Der Adler ist gelandet. Mit 12 Ritzeln, das größte davon mit 50 Zähnen, wird die neue 12-fach-Gruppe Eagle von SRAM die übliche Aufregung in den Foren auslösen – Verlangen, Begeisterung, Verwirrung und wahrscheinlich Ablehnung. Wir haben die SRAM Eagle ein paar Tage ausprobiert, um euch diese bullshitfreie Einführung zum neuen goldenen Antrieb liefern zu können.
Zunächst eine kurze historische Betrachtung. 2012 brachte SRAM den ersten speziell entwickelten 1-fach-Antrieb der Welt auf den Markt. Der Wegfall des Umwerfers machte unsere Bikes ein ganzes Stück leichter, er machte den Antrieb unkomplizierter und er eröffnete im Rahmendesign ganz neue Möglichkeiten. Sobald wir 1-fach-Antriebe hatten, redeten die Leute nur noch über die Bandbreite, auf den Trails hörte man ständig Sachen wie: „Wie groß ist das Ritzel? Was, nur 42 Zähne? Vergiss es, du brauchst eins mit 44!“ Mit der Vorstellung des OneUp Shark 50-Zusatzritzel hat und der SRAM Eagle hat nun der Kampf der ganz großen Ritzel begonnen. Doch nach ein paar Tagen mit der Eagle-Gruppe scheint, dass sie mehr zu bieten hat als nur eine pizzatellergroße Kassette! Wir geben euch einen Überblick über die zwölf wichtigsten Fakten, damit ihr herausfinden könnt, ob die Eagle was für euch ist. Die technischen Details gibt es in einem separaten Artikel: SRAM Eagle 12-fach Antriebsgruppe – Gewichte, Preise, Fakten.
1. Bei der SRAM Eagle geht es nicht nur um die Bandbreite.
Das erste, was einem ins Auge sticht, ist die riesige Kassette. Über dieses Monster mit dem 50-Zähne-Ritzel, das der Eagle eine riesige Bandbreite von 500 % verleiht, werden alle reden. Aber BRAUCHEN wir wirklich so eine enorme Bandbreite? Eigentlich nicht – mit dem richtigen Kettenblatt bietet 1×11 jedem, vom Elite-Racer zum Amateur, genügend Bandbreite. Die SRAM Eagle nur wegen einem Gang mehr zu kaufen, würde den Zweck verfehlen. Eine Bandbreite von 500 % wird das Biken nicht revolutionieren – aber nett ist sie allemal!
2. Die neue SRAM FLOWLINK-Kette ist nicht das schwächste Glied.
Der Unterschied zwischen der SRAM Eagle und Zusatzritzeln mit 50 Zähnen ist, dass es sich hier um ein grundlegendes Redesign handelt. SRAM hat eine eigene Kettenproduktion in Portugal, wo erstaunlich viel Technik in diese hochkomplexe Kette fließt. Die Kette der Eagle 12-fach-Gruppe ist komplett neu entwickelt und hat abgerundete Innenlaschen und superglatte Bolzen, die den Antrieb unglaublich viel leiser machen. Auf dem Trail fiel uns der sehr viel ruhigere Betrieb auf, besonders in den Gängen mit dem größten Schräglauf.
3. Die SRAM Eagle ist golden.
Für viele Fahrer wird das ein legitimer Grund für ein Upgrade sein. Definitiv ist es etwas, über das man spricht. Beim Gold-Finish des XX1 Eagle handelt es sich um eine Titannitrid-Beschichtung, die sich bereits bei anderen Einsatzzwecken, z. B. bei Bohrern, als extrem strapazierfähig erwiesen hat. Für alle, die etwas weniger Aufmerksamkeit schätzen, gibt es aber auch eine schwarze Kassette, die ohne diese Beschichtung auskommt und dafür auch etwas weniger kostet.
4. Dieser Adler hat Zähne.
SRAM versucht, die Haltbarkeit zu verbessern, und hat daher die neuen aggressiven X-SYNC-Zähne entwickelt. Die älteren XX1-Ritzel sind ab einer gewissen Abnutzung eher anfällig dafür, sich in der Kette zu verbeißen und so ein Rattern zu verursachen. Das neue X-SYNC 2 verteilt die Last auf mehrere Zähne, um so die Abnutzung zu reduzieren (um das Vierfache im Labor). Außerdem wurden die Kanten geglättet, um das Lösen vom Ritzel leiser zu machen. Das Team von SRAM ist sich sicher, dass sein neuer Eagle-Ring dieses Hooking drastisch reduziert und die Schaltung so länger leise hält.
5. Ihr braucht für die Eagle keine neuen Laufräder.
Die neue, dreiteilige 12-fach-Kassette der Eagle ist breiter als das alte 11-fach-Modell, kann aber auf einen konventionellen XD-Freilaufkörper montiert werden. Daher müsst ihr die Laufräder nicht wechseln und braucht keinen neuen Achsenstandard! Durch einen schmaleren Abstand zwischen den Gängen (3,8 mm auf 3,65 mm) und eine dünnere Kette (5,6 mm auf 5,25 mm) finden auf der Eagle-Kassette mehr Gänge auf gleichem Raum Platz. Das Schaltwerk sitzt auf dem größten Ritzel etwas näher an den Speichen, doch SRAM hat es mit allen gängigen Laufradsätzen getestet.
