Knallige Farben, eine lange und flache Geometrie – das Giant Reign Advanced 1 schreit nach Aufmerksamkeit. Wir haben das Giant Reign in der günstigeren der zwei Carbon-Ausstattungsvarianten durch die unterschiedlichsten Bikeregionen Europas gejagt. Wie sich der Dauerbrenner dabei geschlagen hat, erfahrt ihr hier.
Das Reign schmückt nun schon seit ein paar Jahren das Giant-Portfolio. Dort funktioniert es ähnlich wie ein Porsche 911: Durch kleine Veränderungen und neue Materialien wird ein absolut konkurrenzfähiges Bike Jahr für Jahr immer weiter verbessert. Dabei setzt Giant wie bei all seinen Mountainbike-Modellen auf das bewährte und patentierte Maestro-Hinterbausystem. Im Reign stehen dem Fahrer dadurch 160 mm Federweg zur Verfügung. Für die Herstellung des Carbonhauptrahmens verwendet Giant die hauseigene Advanced Composite-Technologie, der Hinterbau wird aus Aluminium hergestellt.
Die Ausstattung des Giant Reign Advanced 1
Ausgeliefert wird das Reign mit einer durchweg soliden Ausstattung. Wir haben nur bei Kleinigkeiten das Verlangen gespürt, etwas zu verändern.
Die Gabel und der Dämpfer stammen in Form von PIKE RC und Monarch Plus aus dem Hause RockShox. Bei dem Antrieb und den Bremsen setzt Giant auf bewährte Shimano-Qualität. Die Laufräder werden von DT Swiss geliefert und bestehen bei dem getesteten Rad aus dem M1700 SPLINE-Modell, hier setzt Giant auf gute Schweizer Qualität. Neu im Giant-Portfolio ist seit 2016 eine hauseigene Remote-Sattelstütze, die auf den Namen Contact SL hört.
Während des Tests haben wir das Cockpit durch einen kürzeren Vorbau und einen Renthal Fatbar Carbon 780/20 mm ersetzt. Außerdem wurde auf Tubeless umgerüstet und ein 34er-Kettenblatt montiert. Für ein abfahrsorientiertes Enduro in XL zeigte die Waage dann nach den genannten Änderungen akzeptable 13,8 kg an.
Federgabel: RockShox PIKE RC Dual Position Air 160/130 mm
Dämpfer: RockShox Monarch Plus RC3 DebonAir
Bremsen: Shimano XT 203/180 mm
Schaltung: Shimano XT 1×11
Sattelstütze: Giant Contact SL
Vorbau: TRUVATIV Holzfeller 50 mm
Lenker: Giant Contact SL DH RiserBar 800 mm
Laufradsatz: DT Swiss M 1700 SPLINE
Reifen: Schwalbe Magic Mary TrailStar/Hans Dampf PaceStar Evolution
Gewicht: 13,8 kg
Preis: 4.599,90 €
Geometrie des Giant Reign Advanced 1
Mit der Geometrie des Reign zeigt Giant ganz klar, in welche Richtung die Reise geht. Langer Hauptrahmen, mittellange Kettenstreben und ein langer Radstand: Schon auf dem Papier lässt sich erkennen, dass hier Attacke angesagt ist. Das Reign ist jetzt schon einige Jahre nahezu unverändert im Programm und trotzdem ist die Geometrie auf der Höhe der Zeit. Als das aktuelle Reign vorgestellt wurde, hat es durch die extreme Geometrie fast schon eine Vorreiterrolle eingenommen.
Größe | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|
Oberrohr | 584 mm | 620 mm | 640 mm | 665 mm |
Steuerrohr | 94 mm | 94 mm | 114 mm | 124 mm |
Lenkwinkel | 65° | 65° | 65° | 65° |
Sitzwinkel | 73° | 73° | 73° | 73° |
Kettenstrebe | 434 mm | 434 mm | 434 mm | 434 mm |
Radstand | 1158 mm | 1191 mm | 1217 mm | 1242 mm |
Reach | 409 mm | 444 mm | 458 mm | 480 mm |
Stack | 577 mm | 577 mm | 595 mm | 604 mm |
Auf dem Trail mit dem Giant Reign Advanced 1
Das Giant Reign klettert erstaunlich gut, allerdings sollte man bei langen Uphills die Plattformdämpfung des Monarch Plus aktivieren, da der Hinterbau sonst bei steilen Anstiegen leicht zum Wegsacken neigt. Zudem haben wir bei sehr langen und relativ steilen Anstiegen gerne die Absenkung der Dual Position PIKE genutzt, um ein Steigen des Vorderrades zu verhindern.
