Als Mitarbeiter der Sperrgepäck-Ausgabe am Flughafen von Denpasar bekommt man es in der Regel mit Boardbags zu tun: Denpasar ist Hauptstadt von Bali und diese Insel bekanntermaßen eine ausgewiesene Surf-Destination. Beinahe exotisch wirken deshalb unsere Bike-Taschen inmitten der ankommenden Surfbretter (samt Surfern) als wir damit den Weg durch die Flughafen-Halle antreten. ION besucht Bali für Whips und Wellen!

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Aber der erste Eindruck zählt nicht immer – dieses Mal hat er uns getäuscht: Während die anderen Reisenden (aus Europa) noch am ehesten fragend schauen, sind die Balinesen am Flughafen weitestgehend unbeirrt. Natürlich kommt hier und da ein neugieriger Blick, doch im Großen und Ganzen: Nur wenig Verwunderung über die Bikes auf Bali und wenn, dann kaum erkennbar! Und wir dachten, ein Bike nach Bali zu fliegen würde etwa so aufgefasst, wie ein Surfboard in Leogang: Freilich geläufig, aber irgendwie fehl am Platz…

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Nun, offensichtlich war schon jemand vor uns mit Bike im Gepäck auf der Insel und nicht erst gestern. Denn das Thema Biken ist auf Bali vergleichsweise präsent (zumindest punktuell) und dadurch weit weniger exotisch als der überraschte Mitteleuropäer zunächst annimmt. Iwan beispielsweise, unser indonesischer Guide während des Bali-Trips, fährt seit 2001 Mountainbike und kennt nahezu alle Trails auf der Insel. Auch hat die zweimalige Austragung der Asia Pacific Downhill Challenge offensichtlich Eindruck hinterlassen: In Bali existiert ein Trail-Netzwerk. Im Vergleich mit europäischen oder gar nordamerikanischen Standards noch dünn, aber im stetigen Ausbau begriffen und mit viel Potential.

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Zu dieser Entwicklung hat unser Gastgeber seinen Teil beigetragen: Alex heißt er und ist kein Indonesier. Alex ist Österreicher. Aus der Steiermark. Seit über elf Jahren lebt der gebürtige Weizer auf Bali. Die Wellen haben es ihm angetan. Und der Lifestyle der asiatischen Insel. Aus seinen ersten Surf-Trips nach Bali anno 1998 sind immer längere Aufenthalte geworden. Bis er und seine Frau Sabine entschieden, sich auf der Insel niederzulassen. Raus aus dem Lehrerberuf, rein in die Rolle des Hoteliers: Mit dem Chillhouse in Canggu verdient Alex den Lebensunterhalt für sich und seine Familie. Er wohnt selbst dort und hat sich gleichzeitig einen Traum verwirklicht: Wenn der Swell angekündigt ist und es den passionierten Wellenreiter gen Wasser zieht, dann lassen sich Termine und Verpflichtungen auf Bali leichter verschieben als in einer steirischen Schulklasse. Und wenn es zwischendurch keine Wellen gibt: Dann schnappt sich Alex statt des Bretts sein Bike….

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Die Berge im Inselinneren, allesamt vulkanischen Ursprungs, reichen bis über 3000 Meter hoch. Sie sind je nach Tageszeit in ein bis eineinhalb Autostunden vom Chillhouse aus erreichbar. Mit Bike-tauglichen Pfaden erschlossen sind neben dem rund 1700 Meter hohen Batur auch etliche umliegende, etwas niedrigere Erhebungen: Ein Jahrtausende alter, riesiger Vulkankessel umringt den Batur und bietet ein ganzes Netzwerk an Trails. Dort zeigt sich der Vorteil, den der Mountainbiker gegenüber dem Surfer hat: Während der eine auf den Swell warten muss, kann sich der andere getrost darauf verlassen, dass dort wo Menschen leben und Landwirtschaft betreiben auch immer Wege existieren. Und der Crater Rim – der Einstieg in den Trail liegt bei Penulisan – macht da keine Ausnahme: Auf dem Rand dieses monströsen Kraters, noch fast ohne nennenswertes Gefälle, lässt es sich vorzüglich dahinrollen. Die ganze Zeit über ziehen der Batur (See), der Batur (Vulkankegel) und dessen schwarzsandige Flanken unsere Blicke an. Davon angeschoben läuft vor dem inneren Auge schon der Film vom Ritt auf schwarzem Vulkansand.

