ENDURO Dauertest 2015 | Testbericht: Das Giant Reign 1
Seit gut drei Monaten ist ENDURO Redakteur und Dauertester Christoph nun bereits auf dem Giant Reign 1 unterwegs. Zeit also ein erstes Zwischenfazit zu ziehen und zu überprüfen ob die Wahl von Christoph für die Saison auf ein Rad mit langer und flacher Geometrie zu setzen die richtige war.
Eigentlich wollte ich mich in dieser Saison vor allem auf epische Tagestouren und spaßige Wochenendtrips mit Freunden fokusieren. Mit dem Thema Racing hatte ich überhaupt nichts am Hut. Wenige Wochen nachdem ich das Giant Reign als Dauertestbike erhalten habe, hat sich das aber grundlegend geändert. Plötzlich stand mein Name auf der Startliste des ersten Rennens und bei der gemütlichen Afterworkrunde geht es nur noch darum, einen neuen Abfahrts-KOM auf Strava zu erobern. Der Grund ist einfach: Mit dem Giant Reign kann man einfach nicht langsam fahren!
Die Ausstattung
Die Details der Serienausstattung des Giant Reign 1 habe ich euch bereits in einem ersten First Look Artikel des Bikes aufgezeigt. Daher möchte ich hier meine Änderungen und die Gründe dazu vorstellen. Wie so oft, stand ich auch bei der Wahl des Giant Reign mit einer Körpergröße von 180 cm genau zwischen der Rahmengröße Medium und Large und habe mich am Ende für den größeren L-Rahmen entschieden. Der Grund war in diesem Fall der verhältnismäßig geringe Stack von 595 mm, bei dem mir bereits im Vorfeld klar war, dass ich ihn durch ein höheres Cockpit ausgleichen werde. Baut man den Lenker und Vorbau nach oben, verkürzt sich automatisch der Reach, was beim Modell in Größe Medium ein für mich zu kurzes Oberrohr bedeutet hätte.
Wie bereits angekündigt hat das Rad ein höheres und etwas kürzeres Cockpit erhalten. In diesem Fall handelt es sich um einen Syntace Megaforce-Vorbau mit 40 mm Länge und einen Syntace Vector Carbon High35-Lenker mit 35 mm Rise. Außerdem habe ich insgesamt 2 cm Spacer unter dem Vorbau montiert was am Ende zu einer deutlich höheren Front und einem kürzeren Reach führte.
Da sich die DT Swiss XM 1501 Spline-Laufräder bereits in der letzten Saison bewährt haben, ist ein Dauertest von ihnen nicht mehr nötig und ich werde die Chance nutzen, sie ebenso wie die Bremsen gegen andere Test-Teile zu tauschen – rein funktional gibt es dafür aber keinen Grund.
Das Fahrwerk
Für Änderungen am Fahrwerk gab es beim Giant Reign 1 keinen Grund. Zwar bietet die RockShox Pike DualPosition nicht die Möglichkeit, die Kennlinie mit Hilfe von Volumenspacern anzupassen, doch ist sie aufgrund der kleineren Luftkammer sowieso schon spürbar progressiver und fühlt sich in etwa so wie das SoloAir-Modell mit zwei verbauten Bottomless Tokens an. Da das Rad, bevor es zu mir in den Dauertest kam, bereits einige Zeit in der Giant-Testflotte im Einsatz war, habe ich nach den ersten 10 Fahrstunden einen Lowerleg-Service an der Federgabel durchgeführt und auch den Dämpfer durch die Montage von drei Volumenspacern weiter an meine Bedürfnisse angepasst. Der SAG beträgt aktuell an der Front rund 20 % und am Heck ca. 30 % was zu einem insgesamt gut ausbalancierten Fahrwerk führt.
