Zurzeit üben wir uns auf dem Trail alle in Zurückhaltung. Doch sobald die aktuelle Krise vorbei ist, werden wir es wieder richtig krachen lassen! Um dann optimal geschützt zu sein, haben wir die neuen Bluegrass Armour Lite und Armour B&S D3O-Rückenprotektoren getestet.

Schutzausstattungen wie etwa Knie- und Ellenbogenprotektoren sowie Rückenprotektoren sind stets ein Kompromiss zwischen Schutz und Bewegungsfreiheit. Zu wenig Schutzwirkung bereut man bei einem Crash, zu viel kann unbequem sein und ironischerweise dazu führen, dass man mit größerer Wahrscheinlichkeit stürzt, da man sich weniger bewegen und so langsamer reagieren kann. Schaut man sich die Weltcup-Downhill-Elite an, würde man annehmen, dass die Fahrer und Fahrerinnen bei den irren Geschwindigkeiten jedes erhältliche Teil an „Rüstung“ tragen, ganz wie ein Ritter im Mittelalter. Aber nein – sie nehmen es mit den härtesten Strecken der Welt auf und werden dabei nur von wenigen Protektoren und ihrer sehr guten Selbsteinschätzung geschützt. Sind sie verrückt? Na ja, vermutlich schon, aber Bewegungsfreiheit ist schlicht essenziell für Fahrsicherheit und obendrein sind sie durchtrainiert bis in die Haarspitzen. Jeder Fahrer muss für sich selbst einschätzen, welches Maß an Schutz er tragen will. Ob man dabei einen Fullface-Helm auf einfachen Trails trägt oder einen Halbschalenhelm im Bikepark – solange man die Vor- und Nachteile für sich persönlich abgewogen hat, gibt es keinen Grund zur Diskussion.

Protektoren müssen stets die optimale Balance zwischen Schutzwirkung und Bewegungsfreiheit besitzen, und der Bluegrass Armour Lite (im Bild) ist so bequem, dass man nahezu vergisst, ihn überhaupt zu tragen

Die neuen Bluegrass Armour Lite und Armour B&S D3O-Rückenprotektoren

Bluegrass hat kürzlich zwei neue Rückenprotektoren veröffentlicht, die ein gewisses Maß an Schutz bei gleichzeitig hoher Bewegungsfreiheit bieten sollen. Die leichteste Option ist hierbei der 130 € teure Armour Lite (lediglich 410 g in Größe Small). Er besteht aus einer eng anliegenden, offenmaschigen Weste aus Mesh-Gewebe und verfügt über einen integrierten, simplen dreilagigen Level 1-Rückenprotektor aus EVA-Schaum. An der unteren Rückseite befinden sich drei Taschen, die gerade groß genug sind, um darin ein Multitool, einen Schlauch sowie Snacks unterzubringen. Euer Smartphone könnt ihr in der zentralen Tasche verstauen – aber wahrscheinlich würde es dort kaputt gehen, wenn ihr darauf landet. Der Armour Lite besitzt außerdem Platz für eine Trinkblase. Wenn ihr etwas mehr Schutzwirkung sucht, dann ist für 190 € der Armour B&S D3O eine gute Option (710 g in Größe Small). Er verfügt über das gleiche Design mit der eng anliegenden Weste inklusive Taschen, zusätzlich jedoch über herausnehmbare D3O-Schulterpolster, einen Level 1-D3O-Rückenprotektor und weiche Polster am Brustkorb.

