Hans „No Way“ Rey ist ein echter Pionier des Mountainbikens. Ursprünglich vom Trial kommend, prägte er in den 90ern eine ganze Generation von Mountainbikern mit seinen auf VHS festgehaltenen Extrembefahrungen, bei denen er sein Trialkönnen mit spannendem Trailriding verband und dabei die Grenze des Fahrbaren ein ums andere Mal anhob. Heute lebt er im idyllischen Laguna Beach, wo er uns bei sich aufnahm und am kalifornischen Lebensstil und den fantastischen Trails in der Region teilhaben ließ.

Hans prägte mit seinen Trial-Skills die Bikegeschichte mit – Andenken an diese Zeit zeigte er uns in seiner Garage.
Hans prägte mit seinen Trial-Skills die Bikegeschichte mit – Andenken an diese Zeit zeigte er uns in seiner Garage.

Das Handy klingelt, Hans ist dran: „Hey Cedric, wie geht’s? Wann kommst du morgen an und willst du dann noch fahren gehen?“ Wir sind noch in Santa Cruz und gerade mit Intense-Teamfahrer Bernat Guardia auf einer Tagestour unterwegs. Wir stecken mitten in einer Reise quer durch Kalifornien mit Nico und wollen am nächsten Tag Hans für ein paar Tage besuchen. Der Plan ist, dass wir um 9 Uhr morgens bei ihm sind und danach natürlich noch Radfahren gehen.
Am nächsten Morgen fahren wir nach Santa Barbara. Glücklicherweise ist Sonntag, sodass wir flüssig südwärts durch die Megastadt von Los Angeles kommen, deren Verkehr wochentags um diese Uhrzeit völlig unberechenbar ist.

Ohne geht es nicht in Kalifornien: Der Lifeguard-Tower am Strand von Laguna Beach.
Ohne geht es nicht in Kalifornien: Der Lifeguard-Tower am Strand von Laguna Beach.

Wir fahren die Laguna Canyon Road entlang, wo es durch das trockene, heiße Klima mehr Büsche als Bäume gibt. Während wir dem Meer immer näher kommen, wird auch die Luft feuchter und bald steigt uns der klassische Meeresgeruch in die Nase. Wir sind ein bisschen zu früh dran und nutzen die Zeit, um uns einen Snack im nächsten Starbucks zu gönnen. Die Umgebung ist wie aus einer Postkarte ausgeschnitten: Neben dem Lifeguard-Tower wird Volleyball gespielt und die Promenade ist gefüllt mit Skatern und Joggern. Laguna Beach ist eine klassische kalifornische Kleinstadt, in der es sich gut leben lässt – herrscht hier doch das ganze Jahr ein angenehm warmes Klima. Hans Rey kam 1987 für einen Trial-Wettbewerb hierher und ist nie nach Deutschland zurückgekehrt.

Laguna Beach ist wahrlich idyllisch gelegen.
Laguna Beach ist wahrlich idyllisch gelegen.

Wir kommen pünktlich bei Hans an. Sein Haus ist ruhig, ein Stück von der Hauptstraße entfernt gelegen und hat, typisch für Kalifornien, weder Zaun noch Gartentor, dafür aber einen Vorgarten, der direkt bis zur Straße reicht. Denn obwohl auch hier die Kriminalitätsrate nicht bei null liegt, lassen die meisten Kalifornier ihre Tür unverschlossen – und genauso begrüßt uns auch Hans: Wir werden mit offenen Armen empfangen und fühlen uns direkt willkommen. Das Innere des Hauses hingegen wirkt europäischer, die Regale und Wände sind voller Andenken an Reisen, von Hans selbst oder seiner Frau. Zu jedem davon könnte Hans eine Geschichte erzählen, doch es geht schon weiter.

Stolz zeigt uns Hans den geschichtsträchtigen Inhalt seiner Garage.
Stolz zeigt uns Hans den geschichtsträchtigen Inhalt seiner Garage.
Die Garage ist ein wahres Museum der Mountainbikegeschichte.
Die Garage ist ein wahres Museum der Mountainbikegeschichte.

