ENDURO Dauertest 2015 | Juliana Roubion – “Eine neue Liebe”?
“Egal was du vor hast, das Roubion kommt bestens damit klar!“Das Behauptet zumindest der Hersteller und natürlich werde ich diese Aussage nicht ungeprüft so stehen lassen. Kommende Saison mache ich mich auf nach Neuseeland und Europa, um diese Bike auf den verschiedensten Trails beider Kontinente ausgiebig zu testen.
Hauptsächlich fahre ich Endurorennen. Daran wird sich auch im kommenden Jahr nichts ändern. Ich werde an den meisten Rennen der Enduro World Series (EWS) teilnehmen und sofern der Zeitplan es zulässt, noch einige weitere Endurorennen in Europa bestreiten. Am liebsten mag ich abwechslungsreiche Strecken mit steilen Passagen, abschüssigen Abschnitten und parkähnlich geshapten Elementen – schließlich soll der Fahrspaß ja nicht zu kurz kommen.
Das Roubion, so der Hersteller weiter, „vereine die Stärken eines Bronson mit dem Spirit von Juliana“. Juliana ist eine Schwesterfirma von Santa Cruz. Diese Fusion kam zustande, da Santa Cruz bei der stetig wachsenden Zielgruppe weiblicher Endurofahrer gezielt Fuß fassen wollte. Aber was für ein Bike erwartet mich nun genau? Ist es ein einfach ein Santa Cruz Bronson, schließlich sind die Rahmen ja identisch? Oder verändert machen die von Juliana gewählten Anbauteile das Roubion zu einem eigenständigen Bike mit anderer Charakteristik? Und was ist eigentlich der beworbene “Spirit von Juliana”, macht er wirklich einen spürbaren Unterschied? Fragen über Fragen. Ich hoffe, das kommende Jahr hält die Antworten bereit.
Wie bereits in der Bikevorstellung erwähnt, zielt das Roubion voll und ganz auf Endurofahrerinnen ab. Mit Carbonrahmen, 150mm Federweg, 650b Laufrädern, SRAM X01-Antrieb und Shimano-Bremsen lässt es in Puncto Ausstattung keine Wünsche offen. Die verbauten Komponenten sind sinnvoll ausgewählt und machen das Roubion „ready to race“. Der farblich abgestimmte ENVE Laufradsatz, die Maxxis High Roller sowie die 125mm Reverb Stealth bestätigen diesen Eindruck. Ein bewährte Kombination aus Rock Shox Pike und Cane Creek DB Air CS runden schließlich das stimmige Gesamtpaket ab.
Für die Verzögerung sorgt ein Satz Shimano XT Bremsen mit IceTech Scheiben.
Der Antriebsstrang besteht aus SRAMs zuverlässigen 1×11 XO1-Komponenten, ergänzt um ein 32er Kettenblatt und RaceFace Turbine-Kurbeln.
Lenker, Griffe und Sattel kommen von Juliana selbst. Ersterer fällt mit einer Breite von 720mm etwas schmal aus; die schlanken Griffe und der Sattel sind ausreichend komfortabel. Der für ein Endurobike in meinen Augen ungewöhnlich lange 70mm Vorbau war eines der ersten Teile, die ich ausgetauscht habe. Überhaupt wurden im Zuge der „Personalisierung“ nach und nach viele Anpassungen vorgenommen, die mein Vertrauen in dieses an sich potente Bike zunehmend erhöhten und meine Fahrweise positiv beeinflussten, was sich wiederum in besseren Rundenzeiten bemerkbar machte.