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Noch aber verlangt das Auf und Ab des Crater Rim Trails immer ein wenig Aufmerksamkeit: Auf lehmigem Boden rollen wir durch erst dichten, dann lichten Wald. Irgendwann überwuchern uns dafür Elefantengras und Farne bis weit über den Kopf. Double over head würden Surfer das nennen, wäre diese Botanik eine sich brechende Welle. Dann plötzlich säumen trockene Schilfhalme den Weg. Sie sind frisch gerodet und können für Unannehmlichkeiten sorgen: durch schräg verlaufende Schnitte angespitzt und messerscharf durchbohren die Halme sämtliche Hautschichten und darunter liegendes Gewebe mühelos. Wenn man aus dem Fahren heraus einen Halm mit Arm oder Bein erwischt gilt es unbedingt, diesen auch wieder restlos zu entfernen. Sich entzündende Wunden möchte man in den Tropen gerne vermeiden.
Kurz vor Mittag erreichen wir nach diversen Panorama-Stopps den höchsten Punkt des Trails. Energienachschub wird auch bei gut 35 Grad dringend benötigt. Von Wasser ganz zu schweigen. Wir rasten an einem Warung im Schatten der Bäume und schauen durch die von der hohen Feuchtigkeit diesige Tropenluft Richtung Meer. Erst dort unten, etwa 1500 Meter tiefer endet der Trail bei Tianyar an der Nordküste. Relativ sanft fallend schlängelt er sich dort hin. Allerdings sorgt die Wegbeschaffenheit für anhaltende Beschäftigung: Tropische Regengüsse haben die Wege über die Jahre ordentlich ausgewaschen und man muss seine Linie vorbei an Tempel und einheimischen Bauern bei der Arbeit fast immer ein wenig suchen. Dem Fahrspaß tut das keinen Abbruch. Denn wer erwartet schon 1500 Meter Abfahrt in einem Paradies für Surfer? Als wir unten ankommen wartet dafür bereits das Shuttle-Fahrzeug auf uns. Die Frage, wohin die Fahrt gehen soll wird einstimmig beantwortet: Black Sands.

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Also: Überfahren wir den Crater Rim dieses Mal und tauchen ein in die Welt des Kraterinneren. Dort, zu Füßen des noch immer aktiven Mount Batur fällt einem sofort der rege LKW-Verkehr auf. Die Trucks transportieren Sand, der zum Häuserbau verwendet wird. Sie sind bis oben hin beladen. Entsprechend langsam bewegt sich der Verkehr in beide Richtungen. Wir üben uns einmal mehr in Geduld und wissen längst, dass ohne sie auf Bali überhaupt kein Glück zu finden ist. Selbst nicht in einer der zahlreichen heißen Thermalquellen, in die diverse Straßenschilder einladen. Wir nutzen diese Form der Rehabilitation und bereiten den nächsten Tag gedanklich vor: Black Sands. Ein balinesischer Bergführer auf einem Motorrad, der für gewöhnlich Touristen zum Sonnenaufgang auf den Batur führt, begleitet uns. Die Einbeziehung der Locals gehört auf Bali immer und überall unbedingt dazu. Sonst braucht man noch viel mehr Geduld. Die tiefen Reifenspuren der Cross-Maschine (und nicht nur einer) zeigen uns, dass der Spielplatz auf schwarzem Sand sonst den Einheimischen vorbehalten ist. Bis hinauf zu den ersten dampfenden Schwefellöchern erstreckt sich eine wohlgeformte Hügellandschaft aus körnigem Vulkansand. Die Anzahl möglicher Abfahrtslinien und –varianten ist riesig: Gravel Surfing at its best! Unser Fotograf und Filmer kommt aus dem Grinsen überhaupt nicht mehr raus. Leider zeigt sich, dass die Bodenbeschaffenheit für den Bau größerer Sprünge ungeeignet ist. Jedenfalls mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln. Macht nichts, stattdessen spulen wir eine weglose Abfahrt nach der anderen im staubig-krieseligen Batur Gravel herunter. Im Gegenlicht der untergehenden Sonne explodiert der Sand bei der Durchfahrt zweier Reifen geradezu. Die Staubfahnen hinter dem Hinterrad erwecken den Eindruck, als brenne man eine Linie in die Geröllhalden aus schwarzem Gestein. Irgendwie passend auf den Flanken eines noch immer aktiven Vulkans…

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Dass vulkanischer Boden nicht nur aus Mountainbiker-Sicht als besonders fruchtbar gilt – siehe auch: La Palma, Madeira – davon überzeugt uns kurz darauf Alex’ jüngstes Projekt: Umgeben von dicht wuchernder, tropischer Regenwald-Vegetation arbeitet Alex mit Hilfe der lokalen Bevölkerung am Bali Bike Park. Der noch viel treffendere Name für diesen Spot aber lautet schlicht: Jungle Playground. Inmitten des balinesischen Dschungels gelegen ist der Park mit einem 15-minütigen Fußmarsch zu erreichen – entweder über eine noch nicht ganz fertig gestellte Straße oder über einen Trampelpfad durchs Urwalddickicht. Man gelangt zu einer Lichtung, die das derzeitige Zentrum des Bali Bike Park darstellt. Absprünge unterschiedlicher Größe, zumeist als Step Down angelegt, eröffnen von dort die Abfahrt in Richtung Beratan-See. Ein stetig wachsendes Trail-Netzwerk in unmittelbarer Umgebung, diverse weitere Obstacles, und zuletzt ein amtlicher Step Up-Sprung ergänzen das Setup des Jungle Playground zu einem der ersten Bikeparks in den Tropen überhaupt. Und weil Liftanlagen im Dschungel eher schwierig zu finden sind, übernehmen Shuttle-Jeeps den Transport zum Startpunkt. Überhaupt ist man wegen hoher Luftfeuchtigkeit und Temperatur um die Shuttle-Dienste grundsätzlich mehr als froh und so orientiert sich der Moutainbike-Sport auf Bali auch vorrangig bergab. Das aber geht völlig in Ordnung, steht doch der Gedanke des Surfens – aufs Trails wie auch auf Wellen – auf Bali im Vordergrund. Wer ausschließlich Höhenmeter bergauf wegdrücken möchte, ist andernorts besser aufgehoben.

