Habt ihr euch mal gefragt, welche physiologischen Anforderungen so ein EWS-Rennen an die Fahrer stellt? Jetzt könnt ihr es herausfinden! Der Weltklassecoach sowie Commonwealth- und World-Cup-XC-Fahrer Rab Wardell hat sich mit einem Herzfrequenzmesser und einem SRAM Quarq-Leistungsmesser auf zum großen Tweed-Valley-Rennen der Enduro World Series gemacht. Er war so freundlich, seinen Blog-Artikel mit uns zu teilen – eine äußerst aufschlussreiche Lektüre für alle, die sich für Fitness interessieren.

Rabs Diary-363

Die EWS- Runde in Schottland beim Tweedlove war mein erstes Endurorennen auf diesem Niveau. Ich bin ein paar Endurorennen gefahren in den letzten Jahren, mit unterschiedlich großer Ernsthaftigkeit und wechselndem Erfolg. Die EWS ist eine echte Herausforderung für jeden Allround-Mountainbiker und ich glaube, ich kann mich ohne Selbstüberschätzung als einen ziemlich fähigen Fahrer bezeichnen. In XC-Rennen, selbst bei der WM, bin ich auf den Abfahrten immer sehr gut. Aber im Vergleich zu den führenden Downhill- und Enduro-Racern sind mein technisches Können und meine Abfahrtsfähigkeiten nicht so stark, besonders in engen Kurven und wenn es richtig steil und ausgefahren wird.

Was dagegen die körperlichen Voraussetzungen und die Fitness angeht, war ich mir sicher, dass ich zu den stärkeren Racern des Felds gehören würde. Vor dem Rennen wurde viel über die letzte Runde in Irland gesprochen, wo die Transferzeiten sehr knapp gewesen waren und die Stages viele flache, tretlastige Abschnitte hatten. Ich begann, darüber nachzudenken, wie genau eigentlich die körperlichen Anforderungen des Enduro Racing aussehen. Wie sollten ambitionierte Racer trainieren?

Vor dem Rennen brachte ich den SRAM Quarq-Leistungsmesser sowie einen Garmin Edge 500 GPS mit Herzfrequenzsensor an. Außerdem nahm ich einige der Stages mit einer GoPro als Helmkamera auf. Am ersten Renntag zeichnete ich GPS, Leistung, Herzschlag und Video auf, am zweiten GPS, Leistung und Video.

A long day in the saddle but not too intense a race. A cross country race of this distance and elevation would be over in less than half the time. However the climbs would be attacked and the downhill sections would be used for recovery in an XC race. This isn’t the case in Enduro which is reflected in the intensity during the DH stages.

Ein langer Tag im Sattel, aber kein übermäßig intensives Rennen. Ein Cross-Country-Rennen über diese Steigung und Distanz würde weniger als die Hälfte der Zeit dauern. Aber beim XC würde man auf den Anstiegen richtig Gas geben und die Abfahrten zur Erholung nutzen. Bei Enduro ist das anders, die Abfahrten sind wirklich intensiv.

Der erste Renntag ist ein großer Tag bei einem solchen Endurorennen. Es gab vier beachtliche Anstiege, die man bewältigen musste, um zu den vier gezeiteten Stages zu gelangen, fast 60 km, und das auf einem Bike mit großem Federweg und großen/breiten Reifen – es war ein langer Tag. Die Transfers zwischen den Stages erwiesen sich als ziemlich machbar, ich kam oft am Beginn der Stage an und hatte noch 30–40 min Zeit. Meine Herzfrequenz und meine Wattleistung waren auf den Transfers relativ niedrig und ich konnte hier hauptsächlich meine Grundfitness bzw. mein aerobes System nutzen, das ich seit fast 15 Jahren fürs Cross Country intensiv trainiere. Diese starke Grundfitness half mir, relativ entspannt und ausgeglichen am Beginn der Stages anzukommen. Allerdings musste ich feststellen, dass es gar nicht einfach war, mich dann wieder mental in den Race-Modus zu bringen. Daran muss ich noch arbeiten – psychologisch ist Enduro näher am Downhill als am Cross Country.

The liaison climbs, although long and sustained, weren’t particularly taxing due to the long gaps between stage start times. I was able to climb to the top of stage 2 at an avergae heart rate of 115bpm — nearly a recovery pace for me due to a big aerobic base and a strong lactate threshold from XC racing.

Die Anstiege auf den Transfers waren zwar lang und kontinuierlich, aber dennoch nicht furchtbar anstrengend, da die Abstände zwischen den Startzeiten so groß waren. Ich konnte den Anstieg zur zweiten Stage mit einer durchschnittlichen Herzfrequenz von 115 bpm meistern – dank meiner durch das XC-Racing ausgeprägten aeroben Basis ist das für mich ein fast schon erholsames Tempo.

