Hello_America_final (1)

Egal wie sehr jemand versucht, dir weiszumachen, dass wir alle gleich sind – das ist eine Lüge. Wir sind unterschiedlich, wir haben mitunter verschiedene Ansichten und Gewohnheiten. Und das ist gut so, denn das ist es, was unsere Leben so einzigartig und aufregend macht. Aber was passiert, wenn man sein Leben mit jemandem tauscht, dem man noch nie begegnet ist? Wir fanden zwei inspirierende Typen, denen genau das passiert ist (vielmehr fanden sie einander, und uns), und hier könnt ihr aus erster Hand mitverfolgen, wie sie ihren jeweiligen Kulturschock erlebt haben und erleben. Hello America! Servus Deutschland.

Evan - An American in Germany hitting bike parks, trails and hitting jumps. Probably the coolest bloke over 30 you'll ever meet.

Evan bekam mit jungen Jahren sein erstes Mountainbike 1988 als er in dem nordöstlichen US-Bundesstaat Vermont aufwuchs. In den 90zigern fuhr er viel XC- sowie Downhill-Rennen mit Sponsorings von Schwinn und Brooklyn Machine bis irgendwann ein geregeltes Arbeitsleben in den Vordergrund trat. Über die Jahre lebte, arbeitete und bikte Evan in allen erdenklichen Bundesststaaten von New York bis Kalifornien, wobei er stets im engen Kontakt mit seiner damaligen Crew blieb, die noch heute als professionelle Biker vom Sport leben. Heutzutage arbeitet er im IT-Bereich um seine Rechnungen zu bezahlen und fährt jedoch noch mit der selben Leidenschaft an allen erdenklichen Orten dieser Welt mit seinem Mountainbike. Und genau diese Leidenschaft vermittelt er gerade seinem Nachwuchs. Sein aktueller Job führte in nach Deutschland, von wo aus er den europäischen Bike-Spirit erkundet.

David Hasselhoff, Fußball, enge T-Shirts mit V-Ausschnitt – ich war voller Erwartungen (und wohl auch voller Ängste) als ich mein Heimatland, die USA, verließ, um nach Deutschland zu ziehen. Am Anfang war ich unsicher, und ich war überzeugt, dass ich der ERSTE Biker überhaupt war, der seine Hometrails aufgab, um in einer ganz anderen Welt neu anzufangen. Oder? Zu Hause hatte ich einen engen Freundeskreis und eine Hammer Bike-Szene mit jeder Menge Leute und fetten Trails. Niemand außer mir wäre so blöd, das alles zurückzulassen und ganz von vorne anzufangen…in einer anderen Stadt…einem anderen Land… auf einem anderen Kontinent. Oder?

Und natürlich die größte Sorge von allen: Wie werden die Trails sein?
Es dauerte nicht lang, bis ich neue Freunde gefunden und mich in der Bike-Welt hier in Europa zurecht gefunden hatte. Und fast ein Jahr, nachdem ich die USA verlassen hatte, musste ich feststellen, dass ich vielleicht doch nicht so einzigartig bin. Sicher, ich habe meine ganz eigenen Geschichten, aber es stellte sich heraus, dass etwa zur selben Zeit, in der ich diesen Schritt tat, jemand anderes in meinem Heimatland ganz ähnliche Erfahrungen machte. Ich hatte diesen Typen noch nie getroffen, aber das Schicksal wollte wohl, dass wir Facebook-Freunde werden, und es stellte sich heraus, dass wir fast die gleichen Dinge in unserem jeweiligen neuen Leben erlebten: Aufregung, geile Trails und eine völlig neue Mountainbike-Szene.

Dabei kam mir der Gedanke, dass Mountainbiker irgendwie ein ganz eigener Menschenschlag sind. Egal wo sie aufwachsen oder leben, es gibt diese einzigartige und universelle Kultur, von der wir alle ein Teil sind. Digitale und soziale Medien lassen unsere Welt erheblich kleiner werden, sie bringen Leute zusammen, die sich sonst niemals kennengelernt hätten. Zu Hause in den USA war ich kein besonders reger Nutzer sozialer Netzwerke, aber seit ich nach Deutschland gezogen bin, habe ich gelernt, mich da anzupassen. Die Zahl meiner Facebook-Freunde steigt allmählich, da ich immer mehr Einheimische treffe und mich vernetze. Durch Freunde von Freunden lernte ich auch Steffen kennen. Hätten wir keine gemeinsamen Freunde in der realen Welt, würde ich wahrscheinlich glauben dass sich jemand einen dummen Scherz mit mir erlaubt, denn in echt habe ich ihn immer noch nicht getroffen. Aber alles der Reihe nach:

Steffen in seiner neuen Heimat: den USA. Prost!
Steffen in seiner neuen Heimat: den USA. Prost!

Ich war hochgradig verwirrt, als ich bemerkte, dass jemand häufig Updates zu meinen Hometrails postete, denn dieser jemand war ein Deutscher aus Stuttgart. In einem etwas umständlichen ersten Chat stellten Steffen und ich fest, dass wir im letzten Jahr quasi unser Leben getauscht hatten. Innerhalb eines Monats war ich aus der Umgebung von Washington DC nach Stuttgart gezogen, und er genau umgekehrt. Er fuhr meine Trails, und ich seine. Er trank Bier in meinen Kneipen, und ich trank Bier in, naja, überall eigentlich. Unsere größten Gemeinsamkeiten sind: wir sind beide 41, wir lieben Bikes, und unsere Frauen haben sehr ähnliche Namen.

Steffens Storys über meine Heimatstadt zu lesen, seine Sicht als Deutscher auf den amerikanischen Bikesport kennenzulernen, war für mich sehr unterhaltsam, und anscheinend ging es ihm umgekehrt auch so. Die Köpfe hinter dem ENDURO Mountainbike Magazine sind sicher, dass auch ihr, auf beiden Seiten des Atlantiks, Spaß haben werdet an unseren Abenteuern teilzunehmen und dabei zu sein, wenn wir neue Kulturen, neue Trails, und neue Mountainbike-Communities kennen lernen. Steffen und ich werden also weiter Trails shredden und euch von Zeit zu Zeit von unseren Erfahrungen als Amerikaner in Deutschland und als Deutscher in Amerika berichten. Wir hoffen ihr habt beim Lesen genauso viel Spaß wie wir beim Entdecken.

Text: Steffen Gronegger & Evan Phillips Illustration / Fotos: Jannik Welz, Christian Lämmle, Max Leitner


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