Das ENDURO Bewertungssystem im Detail erklärt
„Für wen ist dieses Bike gemacht?“ – diese Frage steht für uns über jeden Test. Damit ihr schnell erkennen könnt, ob ein Rad zu euch passt, visualisieren wir die Fahreigenschaften der Bikes am Ende eines jeden Tests. Hier erklären wir euch wie die einzelnen Punkte.
Uns ist wichtig, den Charakter eines jeden Bikes darzustellen, ohne dabei eine absolute Bewertung in Form einer Schulnote wie z. B. „super“ oder „sehr gut“ zu vergeben. Denn wir sind der Überzeugung, dass jeder Leser bzw. Biker – also ihr – unterschiedliche Ansprüche und Vorlieben hat und für sich erkennen soll, welches Rad zu einem passt und welches nicht. Alles andere wäre irreführend und nicht nur unfair gegenüber einigen Herstellern, sondern würde den Leser auch bevormunden. Gute Mountainbikes schaffen es, vermeintlich widersprüchliche Fahreigenschaften in sich zu vereinen, sodass sie z. B. sowohl verspielt als auch laufruhig sein können. Je höher das Rating ist, umso besser ist das Rad in diesem Bereich. Trotz des Ratings ist es wichtig, auch den Text zum Bike zu lesen – dort sind die Charaktereigenschaften des Bikes detailliert erklärt. Das Fahrverhalten der Bikes visualisieren wir mit einer Skala von 1–10.
Wichtig: Die Bewertung der Fahreigenschaften bezieht sich ausschließlich auf die Räder im Vergleichstest.
Die einzelnen Eigenschaften kurz erklärt
Uphill schwerfällig/effizient
Dieser Punkt beschreibt, wie effizient das Rad klettert. Es ist eine Kombi-Wertung aus sowohl einfachen wie technischen Uphills. Hier spielen neben dem Fahrwerk auch die Sitzposition und das Gewicht des Bikes eine entscheidende Rolle.
Agilität träge/verspielt
Wie verhält sich das Rad vor allem bergab? Wie leichtfüßig fährt sich das Rad? Wie agil ist es in Kurven, wie viel Fahrspaß vermittelt es in engen Sektionen und wie schnell setzt es Richtungswechsel um?
Laufruhe nervös/laufruhig
Ist das Rad bei hohen Geschwindigkeiten spurstabil? Bleibt es auch in anspruchsvollen Sektionen kontrollierbar? Wie sicher ist es auf verblockten Trails? Laufruhe ist eine Kombination aus einer gelungenen Geometrie, gutem Fahrwerk und einer durchdachten Ausstattung.
Handling fordernd/gutmütig
Hier geht es vordergründig darum, wie ausgewogen das Bikes ist und wie es sich vor allem in Kurven fahren lässt. Gutmütige Räder erfordern wenig Körpereinsatz vom Fahrer und sind sehr berechenbar. Ist ein Rad fordernd, muss man als Fahrer viel „arbeiten“, um z. B. ausreichend Druck und damit Grip am Vorderrad aufzubauen. Erfahrene Fahrer können allerdings auch mit fordernden Bikes sehr viel Spaß haben.
Fahrwerk unsensibel/feinfühlig
Wie feinfühlig spricht das Fahrwerk auf kleine Schläge an? Verhärtet es bei härteren Einschlägen und wie verarbeitet es schnelle, wiederholte Schläge? Ein feinfühliges Fahrwerk sorgt nicht nur für Komfort, sondern auch für Traktion und Sicherheit. Die Wertung ist eine Kombination der Performance von Federgabel und Hinterbau.
Fahrspaß langweilig/lebendig
Hier geht es aber vor allem um das Fahrwerk. Wie viel Pop hat es? Wie direkt gibt es den Input vom Fahrer weiter und wie dynamisch und lebendig fährt sich das Rad?