Nachdem uns Hans unsere komfortablen Zimmer gezeigt hat, wollen wir starten – und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die gut 50 m² große Garage ist vollgestopft mit Fahrradteilen und -kleidung, Medaillen, Helmen, Rucksäcken und Postern. Um mehr Raum zu schaffen, hängen die Räder von der Decke. Unterm Dach befindet sich eine wahre Fundgrube an Werkzeugen und noch mehr Rädern. Hans ist einer der Pioniere des modernen Mountainbikens und hat den Sport mit Videos und Bildern überhaupt erst bekannt gemacht. Er fährt seit inzwischen 25 Jahren für GT und hat sich diese lange Partnerschaft durch Ausdauer und kontinuierliche Arbeit verdient. Entsprechend finden sich fast 30 Fahrräder in der Garage, darunter einige echte Klassiker. Mir springt ein GT aus der Pacific Blue-Serie der späten 1990er-Jahre ins Auge. Mit seiner roten Lackierung und den gelben Laufrädern ist es ein echter Eyecatcher und ein passender Vertreter der damaligen Fahrradgeneration. Sucht einfach auf YouTube nach „Hans Rey Pacific Blue“ und ihr könnt ihn auf diesem Fahrrad sehen.

Was nützt einem ein Pool, wenn man nicht drüber springt?
Was nützt einem ein Pool, wenn man nicht drüber springt?

Die Tour durch die Garage ist eine Zeitreise durch die letzten 25 Jahre, die auch zeigt, wie sich der Sport in dieser Zeit entwickelt hat. Hans entdeckt ein paar Medaillen von Métabief 1993 und fängt an, Teile des Trialkurses mit Mini-Granitblöcken nachzubauen. Er zeigt uns die Linien, die Danny McAskill dort gefahren ist, als sie zusammen noch einmal dort waren. Nachdem ich ein paar Bilder von der Garage und dem Porsche 356C im James Dean-Style davor gemacht habe, gehen wir durch den Garten, wo Hans erstmal mit dem Rad über den Pool springt. Danach machen wir es uns kurz auf der Terrasse bequem, bevor wir uns für die anstehende Tour bereit machen.

Bergauf ließ sich das Tragen nicht immer vermeiden.
Bergauf ließ sich das Tragen nicht immer vermeiden.

Wir montieren unsere Räder fertig und starten direkt von Zuhause. Es ist erst 11 Uhr morgens, das Thermometer zeigt schon 24° C – und das im Winter! Wir drehen eine kleine Runde durch das exklusive Wohngebiet und Hans zeigt uns die Villen von Richie Schley und, etwas weiter oben auf dem Berg, Brian Lopes. Wir folgen zunächst der Straße und später einem breiten Forstweg bergauf. Dem amerikanischen Spirit folgend stellen die Wege die kürzestmögliche Verbindung zwischen zwei Punkten dar und sind dementsprechend steil. Wir quälen uns hinauf und verlassen den Weg, um einen herrlichen Blick auf den Pazifik zu genießen. „Der Trail hier ist eine echte Achterbahn“, lässt uns Hans wissen, bevor wir starten, und trifft mit dieser Beschreibung voll ins Schwarze. Es geht permanent um die Kurve, bergauf oder bergab, langweilig wird es dabei nie. Kaum im Tal angekommen, geht es schon wieder, ganz dem amerikanischen Pioniergeist folgend, bergauf – zuerst fahrend, später auch tragend. Zum Glück sind wir daran schon von unserem südfranzösischem Zuhause gewöhnt und können Hans so an den Fersen bleiben. Oben angekommen gönnen wir uns eine kurze Pause, bevor es technisch und lange bergab geht. Hans gibt sich Mühe, uns das Potenzial seiner sandigen Hausberge zu zeigen und fährt vorneweg. Schon unter normalen Bedingungen wäre es sehr schwer, an ihm dranzubleiben. Da er aber den Weg auswendig kennt und starke Regenfälle in der Woche zuvor die Trails stellenweise in eine lange, mittige Rinne verwandelt haben, ist daran nicht zu denken. Wir sind eher damit beschäftigt, unsere Vorderräder außerhalb der Rinne zu halten, während Hans geschickt von rechts nach links drüberspringt. Im technischen unteren Teil erklärt er uns, wo es in die Chickenlines geht und ermutigt mich, dass ich dem Trail durchaus gewachsen sei. Wir waren letztes Jahr schon gemeinsam auf Korsika und Hans weiß, was ich kann und was nicht. Tatsächlich stellt sich die restliche Abfahrt als machbar heraus. Sie führt schmal an einem Grat entlang und über mehrere Stufen, bevor es nach einem engen Durchgang steil dem Ende entgegen geht. Auch diesen Abschnitt schaffe ich und Hans erwartet uns schon. Danach geht es zum letzten Mal bergauf zum Gipfelplateau. Von dort fahren wir auf dem berühmten Telonics-Trail flowig zurück nach Laguna Beach. Dort erzählt uns Hans, dass er manchmal mit einer Gruppe fährt, die schon seit 30 Jahren wöchentlich gemeinsam auf Tour geht und anschließend gemeinsam beim Lagerfeuer entspannt – so lässt’s sich leben.

