DI.A 2015 Breakout Sessions | Racing oder einfach nur Spaß?
Wer sich als Racer bezeichnt, nimmt das Ganze meist richtig ernst und geht im Wettkampfmodus voll auf. Was mich persönlich am Rennenfahren begeistert, ist die Anspannung und die Herausforderung und obwohl ich nur ein Hobbyfahrer bin, denke und fühle ich häufig wie ein Profi. Ich trainiere fleißig und ernähre mich gesund – das alles nur für die Rennen. Sie halten mich fit und befriedigen meinen Drang nach Acton . Um es mit den Worten von Steve McQueen auszudrücken: „Racing is life, anything before or after is just waiting“
Aber natürlich gibt es auch die Tage, an denen man mit seinen Kumpels einfach nur biken geht. Dann kommt einem der ganze Rennzirkus irgendwie absurd vor. Eine verrückte Sekundenjagd, die nicht viel mit dem zu tun hat, was man gerade macht. Natürlich profitiert man auch auf solchen Ausflügen von der im Training erlangten Fitness und man kann lange Touren besser genießen. Aber so sehr ich mich auch für das Rennen fahren begeistern kann, manchmal hasse ich es. Ich hasse die Momente, in denen ich total unentspannt bin und in denen ich mich selbst so sehr unter Druck setze, dass es schon einer Selbstzerstörung gleichkommt. Solche Momente erlebe ich auf einer Genusstour nie. Hier steht immer der Spaß im Vordergrund.
Klar gibt es auch spaßige und besondere Rennen. Trotzdem: Im Grunde mag ich das Training mehr als die Rennen an sich. Denn es gleicht mehr einer spaßigen Trailtour als dem Raceday mit knappen Transferzeiten und immer nur Renntempo. Ich male mir oft aus, wie es wäre, ein Rennen genauso entspannt zu fahren, wie eine Tour. Ich bin mir sicher, ich würde besser Fahren und hätte mehr Spaß, nur weil ich weniger angespannt wäre.
Eigentlich wäre also der logische Schritt für mich, mit dem Rennen fahren aufzuhören. Aber ist das wirklich der Schlüssel zu grenzenlosem Bikespaß?
Nun, genau das habe ich ausprobiert und der Effekt war eher gegenteilig. Meine Trainingsmotivation war so gut wie dahin und ist einer Art Ziellosigkeit gewichen. Seither weiß ich, dass für mich das Eine nicht ohne das Andere funktioniert.
Einerseits brauche ich die Rennen. Durch sie bleibe ich fokussiert und durch das regelmäßige Training habe ich auch auf Genusstouren mehr Spaß. Diese Touren brauche ich wiederum, um mich für die nächsten Rennen zu motivieren. Schlussendlich dreht sich doch alles nur ums Biken. Auch wenn ein Rennen einmal nicht so gut lief, sei es, weil es zu hart war, oder ich einfach nur einen schlechten Tag erwischt hatte; in den Wochen danach wird mir immer bewusst, wie gut es doch eigentlich war. Die schlechten Seiten werden einfach ausgeblendet und ich erinnere mich ausschließlich an die guten Zeiten auf und abseits der Strecken.
Es hat mich schon immer interessiert, wie andere Fahrer mit dieser Situation umgehen. Beim dem Design & Innovation Award 2015 in Italien konnte ich die drei Juroren Manuel Fumic, Nico Lau und Vali Höll zu diesem Thema befragen.
