ENDURO Dauertest 2015 | First Ride: YETI SB6c X01
Vor ungefähr zwei Monaten war es endlich soweit und ich konnte mein langersehntes Testbike für die kommende Saison in Empfang nehmen: ein Yeti SB6C, das wir bereits hier kurz vorgestellt haben. Als ich das Teil zum ersten Mal sah, war ich schlicht und ergreifend überwältigt. Mit seinen wuchtigen Carbonrohren wirkt es fast schon bedrohlich und in seinem hochglänzenden Türkis, Yetis Markenzeichen, sticht es einem schon von Weitem ins Auge. Nachdem sich Jared in der vorigen Saison der EWS mit diesem Gerät aufs Siegerpodest katapultiert hat und ich bereits in den Genuss kam, das ebenfalls großartige SB5C zu testen, war ich nun äußerst gespannt, wie sich der große Bruder wohl machen wird.
Wenn du Interesse am Yeti hast, lies auch den SB6c Vergleichstest.
In den vergangenen Wochen konnte ich das Rad bereits ausgiebig testen. Ich war damit unter anderem auf dem höchsten Berg Schottlands, habe mich mit ihm wagemutig die walisischen Downhills hinabgestürzt und die schottischen Highlands wieder hochgequält und sogar ein sechsstündiges XC-Ausdauerrennen bestritten. Und nun ist es Zeit für ein erstes Fazit über dieses wahrhaft großartige Bike.
Aufbau
Natürlich wird ein Bike dieser Preisklasse fahrfertig angeliefert. Um mit den speziellen Bedingungen Schottlands besser zurechtzukommen, habe ich dennoch einige Anpassungen vorgenommen. Als erstes wurden die Reifen ersetzt. Der serienmäßige HighRoller II von Maxxis ist ein sehr guter Allrounder und kommt mit den meisten Belägen sehr gut zurecht. Doch der vergangene, außerordentlich nasse Winter hatte es in sich und so mussten sie einem Satz neuer Shortys, ebenfalls von Maxxis, weichen. Diese sind dem HighRoller II in Sachen Nassgrip und Selbstreinigung deutlich überlegen. Auch die Seriengriffe des Yeti haben mich nicht sonderlich zufriedengestellt. Sie verfügen über nur eine Klemme und neigen dazu, sich bei einer härteren Gangart zu verdrehen. Ein Satz Hope Lock-on-Griffe hat dieses Problem rasch und unkompliziert beseitigt und das Bike fühlt sich nun wesentlich sicherer an.
Der Rest der Komponenten ist gut gewählt. Auch wenn mich der SRAM-Antrieb im tiefen Schlamm manchmal an den Rand der Verzweiflung gebracht hat, weil das untere Schaltröllchen, das manchmal eine narrow-wide-Position übersprungen und dabei ein grauenvolles Geräusch gemacht hat. Aber abgesehen davon verrichten alle Komponenten bis jetzt fehlerfrei ihren Dienst. Die DT Swiss-Laufräder laufen seidenweich und der Leerweg des Freilaufs ist minimal. Das Cockpit, bestehend aus einem 800 mm breiten Lenker und einem 50-mm-Vorbau, kommt meiner aggressiven Fahrweise gut entgegen und die zuverlässigen XT-Bremsen sind zwar mitunter etwas schwer zu dosieren, verzögern aber erstklassig.
Nach mittlerweile über 300 km in rauem Geläuf sah sich der Rahmen natürlich einigen gröberen Schlägen ausgesetzt, die er aber bis auf einige kleinere Lackspuren schadlos weggesteckt hat. Einmal habe ich mit der Kettenstrebe bei voller Fahrt und einer, sagen wir, „ambitionierten Linienwahl“ einen großen Felsen gestreift – das Geräusch dabei war grauenvoll und ich befürchtete das Schlimmste. Aber selbst bei genauester Betrachtung war außer eines tiefen Kratzers kein gröberer Schaden auszumachen. Bleibt noch zu erwähnen, dass sich der aufgeklebte Schutz an der Kettenstrebe langsam ablöst, aber davon abgesehen sieht der Rahmen noch weitgehend unversehrt aus.
Zum Switch Infinity-System gibt es an sich nicht viel zu sagen, außer dass ihm zahllose Schlammpackungen gepaart mit anschließender Hochdruckreinigung nichts anhaben konnten. Ehrlich gesagt ist das System so einfach wie wirkungsvoll und ich wüsste nicht, was daran Probleme bereiten könnte.
Fahrwerk
Mit meinem Körpergewicht von 75 kg liege ich ziemlich im Mittel und so habe ich mein Setup mit ca. 20 % an der 36er FOX-Gabel und mit ca. 30 % am FOX Float X-Dämpfer im Heck des Yeti gestartet . Durch die für meine Begriffe etwas zu lineare Kennlinie des Hinterbaus war die resultierende Bodenhaftung zwar enorm, das Bike selbst aber wirkte dadurch besonders beim Herausbeschleunigen aus Kurven weniger lebendig. Deshalb habe ich den Druck gesenkt und mit einem Sag von 25 % experimentiert, doch mit diesem Wert agierte der Hinterbau nicht mehr so feinfühlig und so werde ich wieder auf die ursprünglichen 30 % Sag zurückgehen und stattdessen einen Volumenspacer verbauen, um die Kennlinie etwas steiler zu bekommen. Damit das Fahrwerk nicht unharmonisch wirkt, wird an der Gabel ebenfalls ein Volumenspacer verbaut.