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Angesichts der balinesischen Kombinationsmöglichkeiten von Trail und Strand aber keine wirkliche Alternative für uns. Wir wollen nicht ernsthaft weg von diesem Flecken Erde. Stattdessen nutzen wir nach der Rückkehr ins Chillhouse die Nähe zum Wasser: Mit Fahrrad oder dem landestypischen Gefährt, einem Motorrad samt Surfboard, rollen wir Richtung Strand. Sowohl Echo Beach wie auch Old Man’s Beach liegen keine zehn Minuten entfernt. Einsam sind die Strände zwar nicht. Vor allem nicht während der zahlreichen – und durch einen nur schwer durchschaubaren Kalender festgelegten – Feiertage. Aber man gewinnt einen kurzen Einblick in die Feiertagskultur balinesischer Familien. Mehr Abgeschiedenheit verspricht uns Gastgeber Alex für den so genannten Ricefield Ride: Als einfache Trail-Tour startet der Ricefield Ride im Weltkulturerbe Jatiluwih und führt durch Reisterrassen bis an die Küste. Gemächlich geht es dahin, ohne technische Herausforderungen. Aber nicht langweilig. Die Szenerie begeistert. Cruising Mode. Nach etwa 800 Tiefenmetern gelangen wir wieder ans Meer. Und hier, etwas westlich des Tanah Lot Tempel, erstrecken sich Strände, die längst nicht so bevölkert sind wie jene in Canggu. Und kilometerlang. Je nach Gezeiten und Swell laufen dort zudem gute Wellen. Ohne aber gleich Horden von Surfern anzuziehen. Wir aber ziehen weiter, das Programm der nächsten Tage klingt vielversprechend.

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Frühmorgens steuern wir durch den dichter werdenden Verkehr rund um Denpasar. Wer sich in Bali nicht an die vom Guide empfohlenen Abfahrtszeiten hält, wird kurzerhand mit Schritttempo bestraft. Netterweise hatte uns Alex das eingebläut. Gebetsmühlenartig. Immer wieder. Wir wollen die ersten Sonnenstrahlen schließlich nicht im Stau, sondern auf dem Downhill Track von Klungkung abbekommen. Dieser Track war und ist Austragungsort der Asia Pacific Downhill Challenge. Unter Mithilfe der dort ansässigen Bauern konnten wir den Track ein wenig modifizieren: Im oberen Teil entstand so ein Double mit Meerblick. Morgensonne. Bali. Backflip. Besser geht’s kaum. Kurz darauf verschwindet der Trail nach einer Rechtskurve mit anschließendem Table zwischen Palmen im Dickicht. Doch nur kurz, dann lichtet sich das Grün und gibt immer wieder Blicke auf die anrollenden Wellen im nahen Meer frei. Alle paar Meter führt der Trail dicht an der Straße vorbei, taucht dann wieder weg in das Mischmasch aus Laubbäumen, Palmen, Gräsern und sonstigem Gewächs. Im untersten Teil quert der Klungkung-Track per Northshore-Leiter einen Steilhang ehe er über einen Felsen in Richtung Ziel-Doubles abbiegt. Zwischen uns und dem Strand liegen einmal wieder nur wenige Meter. Die Entscheidung, ob noch eine Runde oder ab ins Wasser muss daher auch jetzt wieder gefällt werden. Dieses Mal entscheiden wir uns für das Wasser und machen uns auf den Weg Richtung Balangan. Der dortige Surfspot gilt als einer der besten auf Bali – doch nur einer aus unserem Team sieht sich den Anforderungen der sehr schnellen, anspruchsvollen Wellen gewachsen. Wir anderen beschränken uns aufs Zuschauen und fragen uns, was Bali für Mountainbiker künftig noch alles zu bieten hat. Und ob einen nicht doch ein Weg vom 3000 Meter hohen Agung bis ans Meer Surfen lässt…

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Text: ION Fotos: Sebastian Doerk, Gerhard Engelbrecht


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