Beim diesjährigen Sea Otter Festival wurde ich Zeuge, wie präzise und aggressiv Dan Atherton einen schwierigen Double auf der Downhillstrecke anging. Er surfte die Welle dem Absprung auf dem Hinterrad ab, drückte das Vorderrad nur kurz auf den Kante des Absprungs, und segelte direkt in einen ausgefahrenen Sandanlieger, den er fuhr, ohne langsamer zu werden. Trotz der atemberaubenden Geschwindigkeit sah das Manöver bei Atherton völlig mühelos aus. Da ich gerade dasselbe Feature auf einem identischen GT Sanction (ein Bike, an dessen Entwicklung Dan beteiligt gewesen war) gefahren war, versuchte ich mir vorzustellen, dass ich es genauso machte wie er – nur irgendwie ging das nicht. Ich konnte in meiner Vorstellung zwar genau sehen, wie er es gemacht hatte, aber ich war nicht in der Lage, zu visualisieren, wie mir dasselbe gelang. Bei meinen Versuchen war ich mitten durch den Gap Jump gerollt und hatte vor der Kurve gebremst – nicht ansatzweise vergleichbar mit dem was Dan da tat.

Wie ich da so stand, umhüllt von einer Staubwolke, und Dan auf der Strecke verschwinden sah, wurde mir bewusst, wie groß die Kluft ist, die zwischen uns klafft. Jedes Wochenende steigen nicht wenige von uns auf Bikes, die denen vieler EWS-Profis sehr ähneln, und fahren damit Trails, die sich nicht wesentlich von den Rennstrecken unterscheiden, aber es gibt einen großen Unterschied. Diese Profis sind nicht nur begnadete Athleten, sie fahren auch hart an der Grenze zu dem, was noch kontrollierbar ist. Ihre einzige Chance, zu gewinnen besteht darin, ihre Körper und ihr Equipment an die absoluten Belastungsgrenzen zu bringen, wobei sie diese nicht selten überschreiten. Ich bin weder willens noch koordiniert genug, so zu fahren, und als ich da beim Sea Otter am Streckenrand stand, kam mir die Frage in den Sinn, wie es überhaupt möglich war, dass das gleiche Equipment für so unterschiedliche Fahrer wie Dan und mich passen kann.

Me just barely handing on in the downhill race at Sea Otter.
Der kleine Unterschied zwischen mir und Dan Atherton… ich kam nur gerade so mit der Downhillstrecke beim Sea Otter zurecht.
Dan Atherton practices for the downhill race at Sea Otter
Dan Atherton beim Training für das DH-Rennen beim Sea Otter.

Zurück beim GT-Stand gab sich Dan redlich Mühe, jene Kluft zu überbrücken. Hinter den ganzen Bikes und dem Werkzeuganhänger, zumindest gefühlt meilenweit weg von den Menschenmengen, die sich in der brütenden Hitze am Rand der Rennstrecke drängten, saßen wir im Schatten eines Zelts, neben einem Teich. Mit Stift und Papier erklärte mir Dan, wie er dieses Feature nahm. “Also hier ziehst du das Vorderrad hoch, und oben machst du dann nen Wheelie. Und wenn dein Vorderrad auf den Boden kommt, dann schluckt das Hinterrad das hier weg. Und dann springst du eigentlich nur mit dem Vorderrad ab, und das Hinterrad kommt dann schon mit.“.

Dan nimmt seine Sache sehr ernst, aber er ist auch ein guter Beobachter, und er ist höflich. Als er meinen skeptischen Gesichtsausdruck sah, meinte er diplomatisch: „So ist es schon ziemlich technisch, es ist nichts dabei, wenn du das nicht hinkriegst.“ Wir mussten beide lachen, denn uns wurde klar, wie absurd dieses Gespräch eigentlich war. Mit seinen 33 Jahren gehört Atherton in der Mountainbikewelt zu den Leuten mit dem höchsten Wiedererkennungswert. Er hat über 15 Jahre Wettkampferfahrung auf Eliteniveau in verschiedenen Disziplinen, und zeichnet sich aus durch seine Leidenschaft, seine Furchtlosigkeit und seinen Ehrgeiz. 2010 zog er sich Frakturen an zwei Halswirbeln und der Schädels zu – aber nach ein paar Monaten mit einem Halo-Fixateur war er wieder voll dabei. Ich bin 46, ein motivierter, aber unerfahrener Trailfahrer mit großem Respekt vor den Folgen eines Knochenbruchs, und ich hatte noch kein Rennen hinter mir. Dan würde wohl nicht sagen können, wie viele Tage er unter einem Fullface-Helm verbracht hat, und wie viele Gap Jumps er schon gesprungen ist, ich habe dagegen weder mit dem einen noch mit dem anderen Erfahrung. Und doch waren wir hier, um dasselbe Rennen zu fahren, mit dem gleichen Bike und der gleichen Federung.