6. Die Eagle hat ein neues Type 3 gedämpftes Schaltwerk.
Das neue Schaltwerk sieht nicht nur größer aus, sondern ist es auch. Durch die vergrößerten Schaltröllchen mit 14 Zähnen kann SRAM hier mit mehr Spannung arbeiten, wodurch die Kette besser hält. Das neue gedämpfte Schaltwerk ist 20 % stärker als das alte, was man auf dem Trail nicht spürt. Was wir allerdings merkten, ist, dass die Schaltvorgänge noch immer sehr leicht und schnell vonstattengehen.
7. Die Eagle verfügt über ein neues Kettenschloss.
Jede Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied, und das schwächste Glied ist seit jeher das Kettenschloss. Extremes Schalten unter Belastung ist nie empfehlenswert, doch die Eagle hat ein neues PowerLock-Kettenschloss mit festerer Verbindung. So reduziert sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Kette bei mehrfachem Schalten auf kleinem Ritzel während des Sprintens reißt.
8. Die SRAM Eagle kommt mit einem neuen Kettenblatt.
Die Eagle ist darauf ausgelegt, als System verwendet zu werden, ihr könnt also kein bisheriges X-SYNC-Kettenblatt damit verwenden. Allerdings kann das Eagle-Kettenblatt mit den bestehenden XX1 11-fach-Gruppen kombiniert werden, und so lassen sich die Vorteile der neuen Zähne auch mit den bereits vorhandenen Gruppen nutzen.
9. Groß, aber nicht zu groß!
Das Schaltwerk wurde neu entworfen und obwohl es etwas länger als das XX1 ist, bleibt es etwa auf der Länge eines Shimano XT. In der niedrigsten Position ist das Schaltwerk gut vom Rad geschützt – wenn man aber öfter mal Steinkontakt hat, sollte man die Länge des SRAM-Eagle-Schaltwerks im Hinterkopf behalten.
10. Das Setup ist einfach.
Zusammen mit dem Schaltwerk bekommt man ein einfaches Werkzeug fürs korrekte Setup. Viele Fahrer stellen den Winkel ihres Schaltwerks (B-tension) nämlich falsch ein, da man dazu das Fahrwerk mit dem Fahrergewicht belasten sollte damit es im korrekten SAG sitzt. Die SRAM Eagle ist mit diesem Werkzeug einfach einzustellen und schaltet dann blitzschnell, das Tool kann aber auch mit bisherigen 1×11 Schaltwerken genutzt werden.
11. Die Zähne der Eagle arbeiten immer synchron
Gerade bei matschigen Bedingungen laufen die unterschiedlich dicken Zähne der Schaltwerks Röllchen nicht immer synchron mit der Kette, deshalb gerät die Schaltung dann oft außer Takt – und das nervt enorm. Um genau das abzustellen, hat SRAM die unterschiedlich großen Zähne am oberen Röllchen entfernt. Dadurch wird die Performance im Schlamm besser und die Gangwechsel geraten weicher.
12. Sie ist etwas schwerer, aber nicht viel.
Zwar ist die Kassette etwas schwerer, dafür wurde aber an der neuen Kurbel Gewicht gespart. Jetzt ist die XX1 Eagle-Gruppe lediglich 50 g schwerer als die 11-fache XX1 und liegt mit ihrer Konkurrenz immer noch gleichauf. Wenn ihr zu den Typen gehört, die sogar ihr Müsli wiegen, könnte euch das stören. Für die meisten werden die erhöhte Übersetzung und der leise Betrieb aber deutlich schwerer wiegen.
13. Die SRAM Eagle hat den coolsten Namen.
Ja, wir haben zwölf Gründe gesagt, aber die Technik entwickelt sich so schnell, dass es, bis ihr an diesem Punkt angekommen seid, bestimmt eine 13-fach-Gruppe geben wird! Am besten gefällt uns eigentlich der Name der Eagle, der einen Schlussstrich unter die langweilige Namensgebung zieht! Es dürfte der coolste Name für eine Schaltgruppe sein, seit das Rad erfunden wurde. Man munkelt, dass Chris Hilton während der ersten Vorstellung für das Sales-Team die ersten 20 min nur über Adler sprach und damit alle verwirrte. Wenn euch das nächste Mal also jemand fragt, wie viele Gänge ihr habt, könnt ihr schlicht „Adler“ sagen und kreischend davonfahren, während eure Arme flatternde Bewegungen machen.
Fazit
Spaß beiseite. Nun, da der Sprung zum 12-fach-Antrieb geschafft ist, wird es endlose Diskussionen zu Übersetzungen und Geschwindigkeiten geben, aber bei SRAMs neuer Eagle-Gruppe geht es um weit mehr. Es ist ein allumfassendes System, das auf allem aufbaut, was die XX1 und XO1 so beliebt gemacht hat – und es noch verbessert. Auf dem Trail war vom Schalten nichts zu hören, die Gangwechsel waren in beide Richtungen knackig und präzise. Die SRAM Eagle wird auf dem OEM- und Nachrüstmarkt ein absoluter Knaller werden und wir sind gespannt, ob die Haltbarkeit uns genauso überzeugen kann. Ach, hatten wir eigentlich schon erwähnt, dass die Eagle 12 Gänge hat?
Noch mehr technischen Details gibt es in einem separaten Artikel: SRAM Eagle 12-fach Antriebsgruppe – Gewichte, Preise, Fakten
Text und Bilder: Trev Worsey
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