Stages

Die Stages dagegen waren anstrengend. Interessant ist, dass man nur ein wirklich kurzes Zeitfenster hat, um beim Pedalieren ordentlich Gas zu geben? . Man kann alle Kraft der Welt haben, aber wenn man in dem Moment, in dem man sie braucht, den falschen Gang drin hat oder diese kostbaren Zeitfenster mit einem durchdrehenden Rad oder einer ungeschickten Linienwahl verplempert, dann ist man weder effizient noch schnell. Ein großer Teil der physischen Anstrengung während der Stages kommt durch die Bewegung auf dem Bike, durch das Be- und Entlasten und durch das Pumpen auf dem Trail und in den Kurven. Der Leistungsmesser misst das nicht, aber an der Herzfrequenz lässt es sich deutlich erkennen.

Stage 2 war eine meiner besseren Stages. Sie verlief hauptsächlich auf den bekannten Downhill-Trails von Innerleithen, die auch bei DH-Rennen oft genutzt werden. Die Stage enthielt aber auch ein paar kurze Anstiege und einen Sprint auf einer Forststraße. Das Zeitfenster, das man zum Pedalieren nutzen konnte, war im Schnitt etwa 5–10 s lang und es gab während der Stage nur eine Handvoll Gelegenheiten dazu.

Ich konnte sie aber gut nutzen und wurde auch zum Ende der Stage hin nicht langsamer. Meine technischen Fähigkeiten sind aber noch ausbaufähig – so könnte ich mit höherer Geschwindigkeit aus Kurven und technischen Abschnitten herausfahren. Meine Beweglichkeit auf dem Bike, meine Haltung und meine Stabilität beim Bremsen würden sich durch mehr Kraft im Oberkörper auch verbessern.

There were only a few moments to pedal on stage 2 yet you can see from the heart rate trace that the body is working hard from start to finish — 161 bpm is around my onset of lactate threshold.

Es gab nur ein paar kurze Chancen zum Pedalieren auf Stage 2, aber an der Herzfrequenz sieht man, dass mein Körper von Anfang bis Ende hart arbeiten musste – bei 161 bpm nähere ich mich der aeroben Schwelle.

My body is working hard to pump and move on the bike although I’m not pedalling. 996w is close to my peak power and I delivered this at the start of a long fireroad sprint to get up to speed. Many of the pedalling efforts in this stage were peak power sprint efforts. Imposible to read from heart rate but easy to see from the high spikes in power lasting a few seconds.

Beim Pumpen und bei der Bewegung auf dem Bike hat mein Körper harte Arbeit geleistet, auch ohne zu pedalieren. 996 W sind ziemlich nah an meiner maximalen Leistung. Diesen Wert erreichte ich zu Beginn des Sprints auf der Forststraße, wo ich ordentlich beschleunigen wollte. Viele der Momente, in denen man sich beim Pedalieren auf dieser Stage richtig anstrengen musste, waren solche „Peak Power“- Sprints. An der Herzfrequenz sind sie nicht ablesbar, aber die einige Sekunden dauernden Ausschläge in der Leistungskurve zeigen sie ganz deutlich.

Tag 2

Der zweite Renntag war kürzer als vorgesehen, da wegen der Höhenwinde und Wetterwarnungen zwei Stages entfielen. Es waren also nur noch zwei Stages zu absolvieren, inklusive zweier langer Anstiege während der Transfers. Auch diese waren dank des großzügigen Abstands zwischen den Startzeiten gut zu schaffen. Die Stages waren dann sehr unterschiedlich, die eine war eine richtige DH-Stage durch tiefen Schlamm. Ich hatte hier einige fahrtechnische Probleme und musste kämpfen, im Schlamm und in den ausgefahrenen Spuren in Bewegung zu bleiben. Hier muss ich noch an meiner Technik arbeiten.

Auf die letzte Stage freute ich mich. Es war die längste des Rennens, man musste viel treten und die engen Trails kannte ich gut. Ich hatte vor, auf den Tretpassagen alles zu geben. Leider habe ich für diese Stage keine Herzfrequenzdaten, aber in dem Video könnt ihr hören, wie schwer ich geatmet habe, was zeigt, dass die Anstrengung auf den Tretpassagen maximal war.

The final stage of the race was much longer than the rest of the stages with long sections of sustained pedalling. These efforts would see an increase in heart rate and are noticable from the burning feeling in my lungs and legs. These efforts prodiminantely use the anerobic system and last from 15–45 seconds.

Die letzte Stage war um einiges länger als die anderen und hatte lange Passagen, auf denen man kontinuierlich pedalieren musste. Diesen Anstrengungen folgt ein Anstieg der Herzfrequenz und sie machten sich außerdem in einem brennenden Gefühl in meiner Lunge und meinen Beinen bemerkbar. Sie liegen vorrangig im anaeroben Bereich, und dauern zwischen 15 und 45 s.

If you look at the two power graphs from the shared stages there are more spikes in the second and it’s clear to see that there is more intensity through the pedals on this stage, for much longer. The peak power is less but the average power is higher for longer. Good aerobic fitness should help a rider recover between these hard efforts during a stage.