Bereits in der Serienausstattung fährt sich das Rad so gut wie es aussieht. Der tadellos verarbeitete Carbonrahmen mit den kurzen Kettenstreben vermittelt eine gute Beschleunigung und verleiht dem Bike insgesamt einen verspielten Charakter. Bergauf lässt es sich äußerst effizient pedalieren, was in erster Linie dem antriebsneutralen Hinterbau und der Climb Switch-Funktion am Dämpfer zuzuschreiben ist. Die Sitzposition ist angenehm komfortabel. Allerdings war sie in meinem Fall bei einem Rahmen Gr. M und einer Körpergröße von 1,63m zu gestreckt. Abhilfe schaffte hier die Montage eines kürzeren Vorbaus. Auch die Lage des Oberrohrs erschien mir in dieser Größe anfangs etwas hoch. Mittlerweile habe ich mich jedoch daran gewöhnt und ich finde es so angenehmer zu fahren, als in gekrümmter Position auf einem kleineren Rahmen. Überhaupt wirkt der Rahmen in Größe M sehr kompakt, und ich war überrascht, dass ich mich darauf von Anfang an sehr wohl fühlte. Normalerweise wähle ich bei anderen Herstellern immer einen Rahmen in Größe S.
Das Standardsetup des Dämpfers war für mein Gewicht von 57 kg etwas straff ausgelegt. Um etwas mehr Sensibilität bei kleineren Schlägen zu erreichen, musste ich den Luftdruck reduzieren, was jedoch dazu führte, dass der Dämpfer durch den Federweg rauschte. Nach vielen Versuchen und Testrunden, habe ich nun ein Setup gefunden, mit dem ich auf allen Strecken sehr zufrieden bin. Im Wesentlichen fahre ich nun weniger Druck (ca. 96psi), weniger Low Speed Druckstufe für mehr Sensibilität und etwas mehr High Speed Druckstufe für besseren Durchschlagschutz. Die Zugstufe wurde im Lowspeedbereich etwas verringert und im Highspeedbereich etwas hochgeregelt. So fühlt sich der Hinterbau im ersten Drittel des Federwegs sehr lebendig an und kickt mich bei großen Schlägen dennoch nicht aus den Pedalen.
Die Abstimmung der Pike dagegen war keine große Sache. Ich fahre die Gabel mit 50psi. Außerdem habe ich die lowspeed Druckstufe etwas zugefreht um zu starkes Eintauchen beim Bremsen oder in engen Kehren zu vermeiden.
Nach dem ersten Kennenlernen stand dann Feintuning auf dem Programm.
An Rahmen und Federelementen gab es nichts auszusetzen. Gabel und Dämpfer sind robust, wartungsarm und scheinen auch mit den widrigsten Bedingungen gut zurechtzukommen. Die RockShox Pike ist für eine Gabel dieser Gewichtsklasse erfreulich steif und funktioniert so souverän, wie vom Hersteller angepriesen. Der Cane Creek Dämpfer bietet unzählige Einstellmöglichkeiten um auch noch das letzte an Leistung aus dem Hinterbau herausholen zu können. Den Service an Gabel und Dämpfer überlies ich den Spezialisten von TFTune, die ihren Job bisher tadellos erledigt haben.
Der 70mm-Vorbau hingegen wurde sofort gegen ein 35mm AM/Freeride Modell von Hope ersetzt. Was hat ein 70mm-Vorbau an einem Bike verloren, das laut Hersteller im AM/Enduro Segment angesiedelt ist? Juliana muss sich hier die Frage gefallen lassen, wie ernst sie das Thema Enduro wirklich nehmen…
Als nächstes waren die Reifen an der Reihe. Anstatt der serienmäßigen Maxxis High Roller fahre ich aktuell einen Schwalbe Magic Mary vorne und einen Vee Tyre Crown Gem hinten. Der Magic Mary ist für mich der beste Allrounder und bietet ausreichend Grip bei unterschiedlichsten Verhältnissen. Hinten fiel die Wahl auf den Crown Gem, da er ausgesprochen leicht rollt und zumindest bei trockener Strecke ausreichend Halt bietet. Dies macht ihn für die EWS Eröffnungsrunde in Neuseeland zu meiner ersten Wahl.
