Factory Visit: Zu Besuch bei Pivot Cycles in den USA
Es ist dieser klassische Fall von “selbst Schuld”. Am Morgen wurden wir noch vor den Tücken der Wüste gewarnt. Jetzt stehe ich hier. Ich habe aufgehört zu schwitzen. Kein Wasser mehr in meinem Camelbak und in meinem Körper. Die Sonne knallt, meine Augen brennen, ich versuche mich zu konzentrieren. Im spärlichen Schatten eines Kaktusses suche ich Schutz, während ich auf die Gruppe warte. Ein Teil der Gruppe musste bereits umkehren, warum bin ich eigentlich verdammt noch mal nicht zurück gegangen, frage ich mich? Weit und breit kein Ende der Wüste zu sehen. Wie lange noch? Das ist die pochende Frage, die mit jedem Meter aufdringlicher durch meine Gedanken schießt.
Die eigentliche Story beginnt rund 700 Meilen entfernt. Erleichtert steige ich in das kleine Passagierflugzeug am Lokalflughafen von Monterey, Kalifornien. Eine Hollywod-reife Autofahrt vom Sea Otter Classics Festival mit Pivot-Cycles-Gründer Chris Cocalis und Marketing-Managerin Lisa Cramton zum Flughafen war der Auftakt eines spannenden, lustigen wie gnadenlosen Trips nach Phoenix, Arizona; dem Sitz der amerikanischen Bikeschmiede Pivot Cycles.
Pivot Cycles liegt in einem Industriegebiet der weitläufigen Millionenstadt Phoenix. In dem modernen, aber eher unscheinbaren Gebäudekomplex finden neben den Büros für Entwicklung, Sales, Marketing und Customer Service auch die Werkstatt für den Prototypenbau, sowie Montage und Lager Platz.
An der Spitze der 2007 gegründeten Bikefirma steht Chris Cocalis. Ein Mann, der auf eine lange Geschichte in der Bike-Industrie zurückblickt. Noch während seines Studiums entschied Chris sich gegen Selbiges und für ein Leben im Bike-Business. So häufte er durch viele selbstinitiierte Projekte, die Führung mehrerer Bikeshops, als Teil der United States Cycling Federation und durch die Mitgründung von Titus Bikes einen massiven Wissensschatz an. Zudem wurde er über die Jahre zu einem wahren Spezialisten für Rahmen-Fertigung und designt, entwickelt und schweißt selbst.
Heute arbeiten 34 Mitarbeiter für Pivot Cycles. Durch zahlreiche Vertriebe sind Pivot Bikes mittlerweile in über 30 Ländern erhältlich.
Our company statement is “Performance Redefined” and this really drives our entire philosophy. We are always looking for ways to make the bike better. That may mean lighter, faster, stronger, better handling, more capable and of course a combination of all these things. In the end, we want our bikes to allow riders to have more fun and give them a higher level of capabilities when riding their Pivot.
Bei Pivot ist man ehrlich:“My favorite bike is always the next one I finish”, würde Chris Cocalis im Verlauf des Rundgangs durch seine heiligen Hallen sagen. Oder machmal stelle er sich die Frage: “When does it end? Will there be a day when I wake up in the morning thinking we can’t make this any better?” Bislang sei das noch nicht passiert, was natürlich auch daran liegt, dass die Bikeindustrie sehr dynamisch ist und im Komponenten-Bereich sowie in der Fertigungstechnik kontinuierlich große Fortschritte gemacht werden.
Daniel Limburg, ein super sympathischer und lustiger Typ, ist ein Mann der Prinzipien. Im Gegensatz zu den Entwicklern arbeitet er ausschließlich mit der aktuellen Modellpalette. Für ihn ist wichtig, dass er zu 100% hinter dem Produkt stehen kann und, dass jede “Verkaufsbegründung” der Wahrheit entspricht.
R&D und Entwicklung der Bikes.
Entsprechend viel Arbeit steckt man bei Pivot in die Entwicklung eines neuen Bikes. Die Maxime bei der Entstehung sind neben Performance vor allem Einfachheit des Systems und die Haltbarkeit. Entwicklung, Prototyping und Labortests werden dabei in den USA durchgeführt.
Die Montage & der Versand der Bikes.
