Biken ist für viele von uns sportliche Herausforderung, Adrenalin pur, knallharter Wettkampf. Wir sind besessen von „höher, weiter, schneller“ und dem Rausch des nächsten Kicks. Doch wo bleiben eigentlich der Spaß, die Gelassenheit und der „Soul of Mountain Biking“? Muss es immer krass am Limit sein?

Virginia an der Ostküste der USA hat einiges zu bieten für Mountainbiker. Man muss vielleicht etwas genauer hinschauen als bei den altbekannten Traumzielen Nordamerikas. Aber wer Augen und Ohren offen hält, der findet im Old Dominion spannende Trails jeder Art: von gepflegten Singletracks über wildes Back-Country bis hin zu brutalem Downhill-Terrain.

Wer Augen und Ohren offen hält, der findet in Virginia spannende Trails jeder Art.
Wer Augen und Ohren offen hält, der findet in Virginia spannende Trails jeder Art.
Hinschauen lohnt sich: Bryce bietet alles, was ein guter Bikepark haben muss.
Hinschauen lohnt sich: Bryce bietet alles, was ein guter Bikepark haben muss.

Was Virginia bis vor wenigen Jahren nicht im Angebot hatte, war ein Bikepark mit Liftanlage und professionell gebauten Lines. Da sind wir Euros durchaus verwöhnt. Deutschland, Frankreich und vor allem der Alpenraum sind gut für wochenlange Roadtrips und Abertausende von Abfahrtsmetern. In dieser Hinsicht war ich von meiner neuen Heimat etwas enttäuscht. Das Transition TR450, meine Dame fürs Grobe, setzte ersten Staub an. Der nächste bekannte Bikepark war sage und schreibe fünf Stunden entfernt! Distanzen, die dem Deutschen in mir wie eine halbe Weltreise vorkommen … nichts, was man schnell mal an einem Tag durchzieht.

Mein Transition TR450 staubte vor sich, ein DH Bike war vermeintlich Fehl am Platz in Virginia.
Mein Transition TR450 staubte vor sich, ein DH Bike war vermeintlich Fehl am Platz in Virginia.

Doch irgendwann hörte ich vom Bryce Resort, Virginias einzigem Bikepark. Kaum zwei Stunden entfernt von Washington D.C., nahe Mt. Jackson an der Grenze zu West Virginia. Es dauerte, bis ich mich aufraffen konnte, den Spot in Angriff zu nehmen – mieses Wetter über Wochen und Lifteinsatz im Monsunregen ist nicht meine Definition von einem gelungenen Tag im Park. Außerdem hörte ich viel Negatives: „Netter Gehweg“, „viel zu harmlos“ und „langweilig“ tönte es im Internet. Ich ließ mich abschrecken, stellte mir das Ganze als eine familienfreundliche Tourismusanlage vor und ignorierte Bryce über Wochen. Ein Fehler.

Bryce Mountain Bike Park Virginia-6
Keine zwei Stunden von Washington D.C. versteckt sich Bryce Resort, Virginias einziger Bikepark.
Keine zwei Stunden von Washington D.C. versteckt sich Bryce Resort, Virginias einziger Bikepark.

Bikepark mit Südstaaten Flair

Irgendwann wurde das Wetter besser. Mike, mein Partner in Crime, wenn es um das Durchziehen spontaner Biketrips geht, hatte ein freies Wochenende, an dem er kein Downhill- oder Endurorennen absolvierte. Er überzeugte mich: „Haters gonna hate, hör nicht auf sie. Der Park rockt!“ Doch kurz vor dem Trip verwandelte sich die Region wieder in ein Tropenhaus mit Starkregen in der Nacht und Wärmegewitter am Nachmittag, sprich Matsch im Bikepark. Der Versuch, Mike den Trip auszureden, schlug jämmerlich fehl. Spot und Hohn brachen über mich herein, „Schönwetterfahrer“ und Schlimmeres musste ich mir anhören. Dem Gedisse des alten Mannes konnte ich nicht lange standhalten. Seine „I don’t give a fuck“-Mentalität war ansteckend. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Mike and Chris ueberredeten mich, Bryce ein Chance zu geben. What a fund day!
Mike and Chris schleppten mich nach Bryce… What a fun day!

Die Belohnung erfolgte am nächsten Tag – die schlechte Wetterprognose war mal wieder falsch. Bei Sonnenschein und schwülen 35° C fuhren wir durch das malerische Shenandoah Valley. Ich mag die Countryside abseits der lärmenden Städte, der monotonen Stripmalls und der dichten Highways. Laid back … weites Land, endlos grüne Hügel und Wälder. Sehr bodenständig mit freundlich winkenden Farmern in ihren Pick-ups – als ob man sich seit Jahren kennt. Typisch amerikanische Holzhäuser mit schattigen Verandas unter großen Bäumen, teilweise uralt und sehr gepflegt.