Quoc Phan builds my Sanction in the parking lot at Sea Otter.
Quoc Phan baut auf dem Parkplatz beim Sea Otter mein Sanction auf.
GT mechanic ,Tom Ghelli, perparing my Sanction before the race.
GT-Mechaniker Tom Ghelli bereitet es auf das Rennen vor.

Was wir dabei jeweils auf dem Rad erlebten, hätte allerdings kaum unterschiedlicher sein können. Sein Tempo war fast anderthalb mal so hoch wie meins, und die Kräfte, die bei einer solchen Geschwindigkeit beim Landen oder in Kurven wirken, belasten die Federung exponentiell stärker. Wie ist es also möglich, dass dieselbe 2016er Fox 36 Federgabel für uns beide das richtige Tool ist?

Die Fox 36 mit dem RC2 Damper ermöglicht die externe Einstellung von sowohl Low Speed und High Speed Druckstufendämpfung als auch Low Speed Zugstufendämpfung. Die High Speed Zugstufendämpfung dagegen wird intern in der Fabrik eingestellt. Fox muss also entscheiden, wie breit die Varianz der Einstellungen sein soll, und wo die Mitte ist. Ariel Lindsley vom R&D und Produktmanagement bei Fox sagt, den Mittelpunkt festzulegen sei immer eine Herausforderung. „Wir lassen alle bei Fox testfahren, vom Schnellsten bis zum Langsamsten, und dann muss man es irgendwie ausdiskutieren und eine optimale Lösung in der Mitte finden.”
Die ältere Version der Fox 36, so Lindsey, war vielleicht etwas stärker an aggressiveren Fahrern ausgerichtet. Die neue ist nach unten etwas offener, für Leute wie mich, kann aber immer noch den aggressiveren Fahrern gerecht werden. „Außerdem haben wir die Highspeed-Zugstufe etwas überarbeitet, so dass die 36 etwas mehr verzeiht. Wir hatten den Eindruck, dass sie doch etwas hart war. Die High Speed Rebound Ports wurden bei großen Schlägen, die viel Federweg nutzten, leicht etwas abgewürgt. Sie fühlte sich gut an, weil das Bike förmlich am Boden klebte, aber bei wiederholten Schlägen bei hoher Geschwindigkeit war sie einfach nicht reaktiv genug. Also machten wir den Kidney Port im Rebound-Kolben größer und verwendeten mehr Shims (um den Ölfluss zu reduzieren)“.

Fox Racing technician Louis Angeley prepares to install a 2016 Fox 36 on my GT Sanction at Sea Otter
Fox Racing Techniker Louis Angeley auf dem Sea Otter Festival bei den Vorbereitungen…
Fox Racing technician Louis Angeley installing a 2016 Fox 36 on my GT Sanction at Sea Otter
…und beim Einbau einer 2016er Fox 36 an meinem GT Sanction.

Dan Atherton ist Teil des Fox RAD (Racing Application Development)-Programm, und hat so die Möglichkeit, individuell zugeschnittenes Tuning und Umbauten in Anspruch zu nehmen. Lindsey meint aber, dass die Profi Enduro-Racer zwar oft Neuerungen testen oder in den Genuss individueller Verbesserungen kommen, aber quasi nie ein Setup wollen, das außerhalb des gängigen Bereichs liegt.

Ich fragte Dan, wie er seine Federgabel einstellt: „Also kurz gesagt versuche ich, sie so straff wie möglich hinzukriegen, aber so, dass sie im Anfangsbereich noch geschmeidig ist. Was ich bei einer Federung wirklich mag, ist wenn sie viel im oberen Bereich des Federwegs arbeitet, oder zumindest in dem Bereich, wo der Sag ist. Dazu stelle ich die Low Speed Compression etwas höher ein, aber um für Geschmeidigkeit bei Hochgeschwindigkeitsschlägen zu sorgen fahre ich mit etwas weniger High Speed Compression.“

Und wie ist es mit der Abstimmung zwischen vorne und hinten? „Üblicherweise hab ich den Dämpfer hinten etwas weicher eingestellt. Ich setze mich da gern so ein bisschen rein. Und das Sanction hat hinten eine Menge Federweg, deswegen kann man es sich auch leisten, mit etwas mehr Sag zu fahren, ein bisschen mehr Negativfederweg, und damit mehr Grip zu haben. Ich finde Durchschläge nicht so schlimm, ich denke, das ist wichtig bei einem Enduro Bike. Wenn du ein Downhill-Bike fährst, solltest du wohl ab und zu Durchschläge haben, aber weil man bei einem Enduro-Bike nur 150, 160, 170 mm Federweg hat, ist es wichtig, dass man die Beine und den Körper ordentlich nutzt. Wenn du deinen Federweg nie komplett ausreizt, dann ist der Dämpfer zu straff.”