Womit wir schon beim Laufradsatz wären. So großartig die ENVE Räder auch aussehen und so unübertroffen ihre Fahreigenschaften sein mögen, eines sind sie sicher nicht: wartungsfreundlich! Um eine Speiche nachzuziehen oder zu wechseln muss man den Reifen demontieren, die Tubelessmilch ablassen und das Felgenband entfernen(!). Erst dann kann man mit einem speziellen ENVE Werkzeug den tief im Felgenbett versenkten Speichennippel erreichen. Einfach geht anders. Zudem sitzen die Reifen sehr fest auf den Felgen, sodass ein Wechsel schnell zeit- und kraftaufwändig werden kann. Diese Dinge sollte man im Hinterkopf behalten wenn man vorhat, als Amateurfahrer diese Laufräder im Wettkampf einzusetzen.
Die farblich auf die Rahmenfarbe angepassten Decals sehen ansprechend aus. Aber es handelt sich dabei eben NUR um Aufkleber und schon kleinste Felskontakte hinterlassen auf ihnen tiefe Spuren und machen die Felgen in kurzer Zeit unansehnlich.
Die dann folgende Änderung war die gravierendste! Im Großen und Ganzen finde ich die Geometrie des Bikes für den Enduroeinsatz gelungen. Einzig der Lenkwinkel von 67° erscheint mir in Zeiten, in denen die Maxime der Entwickler „Tiefer und länger“ lautet, etwas zu steil. Würden mir nur die nackten Daten auf dem Paper vorliegen, ich würde mir sehr gut überlegen, über 8500,-€ für ein derartiges Bike auszugeben.
Um dieses Manko zu korrigieren, entschied ich mich, einen Steuersatz mit anpassbarem Lenkwinkel zu verbauen. Works Components bietet einen passenden Satz an, der den Lenkwinkel um 1,5° flacher macht (durch optionale Lageschalen, können auch andere Winkel realisiert werden). Der effektive Lenkwinkel beträgt nun ca. 65,5° was dem Einsatzzweck des Bikes schon deutlich näher kommt. Dadurch wurde der Radstand etwas länger und das Tretlager wanderte etwas tiefer, was der in schnellen Passagen ein deutlich spürbares Plus an Stabilität brachte..
Am folgenden Testwochendende auf den besten Trails Schottlands zeigt das Bike schließlich ein völlig anderes Gesicht! Die Sitzposition ist nun deutlich zentraler und der abgeflachte Lenkwinkel verschiebt den Einsatzbereich mehr in Richtung Downhill, ohne die Bergaufqualitäten zu schmälern. Insgesamt war ich mit der neuen Charakteristik mehr als zufrieden und so durfte der Steuersatz bleiben.
Für etwas zusätzliche Sicherheit montierte ich noch eine HXR Kettenführung incl. Bashguard von Mozartt. Bisher ist mir die Kette vom RaceFace NW Kettenblatt ja noch nicht abgesprungen. Aber unter uns gesagt, bin auch nicht sonderlich erpicht darauf, diese Erfahrung ausgerechnet auf einer Rennetappe zu machen.
Schließlich ersetzte ich noch den Serienlenker. Dieser war etwas zu flach und nur 720mm breit. Ich wollte einmal ein breiteres Modell testen, um zu sehen, wie ich damit zu Recht käme. Der Deity T-Mo Signature misst 735mm und verfügt über einen Rise von 15mm und die Tatsache, dass die amtierende Weltmeisterin Tracey Mosely selbst an seiner Entwicklung beteiligt war, machte mir die Entscheidung für ihn letzten Endes sehr leicht.
In der Praxis vermittelt der neue Lenker ein sehr präzises Lenkgefühl und das Bike wird durch ihn optimal kontrollierbar. Ach ja, die Seriengriffe wurden ebenfalls ersetzt. Sie mussten einem Satz Half Waffle von Uberbike weichen.
Was das Juliana – und unsere anderen Dauertestbikes – im Verlauf der Saison alles erleben, bilden wir in unserer Dauertest-Timeline für jeden nachvollziehbar ab. Dort erfassen wir alle Verschleißteile, berichten von Umbau- bzw. Tuningmaßnahmen und nehmen euch mit auf die schönsten Touren – regelmäßig vorbeischauen lohnt also!
Text & Fotos: Rachael Gurney
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