Der Rückenprotektor sitzt äußerst sicher und komfortabel und störte bei unseren Tests auch nicht beim Tragen eines Fullface-Helms
Beide Protektor-Westen sind so geschnitten, dass sie eng am Körper anliegen und entweder direkt auf der Haut oder über einem Base-Layer getragen werden
Der Bluegrass Armour Lite ist ein minimalistischer Protektor (links), wohingegen der Armour B&S D3O noch etwas mehr Schutz bietet (rechts)

Der Unterschied zwischen Level 1- und Level 2-Rückenprotektoren

Alle Rückenprotektoren, die die CE-Zertifizierung erfüllen, werden getestet, indem ein 5 kg schweres Gewicht mit einer Energie von 50 Joule neunmal hintereinander auf die Rückenplatte trifft. Dabei wird die beim Aufprall auf den Körper übertragene Restkraft gemessen. Je weniger Energie weitergegeben wird, desto mehr Schutz bietet der Rückenprotektor.

Level 1-Protektoren: Die maximal übertragene Kraft muss im Schnitt unter 18 kN betragen und kein einzelner Messwert darf 24 kN überschreiten.

Level 2-Protektoren: Die maximal übertragene Restkraft muss im Schnitt unter 9 kN betragen und kein einzelner Aufprall darf 12 kN überschreiten.

Beide Bluegrass-Protektoren verfügen über Level 1-Protektoren. Der Armour B&S D3O nutzt eine flexible D3O-Einlage (links), wohingegen der Bluegrass Armour Lite über ein leichteres, aber weniger flexibles und simples EVA-Polster verfügt (rechts).

Level 2-Protektoren bieten noch mehr Aufprallschutz. Allerdings sind sie erheblich dicker und schwerer, was man vor einer Anschaffung bedenken sollte.

Der neue Bluegrass Armour Lite-Rückenprotektor im Test

Wir waren ungefähr drei Monate sowohl mit dem Bluegrass Armour Lite- als auch dem Armour B&S D3O-Rückenprotektor unterwegs. Zugegeben: Unser Tester ist nicht gerade ein großer Fan von Rückenprotektoren, da die meisten Trails vor seiner Haustür nur mittels Bike und nicht per Lift oder Shuttle zu erreichen sind und noch dazu über steile, schweißtreibende Anstiege verfügen. Während des Testens kristallisierte sich allerdings schnell ein klarer Favorit heraus: Der 130 € teure Armour Lite, der sich als atmungsaktiv und komfortabel genug selbst für ganztägige Bike-Abenteuer erwies und genug Schutz bietet, um auch einem Abflug über den Lenker den Schrecken zu nehmen. Seine Taschen fallen ziemlich klein aus, sind aber ideal geeignet für einen Trail-Snack. Wir probierten auch das 1,5 l-Trinksystem aus und das Ganze funktionierte ausgezeichnet – die Witze über den Buckel, den man damit bekommt, ignorierend. Allerdings ist das Material ein wenig dehnbar und wenn man sehr aktiv fährt und den Oberkörper hin und her wirft, schaukelt die Trinkblase etwas. Die Rückenplatte fiel zwar ein Stück zu kurz für unseren Tester und seinen langen Rücken aus, schützt jedoch den wichtigsten mittleren/oberen Bereich des Rückens, der den Aufprall bei einem Crash am stärksten abbekommt. Absolut überzeugt sind wir von der Passform und dem verwendeten Material, das überaus atmungsaktiv und trotzdem stabil genug ist, damit die Rückenplatte bei einem Sturz nicht verrutscht.

Der Bluegrass Armour Lite wurde schnell zum absoluten Favoriten – sein eng anliegendes Design sorgt dafür, dass man schnell vergisst, ihn überhaupt zu tragen
Das offenporige Mesh-Gewebe ist äußerst atmungsaktiv
Die kleinen Taschen (die zentrale verfügt über einen Reißverschluss) sind groß genug für ein Multitool oder einen Trail-Snack

Der Armour Lite ist eine exzellente Wahl für all jene, die sich erheblich mehr Schutz wünschen, als es ein bloßes Jersey bieten kann, ohne dafür jedoch Bewegungsfreiheit zu opfern. Selbst unser Rückenprotektoren-hassender Tester wurde bekehrt.