Klettereigenschaften
Ich muss sagen, dass mich am Yeti SB6C die hervorragende Pedaleffizienz am meisten überrascht hat. Nie musste ich mich mit der kraftraubenden, zähen Trägheit, die man von anderen Vertretern dieser Kategorie zur Genüge kennt, herumschlagen. Diese Bike ist der pure Vortrieb! Es sprintet bergauf mit dem einzigen Ziel, dich möglichst schnell auf den Gipfel zu bringen. Das SB6C verfügt über die gleichen Bergaufqualitäten wie sein Vorgänger, das SB66, geht dabei aber deutlich aggressiver zu Werke. Ich habe mit dem Yeti viele Stunden und Tage in den Bergen verbracht und dabei keine Sekunde den Wunsch nach einem traillastigeren Bike verspürt. Bei einer Körpergröße von 1,80 m habe ich zwischen den Rahmengrößen M und L geschwankt, aber selbst das Bike in Größe M verfügt mit seinem langen Oberrohr über eine äußerst angenehme Bergaufgeometrie.
Dabei bleibt der FOX Float X im Heck stets aktiv. Bereits auf den ersten Millimetern des Federwegs reagiert er sensibel auf kleinste Hindernisse und gibt zu jeder Zeit präzise Auskunft über die Beschaffenheit des Untergrunds. Auch das leichte Wippen, das bei schnellen Sprints im Wiegetritt spürbar ist, lässt keinen Zweifel an der Effizienz des Hinterbaus aufkommen. Natürlich zählen verwinkelte technische Anstiege nicht zu den Königsdisziplinen eines Bikes mit 65°-Lenkwinkel, aber mit der nötigen Kraft in den Beinen kommt man mit dem Yeti nahezu überall hoch.
Kurven
In Kurven schlägt die große Stunde des SB6C und dort kann es auch seine Race-Gene nicht mehr länger verleugnen. Wie ein Hase auf der Flucht schlägt es bei Bedarf blitzschnell einen Haken nach dem anderen. Ganz egal mit welcher Geschwindigkeit man am einem Ende der Kehre einfährt, der Switch Infinity-Hinterbau des Yeti sucht – und findet – stets Grip und spuckt einen zielsicher am anderen Ende wieder aus. Das Kurvenverhalten des Yeti ist perfekt. Ob man das Bike belastet und einen schönen Bogen fährt, oder ob man das Hinterrad kontrolliert driften lässt, stets zeigt sich das Yeti souverän, ausgeglichen und zu jeder Zeit jeder Situation gewachsen. Dazu trägt auch die 36er FOX-Gabel maßgeblich bei, die mit dem FOX Float X wirklich hervorragend harmoniert. Besonders im mittleren Bereich des Federwegs gibt sich das SB6C so derartig ausgeglichen, dass sich Kurven damit besser und vor allem schneller durchfahren lassen, als man es von einem Bike mit dieser Geometrie erwartet hätte.
Abfahrt
Kommen wir nun zu dem Punkt, den bereits unzählige Magazine wiedergekäut haben. Aber was soll man auch anderes schreiben als die Wahrheit? Fakt ist: Bergab geht das Yeti wie ein Biest. Einem Jagdhund gleich, der Witterung aufgenommen hat, zieht es unbeirrbar seine Linie durch jegliches Terrain. Dabei baut der Hinterbau mit dem Switch Infinity-System derartig viel Grip auf, dass es manchmal schon unheimlich wirkt. Ein Losbrechmoment ist quasi nicht vorhanden und fast hat man das Gefühl, einen Coildämpfer zu fahren. Kleine Unebenheiten werden wirkungsvoll gefiltert und selbst gröbste Schläge einfach geschluckt. Das Yeti weicht vor nichts zurück und so beginnt man fast, ein wenig faul zu werden, weil man sich über die richtige Linienwahl so gut wie keine Gedanken machen muss. So einfach kann Downhill sein. Linie verkorkst? Egal, draufhalten. Felssektion voraus? Egal, draufhalten. Immer wenn man das Gefühl hat, es könnte brenzlig werden, spielt das Yeti seine ganze Souveränität aus. Dazu braucht es aber auch die nötige Geschwindigkeit und so will das SB6C ständig auf Zug gehalten werden.
Was mir bislang nicht ganz so gut gefällt, ist die enorme Sensibilität in Kombination mit der sehr linearen Hinterbaukennlinie, was dazu führt, dass sich das Bike auf schnellen Abschnitten etwas indirekt anfühlt. In den kommenden Wochen und Monaten werde ich mich aber des Problems annehmen und ein wenig mit dem Luftvolumen des Dämpfers experimentieren. Ziel ist, ein Setup zu finden, das mir etwas mehr Feedback auf Highspeedpassagen vermittelt.
Fazit
Zugegeben, die Beziehung zwischen mir und dem SB6C ist noch jung und vielleicht ist es auch noch etwas früh für ein erstes Resümee, aber ich komme nicht umhin zu sagen, dass wir ein sehr gutes Team abgeben. Schließlich sind wir bei einem 6-Stunden-Ausdauerwettbewerb auf einem Podiumsplatz gelandet. Mit seinen hervorragenden Uphilleigenschaften sowie den Qualitäten eines Minidownhillers verfügt es über eines der besten Federungssysteme am Markt und dabei wiegt das Gesamtpaket unter 14 kg. Einziger Wermutstropfen bleibt wohl der exorbitante Einstandspreis von 6.800 €. Dafür erhält man aber auch etwas, das dem „Ein Bike für alle Fälle“-Gedanken schon sehr nahe kommt. Und eines steht fest: Die bevorstehende Rennsaison mit dem Yeti an meiner Seite wird auf jeden Fall der Hammer. Wir halten euch auf dem Laufenden.
Wenn du Interesse am Yeti hast, lies auch den SB6c Vergleichstest.
Text: Trev Worsey Bilder: Catherine Smith
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