Auf dem Telonics-Trail haben sich die Erbauer im Sandstein verewigt – Hans fliegt darüber.
Auf dem Telonics-Trail haben sich die Erbauer im Sandstein verewigt – Hans fliegt darüber.

Auf Vorschlag von Hans lassen wir unsere Räder liegen und sehen uns zu Fuß einen extrem steilen Trail an. Der PG-Trail ist eine der steilsten und extremsten Downhillstrecken Südkaliforniens und selbst einige DH-Biker fahren lieber woanders. Vor einem Monat war jedoch der XC-Fahrer Nino Schurter dort und hat mit Brian Lopes und Hans um $ 200 gewettet, dass er die gesamte Strecke auch mit seinem XC-Wettkampfbike fahren kann. Für uns unfassbar ließ er den Worten Taten folgen und war anschließend um $ 200 reicher.

Ein Sonntagsbarbecue scheint Pflicht in Laguna Beach zu sein.
Ein Sonntagsbarbecue scheint Pflicht in Laguna Beach zu sein.

Als wir wieder in Laguna Beach ankommen, ist es 14 Uhr. Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, jetzt mit Freunden zu grillen. Hans lädt uns ein, zusammen mit ihm zu einer Gartenparty für den Sohn des Verkaufsleiters von Crank Bros., Andy Hilliard, zu gehen. Wir genießen das leckere Essen und treffen eine Menge neue und alte Bekannte wie Brian Lopes. Wir genießen die Zeit und verlassen die Party schweren Herzens, um noch eine letzte Runde vor dem Sonnenuntergang zu drehen. Wir folgen Hans wieder auf dem direkten Weg bergauf in die Hochflächen von Laguna, von wo man eine tolle Aussicht auf die Stadt hat. Während die Sonne untergeht und die Umgebung in ein magisches Licht taucht, starten wir in den letzten schnellen und felsigen Singletrail des Tages. Während Hans vornwegprescht, nutze ich die Gelegenheit, alle Eindrücke in mich aufzusaugen, denn an einem solchen Ort fährt man nicht alle Tage.

Es ist nicht immer leicht, auf den felsigen Trails an Hans dranzubleiben.
Es ist nicht immer leicht, auf den felsigen Trails an Hans dranzubleiben.
Die tollen Trails und eine lustige Gesellschaft sorgen für eine super Stimmung.
Die tollen Trails und eine lustige Gesellschaft sorgen für eine super Stimmung.