Tops

  • exzellenter Schnitt, dadurch komfortabel und atmungsaktiv
  • uneingeschränkte Bewegungsfreiheit
  • man vergisst, dass man die Weste überhaupt trägt

Flops

  • geringere Schutzwirkung als dickere Polster
  • unbequem zusammen mit einem Rucksack – wie alle Rückenprotektoren

Mehr infos gibt es auf der Bluegrass Webseite

Der Armour B&S D3O-Rückenprotektor im Test

Auch wenn er noch immer minimalistisch ausfällt, fühlt sich der 190 € teure Armour B&S D3O-Rückenprotektor – verglichen mit dem Armour Lite – weitaus voluminöser an, vor allem bei Verwendung der herausnehmbaren D3O-Schulterpolster. Die Positionierung der Schulterpolster ist absolut gelungen und die Pads schweben geradezu über den Schultern. Dadurch bieten sie vollen Bewegungsspielraum, ohne jedoch bei einem Crash zu verrutschten oder unter den Achselhöhlen zu verschwinden. Die Weste trägt nicht stark auf und man kann sie problemlos unter einem Jersey tragen, ohne dabei wie ein American Football-Spieler auszusehen. Die weichen Polster auf der Brust fühlen sich etwas weniger atmungsaktiv an. Top für alle, die einen Fullface-Helm tragen: Die Oberkante der Rückenplatte ist so positioniert, dass sie dem Helm nicht in die Quere kommt – oftmals ein Problem bei Rückenprotektoren. Nach einigen längeren Tagen im Armour B&S D3O waren wir beeindruckt davon, wie bequem der Protektor ist und wie stabil er sitzt. Das Fehlen eines Hüftgurts erhöht zudem den Komfort beim Pedalieren, was für schlanke Fahrer gut ist. Doch wer etwas beleibter ist, wird die Erfahrung machen, dass die Front der Weste ein wenig hochrutschen kann.

Der Bluegrass Armour B&S D3O verfügt über weiche Polster an der Brust für zusätzlichen Schutz
Die D3O-Schulterpolster lassen sich schnell entnehmen und die Weste kann auch ohne Pads getragen werden
Beim Fahren schweben die gut sitzenden Schulterpolster regelrecht über den Schultern und vermitteln daher kein einschränkendes Gefühl

Alles in allem bietet der Bluegrass Armour B&S D3O eine sehr gute Balance zwischen Komfort und Schutz. Auch wenn der Armour Lite unser persönlicher Favorit ist, kann der Armour B&S D3O die bessere Wahl für Fahrer sein, die häufig Lifte und Shuttles nutzen.

Tops

  • Position des Schulterpolsters ist perfekt
  • hohes Maß an Schutz bei großem Bewegungsspielraum

Flops

  • zu massiv, wenn man viel selbst pedaliert – hierfür würden wir den Armour Lite bevorzugen
  • wie alle Rückenprotektoren in Verbindung mit einem Rucksack unbequem

Mehr infos gibt es auf der Bluegrass Webseite

Fazit

Der beste Rückenprotektor nützt euch bei einem Sturz wenig, wenn ihr ihn im Auto gelassen habt, weil er einfach zu unbequem oder warm ist. Mit den neuen Armour Lite und Armour B&S D3O-Rückenprotektoren hat Bluegrass auf ein wenig Schutzwirkung verzichtet (erkennbar an der Level 1-Zertifizierung anstelle von Level 2), um im Gegenzug jedoch die Bewegungsfreiheit und den Tragekomfort zu maximieren. Für alle, die sich ihre Abfahrten auf langen Anstiegen verdienen, vermittelt der Armour Lite fast ein Gefühl,als wäre er nicht da – und dennoch dürfte er die Konsequenzen eines Sturz über den Lenker erheblich verringern. Wenn ihr allerdings das Glück habt, direkt neben einem Bikepark zu leben, dann ist der Armour B&S D3O die vielseitigere Alternative mit zusätzlichen Brust-Protektoren und herausnehmbaren Schulterprotektoren.


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