln und einem Gemisch aus Crème fraîche und Sahne anstatt der üblichen Tomatensauce. Wer es nicht kennt, der sollte alleine schon deshalb dieser Region einen Besuch abstatten.

Aus einem unerfindlichen Grund fiel Andy auf der Heimfahrt bereits nach kürzester Zeit in den Tiefschlaf. Ich weiß bis heute nicht, ob es die lange Anreise, der insgesamt zweistündige Aufstieg oder die Überdosis Ameisensäure war. Vielleicht war es auch die Anstrengung, auf einem völlig fremden Bike mit vertauschten Bremsen und einer sündhaft teuren Ausrüstung auf dem Rücken zwei Megatrails zu shredden – aber auf jeden Fall war er weggetreten wie ein Kleinkind. Ich werte allerdings sein zufriedenes Grunzen auf meine mehrfach wiederholte Frage, ob es ihm denn gefallen hätte, als positives Signal und freue mich schon riesig auf unseren nächsten gemeinsamen Trip.

Mehr Information gibt es auf mountainbike-freiburg.com

Hat euch der Artikel gefallen? Dann werft doch einen Blick auf den ersten Teil der Serie: Einführung

Text: Evan Phillips Bilder: Andrew Richardson


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