Der Dreier

Ist das also die Zukunft? Machen alle anderen es falsch? Obwohl ich glücklich in meiner Beziehung bin, gibt es immer die Versuchung, etwas Neues auszuprobieren. Nach drei Monaten mit #TheGeometryAffair war ich vollends vertraut mit der langen Geometrie. Wäre der Umstieg auf ein „normales“ Bike ein Rückschritt oder nur eine Erinnerung daran, was ich zurücklassen musste? Wir hatten gerade eine Menge herausragender Bikes im Büro, die alle um meine Aufmerksamkeit buhlten und mich letztlich zu einem Dreier überredeten.


Nachdem wir uns kennengelernt hatten, war es Zeit, unserer Beziehung etwas Pepp zu verleihen – es war Zeit für Gruppenspiele.

Die Kandidaten für unseren Gruppenspaß waren zwei ähnlich gravityorientierte 29er mit 150 bis 160 mm Federweg und ähnlichen Komponenten, um unter vergleichbaren Bedingungen herauszufinden, wer der schnellste oder der spaßigste war oder wer sogar der Partner sein könnte, der beides am besten verband. Eine Gruppe von Fahrern wurde zusammengetrommelt, von denen einige noch nie ein radikales Bike wie das Pole gefahren waren. Das würde interessant werden! Wir ließen das Whyte S-150 und das Marin Wolf Ridge 9 gegen #TheGeometryAffair antreten, also zwei Bikes mit ähnlichen Absichten. Zuerst aber ein paar warnende Worte: Als ehemaliger Wissenschaftler muss ich sagen, dass dieser Vergleich in etwa so empirisch ist wie die Klimaerwärmungs-Briefings von Donald Trump, aber wir gaben uns alle Mühe, ihn repräsentativ zu gestalten. Reifen und Kontaktpunkte wurden nicht standardisiert, wir fuhren allerdings dieselben Trails am selben Tag und wechselten die Bikes an unterschiedlichen Punkten, um Verfälschungen durch Ermüdung oder Gewöhnung an den Trail auszuschließen.

Auf der Teststrecke gab es ein paar steile Abfahrten und einen kniffligen Anstieg – also eigentlich die volle Bandbreite.
#thegeometryaffair Whyte S-150 Marin Wolf Ridge 9
Federweg 160/130 mm 150/150 mm 160/160 mm
Radstand 1314 mm 1212 mm 1206 mm
Reach 510 mm 480 mm 462 mm
Lenkwinkel 64,5 ° 65,6 ° 66,5 °
Sitzwinkel 77,5 ° 74,5 ° 73,5 °
Kettenstreben 456 mm 435 mm 435 mm
Gewicht 14,5 kg 13,8 kg 14,1 kg
Ging es nur um den Speed, stellten sogar Fahrer, die bisher noch nicht auf #TheGeometryAffair unterwegs waren, mit ihm neue Bestzeiten auf.

Nach einigen Tagen und über 30 unvorbereiteten und gezeiteten Läufen hatte sich ein Trend entwickelt, wenn es um die pure Geschwindigkeit ging. #TheGeometryAffair war stets das schnellste Bike, mit 3 bis 4 % Vorsprung. Wie zu erwarten war ich auf dem Biest schnell unterwegs, doch überraschenderweise galt das auch für Fahrer, die bisher auf keinem der Testbikes unterwegs waren. Das flache und lange Bike machte hohe Geschwindigkeiten spielend möglich. In erfahrenen Händen ist die neue Geometrie explosiv – entzündet die Lunte und haltet euch an irgendetwas fest!

Ich habe so viel Platz, um mich auf dem Bike zu bewegen, dass ich mich nie außer Kontrolle fühle.

Ist die „Oldschool-Geometrie“ also tot?

Es war interessant, von Bike zu Bike zu wechseln, im Vergleich zu #TheGeometryAffair fühlten sich das Whyte und das Marin lebhaft, geradezu elektrisiert an. Ich warf die Bikes herum wie ein Besessener, die Jagd nach Geschwindigkeit wurde ersetzt durch die Jagd nach Spaß, jede Kuhle, jeder Hubbel wurde zu einem Sprung, jede Steinkante bot Möglichkeiten, um zu cutten. Hätten wir die 50/01 Crew samt ihrer Action, wenn wir alle superlange Bikes fahren würden? Ich denke nicht! Es ist nicht so, als wäre #TheGeometryAffair nicht geil zu fahren: Sie geht leicht aufs Hinterrad, liegt gut in der Luft – manchmal tut etwas Instabilität aber ganz gut. Alles in allem ist es wie der Unterschied zwischen langen Runden mit einem Bugatti Veyron und Kurven mit dem Gokart: Es kommt immer darauf an, woher man seinen Kick bekommt.

Würde ich zurück zum „normalen“ Bike wechseln? Für mich passt die lange Geometrie und ich werde dabei bleiben.

Die Industrie macht kleine Schritte, ihre Bikes werden jedes Jahr länger und flacher, während NICOLAI und Pole riesige Schritte gemacht haben. Wer schneller werden will, mehr Sicherheit und Stabilität sucht oder seine Mitfahrer in Grund und Boden fahren will, wird der langen Geometrie seine Flügel verdanken. Es gibt viele und laute Stimmen für und gegen diese neue Geometrie, letztlich ist es nur eine Geschmacksache – wenn auch eine entscheidende. Und bevor die Aluhut-Fraktion den Aufstand probt: Ich bin nicht verpflichtet, das Pole gut zu finden. Wenn es ein Albtraum wäre, würde ich das sagen. Das ist aber einfach nicht der Fall. Es ist eine Wucht. Ich kriege meinen Kick von Highspeed auf steilen Trails und bombe liebend gern durch schnelle Kurven. Für mich ist #TheGeometryAffair mehr als nur ein One-Night-Stand. Es ist wahre Liebe.


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!