PreisLeistungs-Verhältnis schlecht/sehr gut
Die Preis-Leistung messen wir nicht anhand von Excel-Tabellen oder der Ausstattung eines Bikes. Uns geht es um die Performance auf dem Trail und die Benefits, die man als Fahrer von einem Bike erhält. Was nützen die besten Teile, wenn sich das Rad am Ende nicht gut fährt. Auch teure Bikes, die aber nur eine eher günstige Ausstattung haben, können eine sehr gute Preis-Leistung besitzen – vorausgesetzt sie überzeugen im Gelände. Gleichzeitig können vermeintlich preiswerte Bikes mit guten Komponenten hier schlecht bewertet werden, wenn sie auf dem Trail nicht überzeugen.
Exemplarisch hier zwei Ratings mit einer kurzen Beurteilung:
Der Einsatzbereich des Bikes
Wichtig: Wir sind der Überzeugung, dass moderne Mountainbikes sich nicht mehr anhand von Federweg oder Geometrie in klassische Kategorien einteilen lassen. Zu einer besseren und ehrlicheren Orientierung haben wir im Folgenden Einsatzbereiche anhand bekannter Kategorien definiert. Die Kategorien stellen dar, wie gut die Bikes für den jeweiligen Einsatzbereich taugen. Ein Bike muss nicht zwangsläufig in allen Einsatzbereichen überzeugen – oft ist eine Spezialisierung für einzelne Fahrer die bessere Wahl. Dennoch gelingt es sehr guten Bikes häufig, in mehreren Einsatzbereichen gut abzuschneiden. Die Räder fahren sich dann z. B. leichtfüßig bergauf und besitzen dennoch bergab enorme Reserven.
Cross Country (XC)
Nein, es geht nicht um Racing, vielmehr steht der Vortrieb im Fokus. Schnell, leichtfüßig und effizient – wer über flowige Singletrails und Schotterstraßen heizen möchte, braucht ein leichtfüßiges Bike, das stark im Antritt, effizient und definiert ist. Für den Trailspaß sind zuverlässige Komponenten dennoch wichtig. Wir interpretieren XC eher wie die Amerikaner: Kilometerfressen im Hinterland statt Marathon- oder XC-Worldcup mit Leichtbau am Limit! Uphill-Downhill-Verhältnis: 80 : 30 ( nicht immer muss alles 100 % ergeben!)
Trail …
…oder kurz: Mountainbiken. Klassische Singletrails mit Wurzeln, Steinen und kleineren Absätzen – manchmal flowig, manchmal eckig. Hierfür braucht es Bikes mit super Allround-Eigenschaften und Nehmerqualitäten bergauf wie bergab. Uphill-Downhill-Verhältnis: 50 : 50
Enduro
Im Vergleich zu Trails noch extremere und anspruchsvollere Strecken, gespickt mit jeder Art von Spielereien: Sprüngen, Absätzen, fiesen Stein- und Wurzelfeldern. Dafür braucht es (renn)erprobtes Material, das Fehler verzeiht und mit dem wir auch bei der Enduro World Series an den Start gehen könnten. Der Uphill ist lediglich Mittel zum Zweck. Uphill-Downhill-Verhältnis: 30 : 70
Downhill
Geht man klassisch an die Sache ran, wäre ein Downhill-Bike mit 200 mm Federweg die erste Wahl für gnadenlose Strecken mit großen Sprüngen, Drops und fiesem Gelände. Im Bikepark sind es die schwarzen bzw. Double-Black-Diamond-Strecken. Aber wie die EWS-Profis (darunter Sam Hill und Co.) beweisen, definieren die Skills der Fahrer und nicht das Bike, was man mit ihm fahren kann. Bergauf? Bitte mit dem Shuttle oder zu Fuß! Uphill-Downhill-Verhältnis: 10 : 90
Solltet ihr noch weitere Fragen zum Rating haben, schreibt mir einfach eine Mail an fstix@enduro-mtb.com
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Text: Fotos: Valentin Rühl, Christoph Bayer