Manuel: “Aufgrund meines Trainingsplanes und meinem Ehrgeiz, mich laufend zu verbessern, bleibt mir für entspannte Touren unter Freunden tatsächlich nicht allzu viel Zeit. Aber es tut immer wieder gut, wenn sich einmal die Gelegenheit dazu bietet. Biken ist nun mal ein sozialer Sport und den meisten Spaß hat man dabei in Gesellschaft. Man kommt raus in die Natur, raus aus dem Stress und hat man die anfängliche Steifigkeit erst überwunden, ist man plötzlich entspannt und kann die Tour vollauf genießen. Es ist ein wenig, als würde man in eine andere Welt abtauchen. Wenn man dieses Gefühl einmal erlebt hat, will man es nicht mehr missen. Mittlerweile fahren wir Rennen auf Worldcupniveau und alle Fahrer haben nur ein Ziel, nämlich immer das Beste zu geben. Da bleibt zwischen den ganzen Terminen der Serie leider keine Zeit mehr für Genusstouren oder Amateurrennen. Ich finde das sehr schade, da ich bei solchen Unternehmungen doch immer sehr viel Spaß hatte.”
Nico: “Mit Freunden Biken zu gehen und seine Erlebnisse zu teilen, ist in meinen Augen enorm wichtig. So bin ich überhaupt zu diesem Sport gekommen. Wenn man aber eine ganze Saison lang alles gibt, und ständig an seine Grenzen geht, ist es oft schwer, auf einer Tour auch mal einen Gang runterzuschalten. Wobei ich das auch gut finde, weil ich dabei immer an meine Anfänge erinnert werde. Ich liebe es, in den Rennen an meine Grenzen zu gehen oder diese zu überschreiten. Aber genauso bin ich auch, wie jetzt in der Offseason, für ein paar chillige Ausfahrten zu haben. Im Rennbetrieb fühlt man immer einen gewissen Druck. Man kann nicht einfach eine „kreativere“ Linie wählen oder einen Sturz riskieren, schließlich lebt man ja davon. Auf meinen ersten Rennen ging es darum, das Gehirn auszuschalten! Später habe ich meine besten Ergebnisse eingefahren, wenn ich entspannt war und Spaß hatte und heute bin ich am besten, wenn das Drumherum stimmt.
Dazu gehören passende Rahmenbedingungen und Streckenführung, eine spannende Atmosphäre und nicht zuletzt auch ein gutes Karma. Sind diese Punkte erfüllt, fühle ich mich fast unschlagbar. Endurosport ist nicht zuletzt auch eine Frage der mentalen Stärke. Tritt irgendetwas Außergewöhnliches in Dein Leben, so ist es sehr schwer, dieses sehr hohe Niveau halten zu können. Die langsameren Fahrer kommen alle aus sehr unterschiedlichen Bereichen, die untereinander nicht vergleichbar sind, aber alle der Topfahrer haben unheimlich viel Spaß. Man sieht das sehr gut auf den Transfers, auf denen sie sich gegenseitig Ihre Geschichten erzählen. Ich fahre selbst in Rennen manchmal Linien, die zwar nicht die schnellsten sind, aber dafür spaßiger. Denn ich weiß: Nur wenn ich Spaß an der Sache habe, kann ich meine volle Leistung abrufen – so kamen auch meine besten Ergebnisse zu Stande.”
Vali: “Mit Freunden zu fahren ist definitiv spaßiger, da man viel entspannter ist und nicht auf den Punkt konzentriert sein muss. Man kann herumspielen, Sprünge whippen oder auch mal etwas Neues ausprobieren. Natürlich verdient man als Profi Geld. Vorher haben ja meine Eltern das alles bezahlt. Es ist schon ein großer Vorteil, wenn einem ein potenter Sponsor wie zum Beispiel Red Bull oder Monster Engery vieles abnimmt, was einen noch zusätzlich belasten würde. Dadurch wächst aber auch der Druck, in einem Rennen nicht zu stürzen, da ein Sieg plötzlich einen viel höheren Stellenwert besitzt.”
Es scheint also, dass die Frage nach der richtigen Balance zwischen Rennen und “nur-zum-Spaß-Fahren” nicht allgemein beantwortet werden kann. Letztlich muss jeder, egal ob Vollblut-Racer oder Hobbypilot, für sich selbst entscheiden was er braucht, um in dem Sport glücklich zu werden. Solange man mit Spaß bei der Sache ist, hat man sein Gleichgewicht gefunden.
Text: Jim Buchanan Bilder: Trev Worsey und Christoph Bayer
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