Die Klettereigenschaften
Das Giant Reign klettert erstaunlich gut, allerdings sollte man bei langen Uphills die Plattformdämpfung des Monarch Plus aktivieren, da der Hinterbau sonst bei steilen Anstiegen leicht zum wegsacken neigt. Mit dem serienmäßig verbauten Sattel hatte ich außerdem manchmal das Gefühl leicht von hinten zu pedalieren, wodurch ich bei steilen Anstiegen dazu geneigt war, die Federgabel abzusenken. Da der Fizik Tundra aber sowieso nicht zu meinem Allerwertesten passte, habe ich ihn durch den Race Face Aeffect ersetzt. Der wiederum zeichnet sich durch seine weit nach vorn versetzte Bauform aus, wodurch ich im Anschluss auch nie mehr den Eindruck hatte, zu weit von hinten zu pedalieren und auf die Absenkung der Federgabel verzichten konnte – das Vorderrad klebt jetzt förmlich am Boden. Im technischen, steilen Uphill spürt man zwar den flachen 65°-Lenkwinkel – das Gefühl, dass das Vorderrad wegkippt kommt jedoch nicht auf.
Die Abfahrtsperformance
Mit dem Giant Reign kann man einfach nicht langsam fahren! Dieses Bike schreit nach Highspeed, und motiviert den Fahrer ständig zu neuen, krasseren und direkteren Linien. Lenker festhalten und einfach draufhalten – mit dem Reign kein Problem. Kein Wunder, schließlich erinnert die Geometrie fast an die eines Downhillbikes. Der Lenkwinkel ist mit 65° sehr flach, der Radstand mit 1.217 mm extrem lang und das führt letzten Endes zu dem extrem stabilen und spurtreuen Handling des Bikes. Eine Kehrseite gibt es allerdings: Das Reign ist etwa so verspielt wie ein Elefant in der Zirkusmanege. Klar kann man mit ihm enge Sektionen meistern und schnelle Richtungswechsel durchführen, aber es erfordert eben etwas mehr Nachdruck als manch anderes Bike dieser Federwegskategorie. Aber dennoch – oder gerade deswegen – liebe ich das Rad! Es vermittelt einfach so unglaublich viel Sicherheit und ermöglicht dadurch einen deutlich höheren Grundspeed, so dass das Grinsen auf dem Gesicht von ganz allein immer größer wird.
Das Fahrwerk arbeitet genau so, wie man es sich von einem solchen Bike wünscht: Es spricht feinfühlig an und gibt den Federweg im Verlauf bereitwillig frei, ohne dabei zu undefiniert zu sein. Besonders aggressiven, aktiven oder schweren Fahrern empfehle ich am Hinterbau mit Volumenspacern zu arbeiten, da sich dadurch nicht nur die Progression, sondern auch das Verhalten im mittleren Federwegsbereich spürbar beeinflussen lässt. Ich habe für mich aktuell noch nicht das perfekte Setting gefunden und experimentiere derzeit noch mit der Anzahl der Spacer und dem SAG des Dämpfers um einen noch besseren Kompromiss aus satten Ansprechverhalten und effektiver Nutzung des Federwegs zu erhalten.
Die Geometrie des Giant ist ganz klar auf Highspeed und Racing ausgelegt und so liegt das Reign dank dem satten Fahrwerk sehr sicher auf dem Trail. Mit etwas Nachdruck lässt sich das Rad aber durchaus willig durch enge Kurven jagen, was vor allem auf die zentrale Position über dem Bike zurückzuführen ist. Meine eigene Fahrposition kann durchaus als eher hecklastig beschrieben werden. Ich stehe gerne etwas hinten im Bike und bringe nur bei Bedarf den Schwerpunkt weiter über das Vorderrad. Dank der 435 mm langen Kettenstreben ist aber auch dabei stets ausreichend Druck auf dem Vorderrad vorhanden und das Rad neigt nicht zum Untersteuern. Selbst bei starken Kompressionen sackt der Hinterbau kaum weg und so lässt sich auch aus Anliegern viel Speed mitnehmen oder das Rad einfach über Hindernisse ziehen.
Fazit
Bisher habe ich meine Entscheidung auf das lange, flache Giant Reign in Größe L zu setzen nicht bereut! Durch sein sehr spurtreues Handling animiert es mich ständig dazu, die Trails noch schneller zu fahren oder neue Schlüsselstellen im alpinen Terrain zu knacken. Das 4.299 € teure Bike kommt mit einer absolut stimmigen Ausstattung die vor allem die Herzen von Racern höher schlagen lässt. Fahrer, die auf der Suche nach einem agilen und verspielten Bike sind, werden dagegen mit dem Reign sicher weniger glücklich.
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