Im Süden der USA: Typisch amerikanische Holzhäuser mit schattigen Verandas unter großen Bäumen.
Im Süden der USA: typisch amerikanische Holzhäuser mit schattigen Verandas unter großen Bäumen.

Dann wieder schleichender Verfall, verlassene Homesteads, Schrott, wohin das Auge blickt. Im Vorgarten verrotten Autos aus den 70er Jahren, im Hintergrund stehen die abgefuckten Trailer-Homes. Amerikanische Nationalfarben neben der Kriegsfahne der Konföderierten, der stark umstrittenen Südstaatenflagge. Wir waren im Süden der USA und darauf ist man hier mächtig stolz. Ebenso stolz wie darauf, ein patriotischer Amerikaner zu sein.

Bryce Mountain Bike Park Virginia-17
Schleichender Verfall und schöner Schrott wohin das Auge blickt.
Schleichender Verfall und schöner Schrott wohin das Auge blickt.

Das kleine Ski-Resort Bryce und mit ihm der vor drei Jahren eröffnete Bikepark schienen schon auf den ersten Blick gemütlich und gut ausgestattet: Golfplatz, Country Club und vor allem eine moderne Liftanlage mit soliden Bike-Racks. Irgendwo am Horizont verschwand der Sessellift im weiß-blauen Himmel über uns. So klein konnte der Berg also nicht sein. Dank dem Irrtum der Meteorologen waren wir an diesem Traumtag fast allein: Knapp 30 Fahrer zählte ich, keine Wartezeiten am Lift, alle Trails für uns und das Ganze super tacky.

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Der falsche Wetterbericht schreckte die meisten Besucher an diesem Tag ab: Knapp 30 Fahrer zählte ich, keine Wartezeiten am Lift, alle Trails für uns und das Ganze super tacky.
Der falsche Wetterbericht schreckte die meisten Besucher an diesem Tag ab: Knapp 30 Fahrer zählte ich, keine Wartezeiten am Lift, alle Trails für uns und das Ganze super tacky.

Der Park begrüßt seine Besucher standesgemäß: Bikeshop im Skihallen-Design mit brandneuen Treks und Konas, Helmen und Protektoren zum Ausleihen. Sehr entspannte Mitarbeiter, die typisch amerikanischen Customer Service zelebrieren, freundlich und bemüht, jedem Kunden einen perfekten Tag auf dem Rad zu bescheren. Bikepark-Manager Derek, 28 Jahre alt, hält die beachtliche Leihbikeflotte in Schuss, nimmt die Suspension-Set-ups vor und steht bei technischen Problemen auch Fahrern zur Seite, die ihr eigenes Schätzchen bringen.

Bikepark-Manager Derek, 28 Jahre alt, hält die Leihbikeflotte in Schuss, nimmt die Suspension-Set-ups vor und steht bei technischen Problemen zur Seite.
Bikepark-Manager Derek, 28 Jahre alt, hält die Leihbikeflotte in Schuss, nimmt die Suspension-Set-ups vor und steht bei technischen Problemen zur Seite.

Einladend auch die Endzone des Parks: Holz-Wallride, Hipjump, Zwei-Meter-Drop und ein respektabler Table gleich unter der Lifttrasse, damit die stylishen Whips auch Zuschauer finden. Nach knapp zehn Minuten im recht langsamen Sessellift waren wir oben. Der Panoramablick über die Massanutten Ridge und ihre angrenzenden Täler entschädigte sofort. Das waren keine Hügelchen, das hier war schon eher wie der Schwarzwald.

Einladend auch die Endzone des Parks: Holz-Wallride, Hipjump, Zwei-Meter-Drop und ein respektabler Table gleich unter der Lifttrasse.
Einladend auch die Endzone des Parks: Holz-Wallride, Hipjump, Zwei-Meter-Drop und ein respektabler Table gleich unter der Lifttrasse.

Let’s shred Bryce!

Acht recht unterschiedliche Trails von „easy“ bis „advanced“ standen zur Auswahl: maschinengebaute Jumplines („Brew Thru“) mit gut dimensionierten Anliegern, viel Flow und ordentlich Airtime. Und sie waren so gut gebaut, dass ich nachhaken musste, wer hinter dem Bauprojekt steckt. Der General Manager von Bryce Resort stammt ursprünglich aus Whistler und brachte die Idee, Virginias ersten Bikepark zu eröffnen, offensichtlich aus Kanada mit. Außerdem mit im Gepäck war die erfahrene Trailbuilding-Firma Gravity Logic aus Whistler, sodass Bryce mit einigen bemerkenswert flowigen Sektionen aufwarten kann.

