Die spektakulären Bilder des Massenstarts vom Gletscher bei der Megavalanche sorgen jedes Jahr wieder für Aufmerksamkeit und unterstreichen den Ruf des Downhill-Marathon-Rennens, eines der härtesten der Welt zu sein. Camilla Kranzusch ging dieses Jahr zum zweiten mal an den Start und lässt uns mit diesem Bericht daran teilhaben:

Wenn das Wort Megavalanche fällt, denken die Meisten wohl als Erstes an einen Haufen Wahnsinniger, die sich gemeinschaftlich wie wild Skipisten, Geröllfelder und Felsen herunterstürzen.
Und ja, irgendwo trifft das auf jeden Fall zu – aber das ist nicht alles was dieses Rennen in den schönen französischen Alpen so zu bieten hat…

Für die Neulinge unter uns: Die Mega ist ein Massenstart-Downhill-Rennen, das dieses Jahr schon zum 20. Mal in Alpe d´Huèz ausgetragen wurde und jährlich weit über 1000 Biker mit den unterschiedlichsten Motivationen anlockt.
Im Startfeld findet sich alles vom gemütlichen Feierabend-Biker über den ambitionierten Hobby-Racer bis hin zum durch und durch trainierten Enduro World Series-Profi – und das über alle Altersklassen.

Unser wahrhaft chaotisches Zeltlager.
Unser wahrhaft chaotisches Zeltlager.

Das Rennen besteht aus einer Qualifikation am Freitag, gefolgt vom Hauptrennen der Damen am Samstag und dem der Herren am Sonntag.
Auch für die Nicht-qualifizierten gibt es eigene Klassen, in denen sie am Samstag und Sonntag die Mega-Strecke rocken können.
Diese findet ihren Start auf dem Gletscher des Pic Blanc auf 3330 m Höhe und führt über Skipisten, Schneefelder, alpine felsige Abschnitte, aber auch flowige und wurzlige Trails bis ins auf ca. 700 hm gelegene Ziel in Allemont – dabei ist für Jedermann etwas geboten.

Ich habe dieses Jahr schon das zweite Mal bei der Megavalanche teilgenommen, da wir Mädels im letzten Jahr wegen der widrigen Bedingungen nicht vom Gletscher starten konnten– da hatte ich natürlich noch eine offene Rechnung zu begleichen.
Also packte ich mein Bike und meine sieben Sachen in den kleinen Fiat Panda meiner Eltern und düste zunächst alleine los – doch das sollte nicht so bleiben.
Mitten in der Nacht angekommen machte ich schon die ersten Bekanntschaften mit meinen Zelt-Nachbarn, einem Haufen verrückter Tschechen mit eisgekühltem Bier: Hallo geliebte Mega, da bin ich wieder!
Unser kleines Zeltlager wuchs während der Woche weiter und weiter und ich lernte noch die ein oder anderen Gleichgesinnten verschiedenster Nationalität kennen, ganz abgesehen von den ganzen alten Bekannten vom Vorjahr… Einfach super cool!

Entspannung pur mitten in den französischen Alpen.
Entspannung pur mitten in den französischen Alpen.

Somit hatte ich auch schon meine Trainings-Buddies gefunden und konnte mit ihnen in die ersten Tage starten.
Neben endlos langer Trails und strahlendem Sonnenschein waren die Bergseen bei dem heißen Wetter eine willkommene Abkühlung.
Spätestens wenn ein Haufen durchgeknallter Biker ein Schneefeld findet und auf die Idee kommt es als Rutsche in den See zu benutzen, ist Spaß garantiert!
Klingt irgendwie nach Urlaub, nicht?

Naja nicht ganz – da war ja noch die Quali, und das Rennen, und der Massenstart, und die lebensmüden Shortcuts und…
…da war sie wieder: die Nervosität. Mal abgesehen davon, dass ich schon meinen eigenen Herzschlag auf dem Weg zum Quali-Start kaum in den Griff bekam, machten es mir die nachdenklichen Gesichter um mich herum auch nicht gerade einfacher.
Und doch hat man ständig wieder etwas zu Lachen, und wenn es wegen der Tatsache ist, dass immer wieder die selben Leute (ich selbst eingeschlossen) seltsamerweise alle zehn Minuten auf die Toilette rannten.

Gute Laune und nachdenkliche Gesichter – größer könnte das Gefühlschaos nicht sein.
Gute Laune und nachdenkliche Gesichter – größer könnte das Gefühlschaos nicht sein.

Spätestens dann beim Ertönen des altbekannten Alarmaaaa, das bei jedem Mega-Start gespielt wird, stieg der Adrenalinpegel eines Jeden ins Unermessliche.
An dieser Stelle ein Tip: Hört euch unbedingt das Lied Alarma von 666 an und stellt euch einfach mal vor, ihr würdet gerade mit einem Haufen durchgeknallter, adrenalindurchströmter Irrer im Nacken am Start der Red Bull Rampage stehen… Ja, vielleicht etwas panisch, aber so in etwa fühlt sich das an.

Verdammt staubig die ganze Strecke – und los geht´s bei der Quali!
Verdammt staubig die ganze Strecke – und los geht´s bei der Quali!