Dan Atherton practices for the downhill race at Sea Otter
Dan Atherton beim Training für das DH-Rennen beim Sea Otter.

Mit Dans Tips im Kopf und mit Unterstützung der Fahrwerkstuningexperten von Fox sowie den GT-Mechanikern, fand ich ein Setup, das für mich auf der Strecke beim Sea Otter sehr gut zu passen schien. Das verfeinerte ich dann im Lauf des folgenden Monats weiter auf Trails, die ich besser kenne. Die Kombination aus der Laufruhe des Sanction und der Federung ermöglichte es mir, auf ruppigem Gelände schneller zu fahren, als ich es je für möglich gehalten hätte – aber natürlich war das auch nur schnell für meine Verhältnisse. Ich dachte darüber nach, wie es wohl wäre, diese Trails mit Dans Setup zu fahren. Vielleicht könnte ich dann noch schneller sein – oder vielleicht könnte ich mich nicht mal auf dem Bike halten.

Nachdem ich den Druck proportional auf mein Gewicht angepasst hatte, kopierte ich Dans Einstellungen. Mein Setup neigt eher zum einen, Dans zum anderen Ende der Spektrums, aber wir sind beide noch ein paar Clicks von den Extrempunkten entfernt. Dan findet extreme Setups ungeeignet für Enduro. „Ich denke, die meisten fahren mit ziemlichen Standardeinstellungen. Manche haben die Gabel vielleicht etwas straffer, aber beim Downhill ist der Unterschied zwischen den Setups der Racer und denen der Allgemeinheit vermutlich viel größer. Bei Enduro-Bikes macht man es lieber etwas normaler, weil man solange draufsitzt.“

Dan Atherton works on his GT Sanction in the pits at Sea Otter
Dan arbeitet an seinem GT Sanction in den Pits beim Sea Otter Festival.

Am Anfang fühlte sich dieses Setting tatsächlich sehr extrem für mich an. Die Federgabel war so straff, dass ich in den Kurven das Gefühl hatte, das Vorderrad würde jederzeit wegrutschen, und jeder Stein warf mich aus der Linie. Wäre schneller hier besser? Ich steigerte mich langsam, bis ich meine Komfortzone komplett hinter mir gelassen hatte (etwas, wobei mich das Sanction bereitwillig unterstützte), und an diesem Punkt, bei einem Tempo, von dem ich wusste, dass ich es mit meinem begrenzten Können nicht würde aufrecht erhalten können, schneller, als ich je gefahren war, begann Dan Athertons Setup allmählich Sinn zu machen. Das Bike schluckte große Schläge bei hoher Geschwindigkeit mit Leichtigkeit weg. Als ich unten war, atmete ich tief durch und stellte alles auf die ursprünglichen Werte zurück. Ich werde das Schicksal nicht herausfordern indem ich nochmal so fahre, und Dan kann sein Setup gern für sich alleine haben.

Eins hatte ich gelernt: Beim Fahrwerkstuning geht es immer darum, mit welcher Geschwindigkeit man über das Gelände fährt. Wenn derselbe Fahrer mit demselben Bike denselben Trail fährt, aber mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, erfordern diese jeweils passende Einstellungen. Oder andersrum, ein Fahrer, der jeden Trail so schnell wie irgend möglich fährt, muss das Tuning an den Trail anpassen.
Dan hat sich angewöhnt, bei Enduro-Rennen sei Setup für jede Stage individuell abzustimmen. „Ich mach‘ das beim Training, und dann weiß ich, was ich für welche Stage brauche. Das ist schon schwierig, wenn man zum Start einer Stage kommt und man hat fünf oder sieben Minuten Zeit, und du musst dran denken zu essen, zu trinken, deine Knieschoner anzuziehen, deine Brille zu putzen, deinen Sattel runterzustellen und dann auch noch an dein Federungssetup.“

Am Start beim Sea Otter war ich nicht unter Zeitdruck, ich wartete über eine Stunde in der Schlange in der sengenden Sonne, aber trotzdem hätte ich beinah vergessen, meine Brille aufzuziehen. Nachdem ich gestartet war, sagte ich mir wiederholt, dass ich langsam machen müsse, denn mein Herz raste bereits vor lauter Adrenalin, und ich wollte nicht in Ohnmacht fallen oder explodieren. Als ich mich aber mal daran gewöhnt hatte, fing es an, wirklich Spaß zu machen. Es war egal, dass Dan Atherton und ich von verschiedenen Planeten kamen, oder dass er jeden Jump sprang, über den ich nur drüberrollte. Ich hatte jede Menge Spaß dabei, genau das gleiche Bike zu fahren wie er. Die Freude an einem guten und gut getunten Rad ist eben universell.

Text & Bilder: Abner Kingman


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