Die Abfahrtsperformance
Mit dem Giant Reign kann man einfach nicht langsam fahren! Dieses Bike schreit nach Highspeed und motiviert den Fahrer ständig zu neuen, krasseren und direkteren Linien. Lenker festhalten und einfach draufhalten – mit dem Reign kein Problem. Kein Wunder, schließlich erinnert die Geometrie fast an die eines Downhillbikes. Der Lenkwinkel ist mit 65° flach, der Radstand mit 1.242 mm (Größe XL) lang und das führt letzten Endes zu dem extrem stabilen und spurtreuen Handling des Bikes. Eine Kehrseite gibt es allerdings: Das Reign ist etwa so verspielt wie ein Elefant in der Zirkusmanege. Klar kann man mit ihm enge Sektionen meistern und schnelle Richtungswechsel durchführen, aber es erfordert eben etwas mehr Nachdruck und Eingewöhnung als andere Bikes dieser Federwegskategorie.
Das Fahrwerk arbeitet genauso, wie man es sich von einem solchen Bike wünscht: Es spricht feinfühlig an und gibt den Federweg im Verlauf bereitwillig frei, ohne dabei zu undefiniert zu sein. Im Laufe des Tests haben wir zwei Volumenspacer im Dämpfer verbaut, um mehr Feedback im mittleren Federwegsbereich und mehr Endprogression zu erreichen. Dadurch war es möglich, das softe Ansprechverhalten des Hinterbaus beizubehalten, ohne Sorgen vor Durchschlägen haben zu müssen. Selbst bei starken Kompressionen sackt der Hinterbau kaum weg und so lässt sich auch aus Anliegern viel Speed mitnehmen oder das Rad lässt sich einfach über Hindernisse ziehen.
In der RockShox PIKE RC DPA wurden ebenfalls zwei Volumenspacer montiert, mit demselben positiven Resultat wie bei dem Dämpfer: mehr Reserven und mehr Progression ab der Mitte des Federwegs. Die Abfahrtsperformance der PIKE RC ist über jeden Zweifel erhaben, auf flacheren Trails wäre die zuschaltbare Lowspeed-Druckstufe der RCT3 aber manchmal wünschenswert gewesen, um beim Pedalieren im Stehen ein kraftraubendes Wippen der Gabel zu verhindern.
Die Saison mit dem Giant Reign Advanced 1
Nach einer Woche im „Schatten“ des Mont Blanc und unzähligen liftunterstützten Abfahrten waren die XT-Bremsen mit dem doch etwas höheren Systemgewicht ein wenig überfordert. Aus diesem Grund haben wir uns dann entschlossen, Shimano Zee-Bremssättel mit den Shimano XT-Bremshebeln zu fahren. So hatten wir mit relativ geringem Aufwand eine doch um einiges standfestere Bremse, die dem Einsatzzweck des Rades eher gerecht wird. Die zu Beginn auf dem Rad montierten Schwalbe-Reifen konnten mit der Performance des Giants ebenfalls nicht ganz mithalten, sie neigten dazu, in Anliegerkurven wegzuknicken. Die gleiche Reifenkombination mit der Supergravity-Karkasse ließ einen dann das volle Potenzial erfahren.
Außerdem kam es im teilweise doch sehr kalten Winter einmal zu einer Fehlfunktion der Sattelstütze. Beim Putzen ist etwas Feuchtigkeit in die Zugfügung geraten, wodurch sich der Remotehebel nicht mehr betätigen ließ und die Stütze sich so immer absenkte.
„Nach über 1.300 km und mehreren Trips in die Alpen und die Vogesen sowie einer Reihe von Bikeparkbesuchen hat das Dauertestrad über das Jahr so einiges mitgemacht.“
Nach dem einwöchigen Bikeparkurlaub auf den Spuren der EWS in den französischen und italienischen Alpen sind uns nach dem Putzen am Hauptrahmen an der unteren Dämpferaufnahme Lackrisse aufgefallen, welche die Stabilität vermutlich nicht beeinflussen. Wir sind den Rahmen bis zum Testende so noch ohne Probleme gefahren. Giant hatte uns außerdem bei Bedarf sofort einen neuen Hauptrahmen zugesichert. Aufgrund der lebenslangen Garantie auf den Erstbesitzer wäre er auch ohne Beanstandung ersetzt worden.
Fazit
Nach einem Jahr mit dem Giant Reign kann man mit Fug und Recht behaupten, dass das Bike voll auf Racing und Highspeed getrimmt ist. Die Ausstattung ist bis auf kleine Details sehr durchdacht, die Geometrie und das Fahrwerk sind top. Wer ein agiles Bike sucht, wird hier nicht fündig, wer es jedoch gern richtig krachen lässt, wird das Reign lieben – genau wie wir!
Mehr Informationen findet ihr unter giant-bicycles.com
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Text: Hannes Jansen Fotos: Valentin Rühl