Und dann ging es auch schon los – wie wild überholen, dabei parallel nicht umgefahren werden und gleichzeitig auch noch versuchen selbst keinen Massencrash zu verursachen!
Als ich mir eine passable Position erkämpft hatte, fing die Sache aber erst so richtig an Spaß zu machen. Zwanzig Minuten feinstes Geballer mit richtig schnellen Frauen um mich herum, das hat bis ins Ziel einfach Laune gemacht.
Und ganz nebenbei auch noch meine Arme, Beine und meine Lunge zerstört. Aber was soll´s, die werden schon wieder.
Spätestens beim Blick auf die Ergebnisliste war der Schmerz komplett vergessen – ich war 9.! Wie auch immer ich das geschafft hatte, war ich nun richtig motiviert für das Hauptrennen am Samstag.
Nebenbei ließen wir noch den Tag an einem der wunderschönen Bergseen ausklingen – und ich für meinen Teil war dann ganz schön platt und auch ziemlich früh im Bett.

Nach der Qualifikation noch ein bisschen die Seele baumeln lassen und die Berge genießen.
Nach der Qualifikation noch ein bisschen die Seele baumeln lassen und die Berge genießen.

Am nächsten Morgen stand direkt viel zu frühes Aufstehen auf dem Programm, denn wir mussten schon um sechs Uhr morgens mit dem Lift auf den Gletscher fahren – gut, dass ich meine Winterjacke eingepackt hatte.
Oben angekommen war das Panorama einfach überwältigend und konnte für einen kleinen Augenblick von der erneut aufgekommenen Anspannung ablenken.
Diese zeigte sich übrigens auch an der durchaus langen Schlange vor den einzigen zwei Toiletten auf dem gesamten Gipfel.
Nach den letzten Vorbereitungen und dem Positionieren der Bikes (ich durfte in der ersten Reihe stehen, juhu!) wagten wir noch einen letzten Blick hinter die Kante – die Skipiste hinunter.
Verdammt. Wie. Zum Teufel. Soll ich da lebendig runter kommen?!
Nach einigem hin und her überlegen wollte ich einfach nur noch losfahren, und dann war es auch schon so weit.

Ist das Wahnsinn oder einfach nur Dummheit? Am Start auf dem Pic Blanc in 3330 m Höhe...
Ist das Wahnsinn oder einfach nur Dummheit? Am Start auf dem Pic Blanc in 3330 m Höhe…
Wunderschön was man da auf der Strecke alles zu sehen bekommt.
Wunderschön was man da auf der Strecke alles zu sehen bekommt.

Alarmaaaa, und los geht´s!
Nach einem Sturz direkt zu Beginn musste ich meinen Lenker wieder gerade biegen und einen Platz nach dem anderen gut machen, ein gutes Stück Arbeit lag vor mir – doch ich hatte richtig Bock! Es war ein Spaß die Shortcuts zu nehmen und sich über das Eis und die Felsen den Berg runter zu stürzen, ein Fest!

Für die einen machbar, für die anderen zu schwer – waghalsige Abfahrten, einfach der Hammer!
Für die einen machbar, für die anderen zu schwer – waghalsige Abfahrten, einfach der Hammer!

Und dann war es auch schon passiert. Ein Stein hatte mein Schaltwerk getroffen und mich zum Anhalten gezwungen. Ich versuchte mein Bike wieder fahrtüchtig zu machen und fuhr dann ohne Kette weiter.
Damit war das Rennen dann wohl gelaufen… Und mein Tool hatte ich auch noch kaputt gemacht.

Auch das Hochtreten sollte nicht fehlen, oder für manche auch das Hochlaufen.
Auch das Hochtreten sollte nicht fehlen, oder für manche auch das Hochlaufen.

Zunächst ärgerte mich das wirklich, aber dann hatte ich auch ohne Kette noch jede Menge Spaß mit den schönen Trails und den unglaublich tollen Zuschauern am Rand der Strecke, die richtig Lärm für uns alle machten.
Als ich dann jedoch auch noch etwa vier Kilometer vor dem Ziel einen Platten hatte, war das dann doch eher nicht mehr ganz so lustig. Was für ein Pech für mich an diesem Tag.
Aber ja nicht in Selbstmitleid baden, ich wollte finishen! Und das tat ich dann auch. Zu Fuß. In einer Zeit, die es nicht mal auf die Ergebnisliste geschafft hat – welch Ironie.

Und auch ich hatte es ins Ziel geschafft, total platt aber trotzdem happy.
Und auch ich hatte es ins Ziel geschafft, total platt aber trotzdem happy.

Nun ging es nur noch darum den letzten Tag zu genießen, abends gemeinsam ein paar Bierchen zu trinken und Spaß zu haben – und natürlich die Jungs am Sonntag richtig den Berg hoch zu schreien. Und verdammt waren die schnell…

Meine verrückte Zelt-Crew – danke für die tolle Woche!
Meine verrückte Zelt-Crew – danke für die tolle Woche!

Zum Schluss kann ich nur sagen: Das war eine aufregende Woche voller Höhen und Tiefen, Angst und Überwindung und einer richtig großen Menge an Spaß mit einem Haufen super netter Leute.
Wenn ihr also mal einen etwas anderen Urlaub erleben wollt – mit einem erhöhten Maß an Adrenalin und einem unbeschreiblich guten Gefühlschaos aus Erschöpfung und vollkommener Zufriedenheit– dann fahrt zur Mega!
Und da meine Rechnung auch diesmal nicht voll und ganz beglichen wurde darf man gespannt sein, wann mich die Megavalanche das nächste Mal wieder sieht.

Text & Bilder:Camilla Kranzusch


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