Anschließend kehren wir zum Haus zurück, um schnell eine Dusche zu nehmen und danach mit Hans und seiner Frau Carmen den Sonnenuntergang von der Dachterrasse eines Hotels in Laguna Beach aus zu genießen. Es tauchen immer mehr Locals auf und bei ausgelassener Stimmung genehmigen wir uns plaudernderweise ein paar Biere. Dabei lernen wir auch Carmen, die Ehefrau von Hans, besser kennen. Sie arbeitet selbst sehr viel und hat deshalb kein Problem damit, wenn Hans am anderen Ende der Welt unterwegs ist. Unter anderem betreut sie die Stiftung „Wheels For Life“, die Hans 2005 gegründet hat und die Menschen in Entwicklungsländern Zugang zu Fahrrädern ermöglicht. Dadurch können viele erst etwas weiter entfernte Jobs annehmen oder bekommen die Möglichkeit, die Schule zu besuchen – ein Fahrrad kann in anderen Teilen der Welt tatsächlich Leben verändern. Anschließend fahren wir wieder zurück nach Hause, wo uns Carmen ein leckeres Essen zubereitet. Wir gönnen uns dazu eine Flasche Wein und bereiten uns danach noch einen „Danny McAskill“ zu, einen Drink, den Hans von Danny empfohlen bekam: Mount Gay Rum, Naturtrüber Apfelsaft und etwas Lime Juice. Nach ein paar davon schicken wir Danny noch ein Selfie von uns mit dem ihm gewidmeten Drink und fallen später glücklich ins Bett.

Hans weiß, wie man auch den Abend nach dem Radfahren gut gestaltet.
Hans weiß, wie man auch den Abend nach dem Radfahren gut gestaltet.

Am nächsten Morgen wache ich schon um 6 Uhr auf und nutze die frühe Stunde, um eine kurze Runde mit meinem Tracer zu drehen. Anschließend hole ich mir ein kleines Frühstück im Supermarkt und folge dem Rat von Hans, frühmorgens am Strand entlangzugehen und dort mein Frühstück zu genießen.

Besser geht’s nicht: ein frühmorgendlicher Snack am Strand von Laguna Beach.
Besser geht’s nicht: ein frühmorgendlicher Snack am Strand von Laguna Beach.

Später fahren wir mit dem Auto ca. 40 min in die südkalifornischen Berge, denn Hans möchte uns noch die beste Strecke zwischen Temecula und Laguna zeigen. Nico geht es nicht gut, weswegen wir eine zahmere Strecke bergauf nehmen. Als erstes nehmen wir den San Juan Trail unter die Stollen, einen der bekanntesten und wohl besten Trails Südkaliforniens. Hans warnt uns vor der „Poison Oak“, die neben dem Trail wächst und bei Hautkontakt fiesen Ausschlag verursachen kann, und fährt vor. Der Trail führt um den Berg herum und geht dabei immer wieder bergauf – Geschwindigkeit halten ist hier die Devise. Nach einigen Meilen kommen wir beim Cocktail Rock an, von wo die eigentliche Abfahrt beginnt. Auch dieser Trail fühlt sich wieder wie eine Achterbahn an und schlängelt sich schnell und flowig bergab. Der sandige Boden bietet massig Traktion und lässt einen unglaublich viel Schwung mitnehmen, sodass sich diese letzte Abfahrt wie eine endlose Reise zur Sonne anfühlt. Unten angekommen ist das Lächeln in meinem Gesicht wie angeklebt und ich bin mir sicher, dass es keinen besseren Trail gibt. Der San Juan Trail verbindet Fahrspaß und Flow mit einer unglaublichen Kulisse.

Flow und Kulisse: Die Trails um Laguna Beach bieten beides in Perfektion.
Flow und Kulisse: Die Trails um Laguna Beach bieten beides in Perfektion.

Wir fahren zurück nach Laguna Beach und gehen an unserem letzten Abend Hamburger essen. Am nächsten Tag geht es schon wieder zurück nach Hause. Obwohl wir wir auf unserer Reise durch die USA wirklich viel erlebt haben, warder Besuch bei Hans definitiv das Highlight und der bestmögliche Abschluss für die Reise.

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Text: Cedric Tassan / Martin Stöckl Bilder: Cedric Tassan / VTOPO


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