Die neuen UNNO-Bikes entstehen durch ehrliche Handarbeit in Barcelona und sind die ultimative Umsetzung von Liebe zum Detail, zu Design und zur Handwerkskunst. Obwohl sie so teuer wie exklusiv sind, fehlt den Modellen noch ein passender Name. Trotzdem war es höchste Zeit, einen der Prototypen über die Trails zu jagen.
Wer steckt hinter UNNO Bikes?
Vielleicht habt ihr schon von UNNO-Bikes gehört, die in Barcelona designt, getestet und gebaut werden. Ihr Foto von den Carbonlagen, die sich zu einem Bike zusammenfügen, ging ziemlich schnell viral. Die ganze Story zu UNNO und woher sie ihre Inspiration nehmen, erfahrt ihr in unserem Essential Guide zu ihnen. Kurz: Fünf UNNO-Modelle, designt von Cesar Rojo, sollen alles von XC bis DH abdecken. Jedes Bike wird komplett in Barcelona handgefertigt, mit absoluter Liebe zu Design und Detail und mit den besten (und teuersten) Zutaten. Die erste Serie wird sich auf 25 Bikes beschränken und ist dank der hausinternen Produktion bei UNNO astronomisch – sowohl, wenn es um die Qualität, als auch, wenn es um die Preise geht. Der wunderschöne Rahmen wird tränentreibende 5.000 € kosten.
Ein neuer Ansatz für ein 29er mit mittlerem Federweg
Hier im ENDURO Mountainbike Magazine habt ihr es zuerst gelesen: Die heißesten Bikes 2017 werden knackige 29er mit mittlerem Federweg sein. Dank dem Vormarsch von Boost-Naben und stabileren Carbon-Laufrädern können die 29er nun ihr volles Potenzial auf den Abfahrten entwickeln. Worauf wir jetzt warten, ist ein Hersteller, der uns die progressive Geometrie liefert, um die schnell rollenden Räder voll auszukosten. Das noch unbenannte UNNO 29er hat genau dieses Ziel und bringt neben 130 mm Federweg die entsprechenden Winkel mit. Damit das Ganze etwas griffiger wird, nennen wir es vorerst UNNO 130/29.
Aufbau des UNNO 130/29
Das UNNO 130/29 wird komplett im Werk in Barcelona aus hochwertigem T700- und T1000-Carbonfasern gefertigt. Der Serienrahmen wird einen EPS-Kern und ein gebogenes Carbonrohr im Inneren haben, das die interne Kabelführung so einfach machen soll wie die herkömmliche Montage. Jedes Detail wurde genauestens durchdacht, von der Klemmung der Steckachse bis zur Gummidichtung am Oberrohr, und das Webmuster des Carbons ist völlig makellos. Am Rahmen arbeitet ein zum Patent anstehender Dual-Link-Hinterbau, der für Luftdämpfer konzipiert wurde. Am Testbike fand sich der Öhlins STX22. Der Hinterbau wird gegen Ende regressiv, sodass der Fahrer mittels Volumentoken die Progressionskurve selbst definieren kann.
Geometrie des UNNO 130/29
Unser UNNO 130/29-Testbike hatte 12,16 kg, einen superflachen Lenkwinkel von 65,6°, 455 mm Reach (5 mm länger als ein Santa Cruz Tallboy in Large), 1.184 mm Radstand und 430 mm Kettenstreben. Das Steuerrohr ist mit 85 mm ebenfalls deutlich kürzer als bei den meisten 29ern, etwa 20 mm unterm Durchschnitt. So kann der Lenker tiefer gefahren werden, vergleichbar zu einem 27,5er. Der Hauptunterschied ist der steilere Lenkwinkel von 75° statt den bisherigen 73° am Testbike. Anfangs wird es nur eine Größe geben, für Fahrer von 160–185 cm, was unserem 180 cm großen Tester entgegenkam.
Erster Eindruck vom UNNO 130/29
Wie gesagt, gibt es zu Beginn nur eine Größe, was für einige Fahrer frustrierend sein dürfte. Am Bike findet sich außerdem eine ebenfalls im Haus entwickelte, einteilige Lenker-Vorbau-Kombi, die zusammen mit dem niedrigen Stack ein klasse Cockpit ergibt. Durch den 455-mm-Reach und die flache Front fühlt man sich auf dem Bike wie auf einem aggressiven Enduro. Die Größe liegt zwischen einem L- und XL-Modell der meisten anderen Hersteller, fühlt sich dabei aber nicht extrem an. Das Vorderrad zieht geradezu nach vorne und die Fahrposition fühlt sich ausgewogen an. Wir sind schon einiges gefahren, von kurzen Mainstream-Bikes bis zu langen Experimenten wie dem Pole oder dem NICOLAI. Das UNNO fühlt sich lang, aber balanciert an und bedarf keiner Umgewöhnung.