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Acht Trails von „easy“ bis „advanced“ standen zur Auswahl: maschinengebaute Jumplines mit gut dimensionierten Anliegern, viel Flow und ordentlich Airtime.
Acht Trails von „easy“ bis „advanced“ standen zur Auswahl: maschinengebaute Jumplines mit gut dimensionierten Anliegern, viel Flow und ordentlich Airtime.

Aber es gibt auch natürlichere Abfahrten im Singletrail-Stil („Copperhead“), mit jeder Menge Switchbacks, einem kurzen Steinfeld und Wurzelpassagen. Technisch etwas anspruchsvoller, aber wirklich steil und ruppig wird es selten. Doch immer wieder taucht etwas Neues auf – ein Roadgap hier, der Fels-Wallride dort, Highspeed-Step-up und ein kleines Gap über den Bach. Kreativ, durchdacht und voll auf Gravity-Biker und ihren endlosen Spieltrieb ausgelegt. Das Beste ist, dass man viele der parallel laufenden Trails beliebig miteinander kombinieren kann.

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Aber wie immer kommt es auf den Speed an. Fährt man Bryce aggressiv, dann verwandeln sich die Lines durchaus in herausforderndes Terrain.
Aber wie immer kommt es auf den Speed an. Fährt man Bryce aggressiv, dann verwandeln sich die Lines durchaus in herausforderndes Terrain.

Bryce Bikepark: Better safe than sorry!

Doch Bryce bietet kaum etwas Extremes: Das hier ist kein „Do or Die“-, „Go Big or Go Home“-Park, er ist eher für Beginner und Fortgeschrittene gebaut. Und das mit voller Absicht, wie Derek klarstellte: „Wir richten uns wirklich an jeden! Wir wollen nicht einfach nur ein Bikepark für Ripper sein.“ Irgendwo muss der Nachwuchs bzw. der Gravity-Neuling ja anfangen – und es soll direkt Spaß machen, Vertrauen schaffen und nicht unbedingt im Krankenhaus enden. Fast jedes Feature ist deshalb rollbar oder bietet „Go-arounds“. Farbliche Markierungen signalisieren, welche technische Herausforderung zu erwarten ist: „Better safe than sorry!“

„Wir richten uns wirklich an jeden! Wir wollen nicht einfach nur ein Bikepark für Ripper sein.“
Bikepark-Manager Derek: „Wir richten uns wirklich an jeden! Wir wollen nicht einfach nur ein Bikepark für Ripper sein.“
Kein „Do or Die“-Park: Fast jedes Feature ist rollbar oder bietet „Go-arounds“.
Kein „Do or Die“-Park: Fast jedes Feature ist rollbar oder bietet „Go-arounds“.

Aber wie immer kommt es auf den Speed an. Fährt man Bryce aggressiv, dann verwandeln sich die Lines durchaus in herausforderndes Terrain. Das Roadgap musste ich mir vor der ersten Anfahrt genauer anschauen. Und der Table in der Endzone konnte erst beim zweiten Besuch sauber geklärt werden. Da ist noch viel Luft nach oben, so schnell wird Bryce zumindest mir nicht langweilig. Das Gute ist, dass man nicht zwingend ein Downhillbike braucht, um Spaß zu haben. Wer sein Trailbike beherrscht, kann alles fahren und viele der Sprünge sogar besser nehmen als mit einem plushen Fahrwerk und unnötig viel Gewicht.

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Wer sein Trailbike beherrscht, kann alles fahren und viele der Sprünge sogar besser nehmen als mit einem plushen Fahrwerk und unnötig viel Gewicht.
Wer sein Trailbike beherrscht, kann alles fahren und viele der Sprünge sogar besser nehmen als mit einem plushen Fahrwerk und unnötig viel Gewicht.

Dass der Park gerade auch für Endurofahrer interessant ist, zeigte das letztjährige Grassroots-Rennen. „Back to the Roots“ war das Motto, ein Endurorennen ohne Lizenzen, Kategorien und Altersklassen. Jeder gegen jeden, keine Pokale und Medaillen, minimale Racegebühr. „Just for fun“ und das Recht, mit der besten Zeit am Ende des Tages prahlen zu dürfen! So wie damals, als man gegen die Kumpels auf dem Hometrail noch mal schnell die Sau rausgelassen hat. Als es nicht um „besser, schneller, krasser“ ging, sondern Mountainbiken noch richtig Soul hatte und das Gemeinschaftsgefühl wichtig war. Way to go Bryce, ich freue mich schon auf die kommende Saison!

Bryce Bikepark ist machbar für jeden! Do not fear only believe.
Bryce Bikepark ist für jeden machbar! Do not fear, only believe.

 

Weitere Infos gibt es hier: Bryce Resort | Bryce Bikepark Facebook

Text und Bilder: Steffen Gronegger


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