Der Sellaronda Hero beeindruckt schon mit seinen Eckdaten. 60 km mit 3.400 hm und 84 km mit 4.500 hm auf der Langstrecke sind beeindruckend, gut 5.000 Starter lassen sich aber nicht abschrecken und auch unser Dauertester Karl und seine Freundin Natalie waren dieses Jahr dabei. Hier lest ihr wie es den beiden im sommerlichen Südtirol ergangen ist.

Die Dolomiten sind einfach eine atemberaubend schöne Kulisse für den Sellaronda Hero Marathon.
Die Dolomiten sind einfach eine atemberaubend schöne Kulisse für den Sellaronda Hero Marathon.

Während dem siebenstündigen Roadtrip aus Hessen nach Südtirol diskutieren wir, ob die Kilometer die wir diese Jahr gesammelt haben, für dieses enorme Höhenprofil reichen werden. Nach der nächtlichen Ankunft und dem freundlichen Empfang im Hotel grüßt uns auch die Morgensonne in Wolkenstein. Es ist der Mittwoch vor der großen Herausforderung, das bedeutet für uns, Bikes aus dem Bus und ab auf die Strecke. Wir haben uns die 60-km-Strecke vorgenommen und wollen diese abfahren.

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Nach rund 300 m auf einer leicht ansteigenden Straße wechselt die Strecke auf eine Schotterpiste, die mit den ersten 700 hm den Kreislauf in Schwung bringt. Wenn man sich langsam dem höchsten Punkt des ersten Anstiegs nähert, die Luft auf gut 2.000 m immer dünner wird und die Beine brennen, stellt man sich mal wieder die Frage: Warum mache ich das eigentlich?

Hoch, hoch und noch weiter nach oben. 3.400 Höhenmeter hat die "kleine" Runde mit 60 km.
Hoch, hoch und noch weiter nach oben. 3.400 Höhenmeter hat die “kleine” Runde mit 60 km.
Steil genug, das die kleinen geflügelten Plagegeister mühelos Schritt halten könn.
Steil genug, das die kleinen geflügelten Plagegeister mühelos Schritt halten können.

Doch scheinbar können die Organisatoren des legendären Marathons Gedanken lesen und beantworten die Frage mit einem wunderbar flowigem Singletrail. Die gesamte Runde strotzt vor unbarmherzigen Anstiegen, anspruchsvollen Schotterabfahrten und Singletrails mit herausfordernden Technikpassagen.
Ganz nebenbei kann man das beeindruckende Panorama der Dolomiten genießen und sich auf der ein oder anderen Hütte stärken.

Und wieder nach oben.
Ab und an wird’s auch mal ein bisschen flacher.
Und geht dann endlich acuh mal wieder bergab.
Und geht dann endlich auch mal wieder bergab.

Nach gut sechs Stunden stehen wir am Fuß des letzten Anstiegs, vollkommen ausgepowert und mit dem Wissen, dass uns jetzt noch harte 1,5 h bevor stehen. Nicht nur die Beine sind strapaziert, auch die Nerven liegen blank. Da die Strecke noch nicht komplett ausgeschildert ist, haben wir uns einige Male verfahren und den letzten Riegel haben wir schon vor einer gefühlten Ewigkeit gegessen. Außerdem wird es jetzt allmählich dunkel und kühl. Aber es hilft nichts, ein letztes mal aufraffen, Zähne zusammenbeißen und durch … naja, in diesem Fall hoch. Unser Arbeitstag endet nach acht Stunden mit gutem italienischem Essen und der Frage, ob man sich diese Höllenrunde tatsächlich ein zweites Mal antun soll.

Die folgenden zwei Tage nutzen wir um kräftig Kohlenhydrate und neuen Mut zu tanken. Am Vortag des Rennens merkt man schon deutlich, dass sich die Lunge an die Höhe gewöhnt hat und mit neuem Elan geht es an die Vorbereitung der Bikes. Drei Tage in den Dolomiten fordern ihren Tribut. Bremsbeläge und Dichtungen an dem einen Bike und ein vom spitzen Gestein aufgeschlitzter Reifen auf dem anderen. Bei den Bremsen half der Shimano Service vorbildlich aus, der Reifen lebte allerdings in einer derart engen Beziehungen mit der Carbonfelge, dass er sich erst nach intensiven Bemühungen mit Cutter und Reifenheber von ihr trennen lies. Zum Glück ohne weitere Kollateralschäden und so ging es in die kurze Nacht vor dem Start.

Check-in am Renntag. So langsam wirds ernst.
Check-in am Renntag. So langsam wirds ernst.