Sales & Marketing
Pivot Bikes erfreuen sich mittlerweile globaler Popularität, entsprechend werden von Phoenix aus alle Vertriebe, sowie Händler koordiniert. In Deutschland ist der Vertrieb Shock Therapy.
Testrides auf den Trails rund um Phoenix.
Das Gelände an sich ist eine Mischung aus Sand, Steinen und teilweise ruppigen Stufen. Besonders hier zeigen sich die Vorteile eines Twentyniners in Bezug auf Überrolleigenschaften! Zudem mehr Traktion bergauf und bergab in sandigen Kurven!
Am nächsten Tag ging es dann auf die Trails. Unsere Tour wollten wir um 8 Uhr morgens beginnen – oder versuchten es zumindest.
Um 9 Uhr war es dann tatsächlich soweit. Eine Tour mit Tortour. Denn auf der rund 30 Kilometer langen Runde passierte natürlich alles das, womit man (optimistischer Weise) nicht gerechnet hatte…
“If you crash and you have the choice between a nice looking green fuzzy bush and a pile of rocks – pic the rocks! It’s nothing friendly here. They all have thorns, they all have spikes. It will destroy you and most of them also got some kind of poison inside.“ Dies waren die netten Begrüßungsworte unseres „Guides“ Chris Cocalis. Dass er recht hatte, durften wir später am eigenen Leibe erfahren.
Ein kleiner Defekt am Rad, etwas Abstimmung am Testbike und eindeutig zu wenig Wasser mit dabei! Schatten findet man kaum in der Wüste, weshalb die Sonne unaufhörlich brennt! Die Folge? Zitternde Hände, leichte Benommenheit und das dezente Gefühl Schwarz zu sehen. Alles Folge von Dehydratation, welche Konzentration und Kraft exponentiell dezimiert. So kamen schnell die Fragen auf: Weshalb mache ich das eigentlich? In der Wüste mountainbiken? Gedanken verschieben sich, man bräuchte ja außerdem ein anderes Fahrrad und Equipment für dieses Gelände und überhaupt. Doch alles Ausreden des eigenen Egos, die eigenen Fehler und Schwächen nicht einzugestehen. Nach langem hin und her gestand ich mir mein Limit ein, doch sagte mir motivierender Weise: Hier noch nicht! Motivierende Worte der Gruppe! Unterstützung und Teamwork! Das ist wichtig und essentiell unter diesen Bedingungen. Denn jede Pause in der ausgesetzten Wüste erhöht weiter die Körpertemperatur und Dehydratation.
Und dann kommt er, der Einbruch. Ein Teil der Gruppe war bereits umgekehrt. Mit leerem Camelbak und großem Durst wurde jeder Trailmeter immer härter, die Fahrweise auf Sparmodus, die Konzentration auf Tiefst-Niveau. Doch Anhalten war keine Option, da dies alles verschlimmert. Geschwindigkeit bringt Wind und Kühle, also Vollgas – bis ans Limit!
Erschöpft und heilfroh kamen wir am Ausgangspunkt, einem überdachten Ort am Rande des “Stadtparks” an. Dort gab es Schatten, kaltes Wasser und eine Pause! Selten war die Freude über so wenig so groß!
Mittags Barbecue und am Abend eine weitere Runde – atemberaubenden Sonnenuntergang in der Ebene von Phoenix inklusive.
Alles in allem war es ein grandioser Trip mit interessanten Erfahrungen und bleibenden Eindrücken. Auch wenn die noch recht junge Marke Pivot nicht das “Heritage” von Kult-Marken wie Yeti, Ibis oder Santa Cruz haben, spielen sie zweifelsohne in deren Liga. Mit einem extrem hohen Anspruch an Performance und technischem Design, dürfen wir in Zukunft sicherlich noch einiges erwarten. Außerdem muss man den Pivot-Machern echt großen Resprekt zollen. Phoenix ist ein heißes Eisen: Wer hier Rad fährt muss es schon wirklich wollen. Stachelige Kakteen, spitze Steine, heiße Temperaturen und eine sengende Sonne sind das in Kauf zu nehmende Opfer für die teils flowigen teils extrem schroffen Trails!
Text & Bilder: Robin Schmitt
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