Das UNNO 130/29 auf dem Trail
Bergauf können wir aufgrund der oben beschriebenen Sitzwinkelthematik keine wirkliche Feststellung treffen, da sich das Serienbike ganz anders anfühlen wird. Der Prototyp fuhr sich im Sitzen etwas behäbig und ungelenk, das Serienbike mit steilerem Sitzwinkel dürfte sich bergauf agiler und präziser fahren. Über den Hinterbau können wir uns bergauf nicht beschweren, auch dank des überzeugenden Öhlins STX22 gab es kaum Pedalrückschlag und auch bei energischem Wiegetritt blieb das Heck ruhig. Auch bei langen Anstiegen waren wir nicht versucht, die Kompression zu erhöhen, sondern fuhren den Dämpfer stets offen.
Die Testzeit war nur kurz, dafür waren die Trails steinig, schnell und voll von mittleren Sprüngen und Drops. Für eine genauere Einschätzung hätten wir mehr Zeit gebraucht, aber nachdem wir den unfassbar schnellen Cesar Rojo über mehrere Stunden auf seinen Hometrails gejagt haben, können wir zumindest das sagen: Durch den geringen Überstand sitzt der Lenker auf der gleichen Höhe wie bei einem 27,5er, was sich anfangs etwas seltsam anfühlt, besonders zusammen mit dem flachen Lenkwinkel. Aber wie durch Zauberhand ergibt alles ab der ersten Kurve Sinn, wird harmonisch und stimmig. Ohne große Änderungen an der aggressiven Fahrposition liegt das Vorderrad gut auf der Strecke. Von Untersteuerung, wie sie manchmal bei flachen Bikes vorkommt, haben wir nichts gemerkt, dank der 455 mm Reach fanden wir in steilem Gelände genug Platz hinterm Lenker. Dank des geringen Stacks lässt sich die Front leicht durch Unebenheiten und von Drops pushen und man fühlt sich geradezu mit dem Trail verbunden.
Das Konzept der UNNO-Geometrie geht voll auf. Während man von Kurve zu Kurve surft, fühlt sich das Bike unheimlich ausbalanciert und kontrolliert an. Nach kürzester Zeit waren wir bereit, das Gas voll aufzudrehen und auch direkte Lines nach „Hell yeah!“-Manier zu nehmen. Die 435 mm kurzen Kettenstreben sorgen für einen zentralen Stand, dank dem man sich auf jede Kurve freut und eher mal draufhält oder etwas zu überspringen versucht. Jede Gerade wird zur Möglichkeit, mit den großen Rädern Schwung zu holen und der Hinterbau folgt sicher über jedes Hindernis. Man wird andere Dämpfer testen müssen, um zu sehen, wie viel davon am exzellenten Öhlins-Dämpfer liegt. Der Kettenschlag auf der kaum geschützten Strebe ist unheimlich laut, aber Cesar hat bereits einen eigens angepassten Kettenstrebenschutz parat, der beim Serienbike für Ruhe sorgen wird. Es ist schwer, die Rahmensteifigkeit zu beurteilen, aber das UNNO fühlte sich gut gedämpft an und gab uns auf dem Trail und in Kurven gutes Feedback. Nun wäre es an der Zeit, das Bike auf herausforderndem Terrain zu testen, um gegebenenfalls vorhandene Schwächen auszuloten – aber auf den schnellen und ruppigen Trails um Barcelona fährt es so gut, wie es aussieht.
Fazit
Das UNNO 130/29 hat mehr als jedes andere Bike in diesem Jahr in uns den Wunsch geweckt, es auf weiteren Trails zu fahren und seine Grenzen auszutesten. Für unseren 180 cm großen Tester war die Geometrie fast perfekt, geräumig, ohne in Kurven aktiv bewegt werden zu müssen, und gut ausbalanciert. Es ist ohne Zweifel ein leistungsstarkes Bike, das seinen Fahrer auf Touren bringt. Sobald der Sitzwinkel angepasst ist und man das Setup verfeinern kann, dürfte sich die Frage stellen, wozu man überhaupt noch ein Bike mit 160 mm braucht. Für 5.000 € wird das UNNO kein Rad für die Massen sein, was es für viele aber nur umso begehrenswerter machen dürfte. Wir freuen uns schon darauf, das Serienmodell zu testen!
Mehr Infos über UNNO und ihre anderen Modellen findet ihr auf der Website, in unserem Essential Guide und in den Social-Media-Kanälen der Jungs aus Barcelona.
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