Von den Kamerahubschraubern geweckt, ging es zum Frühstück und ab an den Start. In 16 Gruppen werden die Gebirgsgladiatoren auf die Anstiege losgelassenen. Jeder einzelne begibt sich in den Kampf gegen den Berg, die Zeit und vor allem sich selbst. Gut vorbereitet und halbwegs akklimatisiert verlangt einem die Strecke trotzdem alles ab. Vom Start ab bewegt man sich durch die Massen von unterschiedlichsten Fahrern unterschiedlichster Leistungsstufen den Berg hinauf. Dies machte sich leider auf den ersten Abfahrten noch stärker bemerkbar. In den anspruchsvollen Trails begannen einige abzusteigen und zu schieben, so entstand erheblicher Stau und Unmut machte sich bei den ambitionierten Fahrern breit. Nach etwa der Hälfte der Strecke lichtete sich das Feld aber und man konnte sein Tempo fahren.

Die 5.000 Starter verdreifachen für das Wochenende die Einwohnerzahl von Wolkenstein in Gröden.
Die 5.000 Starter verdreifachen für das Wochenende die Einwohnerzahl von Wolkenstein in Gröden.
Nach dem man endlich dem riesigen Starterfeld entkommen ist, lässt sich endlich Gas geben.
Nach dem man endlich dem riesigen Starterfeld entkommen ist, lässt sich Gas geben.
Hoch, hoch und noch weiter nach oben. 3.400 Höhenmeter hat die "kleine" Runde mit 60 km.
Hoch, hoch und noch weiter nach oben. 3.400 Höhenmeter hat die “kleine” Runde mit 60 km.

Der letzte Pass mit seinen zermürbend steilen Anstiegen, die wir uns bei der Testrunde erspart hatten, forderte alles. Manche Passagen waren so steil, dass man schieben musste. Einen Fuß vor den anderen setzten, nicht stehen bleiben, nicht hinsetzten, immer weiter. Den ersehnten Punkt erreichen, an dem es endlich in die letzte Abfahrt geht. Doch in diesem Zustand war auch die Abfahrt kein Spaß mehr. Arme und Beine wollten keine Stöße mehr abfedern. Die ständige Folge von Schlaglöchern, Bodenwellen und Wasserrinnen saugte mit Presslufthammer Effekt die letzte Energie aus den Muskeln. Die Hände wollten nicht mehr bremsen, geschweige denn den Lenker halten, die Füße nicht mehr treten – die völlige Erschöpfung machte sich breit.

Der letzte Sprint .. gleich ist's geschafft.
Der letzte Sprint .. gleich ist’s geschafft.

Und doch, erst ganz leicht und dann immer stärker, je näher man dem Ziel kam, breitete sich eine tiefe Zufriedenheit aus. Die Strapaze war gleich überstanden, den letzten kurzen Anstieg mit bittersüßer Miene im Wiegetritt nehmen und dann wieder nach Wolkenstein einfahren. Das Publikum, die Musik, man hat es geschafft! Nach zwei Litern Wasser, der Nudelparty und einem Mittagsschlaf ist der ausgemergelte Körper sogar wieder bereit, zur Siegerehrung und zur Abschlussparty zu gehen. Uns geht es richtig gut!

Überglücklich und geschafft – Natalie und Karl nach dem Sellaronda Hero Marathon.
Überglücklich und geschafft – Natalie und Karl nach dem Sellaronda Hero Marathon.
Na dann nix wie ab zur Party ..
Na dann nix wie ab zur Party ..

Der Sellaronda Hero ist definitiv eine einzigartige Herausforderung an einem wirklich beeindruckend schönen Fleckchen Erde, wir werden bestimmt wieder kommen. Vielleicht sind wir dann sogar verrückt genug, uns an der Langstrecke zu versuchen.

Der Autor

Karl Kaffenberger ist der Inhaber des gleichnamigen Architekturbüros in Erbach im Odenwald. Neben dem ausgefüllten Arbeitsalltag versucht er so viel Zeit wie möglich auf dem Bike zu verbringen. Im Wald wird er von Trail-Dog Louis und seiner Freundin Natalie begleitet, die wie er, für das Zwillingscraft Team am Mountainbike-Renngeschehen teilnimmt. Die Hometrails im Odenwald, an der Bergstraße und im angrenzten Bayern haben schon sehr viel zu bieten, auch der Bikepark Beerfelden ist direkt um die Ecke. Neue Herausforderungen auf zwei Rädern suchen die drei aber auch bei den europäischen Nachbarn. Karl blickt auf 25 Jahre Mountainbike Erfahrung zurück. Vor 20 Jahren ist er seine ersten Cross-Country-Rennen gefahren und ist nach wie vor aktiv. Neben den Cross-Country-Rennen bestreitet er auch einige Marathon-Veranstaltungen. Mit 190 cm Größe gehört er zu den großen Fahrern und hat dementsprechend ein besonderes Augenmerk auf das Handling großer Rahmen und die Haltbarkeit der Parts.

Text: Karl Kaffenberger Foto: Klaus Kneist/Sebastian Hermann


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