Wenn man die abgebildeten Leistungskurven der beiden Stages vergleicht, erkennt man, dass es auf der zweiten sehr viel mehr „Zacken“ gibt. Das liegt natürlich daran, dass man auf dieser Stage intensiver und für längere Zeit pedalieren musste. Die maximale Leistung ist niedriger, aber die durchschnittliche Leistung ist höher und muss länger gehalten werden. Eine gute aerobe Fitness hilft Fahrern, sich zwischen solchen massiven Anstrengungen während der Stage zu erholen.

Was bedeutet das nun alles?

Bei oberflächlicher Betrachtung der Daten aus den Stages scheint es, als ob eine gute aerobe Basis bzw. ein solides aerobes Training nicht so wahnsinnig wichtig sei. Die Anstrengungen durch das Pedalieren auf den Stages sind kurz, mitunter nur 5 s und nie mehr als 30 s oder 1 min, was nahezulegen scheint, dass solche kurzen Highspeed-Intervalle im Prinzip schon alles sind, was man als ehrgeiziger Enduro-Racer können muss. Dabei vergisst man aber leicht, dass ich persönlich auch deswegen mit diesen Entfernungen und der Dauer der einzelnen Anstrengungen dieses Rennens gut zurechtkam, weil mir mein XC/Marathon-Hintergrund hier sehr hilft. Nicht jeder kann auf ein durch jahrelanges Training aufgebautes aerobes System zurückgreifen. Aber durch eine solche Basis kann man die langen Stages besser bewältigen und erholt sich zwischendurch schneller. Auch im Verlauf der Saison hält man besser durch, wenn man fitter ist, man schafft mehr Rennen und kann auch dazwischen härter trainieren.

Wenn ihr ganz ohne Rennerfahrung ins Enduro-Racing einsteigt, dann werdet ihr zunächst mal eine ausreichende Grundlagenfitness aufbauen müssen, um nicht nur die Renndistanz, sondern auch das vorausgehende Training durchzuhalten. In den drei Tagen vor dem Rennen bin ich jeweils etwa drei Stunden pro Tag gefahren. Ohne ausreichende aerobe Basis wäre es schwierig, wenn nicht unmöglich, das Training zu überstehen und sich ausreichend zu erholen, um fürs Rennen gewappnet zu sein. Aerobe Fitness ist für alle Mountainbiker wichtig, sogar für Downhiller, 4x-Racer und Trialfahrer.

Wenn ihr aus dem DH-Racing zum Enduro kommt, dann sind euer fahrerisches Können, eure Oberkörper und Rumpfstärke und eure maximale Leistung vermutlich gut. Bei der aeroben Ausdauer und der anaeroben Leistung, die ihr vor allem für Anstiege braucht, müsst ihr euch aber vielleicht noch verbessern. Verbringt mehr Zeit damit, längere Strecken zu fahren und arbeitet darauf hin, eine typische Enduro-Renndistanz zurückzulegen, inklusive langer, stetiger Anstiege.

Falls ihr, wie ich, einen Cross-Country-Hintergrund habt, dann mangelt es euch vermutlich nicht im aeroben Bereich, aber wahrscheinlich an fahrerischem Können und maximaler Leistung. Beweglichkeit auf dem Rad, Körperhaltung, Gewichtsverlagerung und Pumpen sind dann ziemlich wichtig. Ihr werdet auch an eurer Oberkörperstärke und Rumpfstabilität arbeiten müssen, um mit den Geschwindigkeiten und Kräften, die in Kurven und beim Bremsen auf den Körper einwirken, klarzukommen. Helfen können hier Downhill-Runs und Pumptrack- oder BMX-Sessions.

Fazit

Klar ist, dass Enduro eine körperliche, mentale und technische Herausforderung darstellt. Ihr müsst als Fahrer clever sein und einen guten Plan haben, wie ihr so ein Rennen angeht – Effizienz und Anpassungsfähigkeit sind hier entscheidend. Ihr müsst eure persönlichen Stärken und Schwächen kennen und einen Plan erarbeiten, wie ihr euch verbessern könnt. Letztendlich werdet ihr aber eine gute aerobe Grundlagenfitness brauchen, um alle Stages fahren zu können, euch zwischendurch zu erholen und das Rennen bis zum Ende durchzuhalten. Wenn ihr die aufgebaut habt, könnt ihr an eurer maximalen Leistung und eurer anaeroben Fitness arbeiten. Abgesehen davon ist aber natürlich auch fahrerisches Können ein großer Faktor. Um im Endurosport zu brillieren, müsst ihr einfach richtig gute Allround-Mountainbiker sein.

Viel Erfolg!

Wenn ihr mehr von Rabs wertvollen Trainingstipps wollt, schaut euch seinen Blog an oder kontaktiert ihn, wenn ihr Interesse an einem Coaching bei der Dirtschool habt.

Text und Bilder: Rab Wardell


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