Kaufberatung | Was macht einen guten Helm aus?
Wer die Wahl hat, hat die Qual. Dieser oft strapazierte Spruch ist aber gerade beim Helmkauf mehr als zutreffend. Wenn ihr aktuell dabei seid, euch einen neuen Kopfschutz zu besorgen, so wollen wir euch nachfolgend die Kaufentscheidung etwas erleichtern.
Während man die meisten Bikekomponenten anhand ihrer Spezifikation oder ihres Preises als mehr oder weniger geeignet einsortieren kann, erweist sich ein Helmkauf oft als schwierig, da die Unterschiede auf den ersten Blick nicht erkennbar scheinen. Meist steht man (physikalisch oder virtuell) im Laden vor einer Wand von verschiedenen Helmen und fragt sich, wie sich die teils enormen Preisunterschiede begründen. Sind die Modelle alle gleich sicher? Worauf muss muß ich besonders achten? Im folgenden Artikel wollen wir euch mit ein paar Informationen versorgen, damit ihr wisst, worauf ihr achten solltet.
Für unser Bike ist uns meist nichts zu teuer und wir alle tendieren häufig dazu, unser letztes Geld für die besten Teile zusammen zu kratzen. Wenn es aber um unsere Sicherheit geht, gerät das Produkt selbst oft schnell in den Hintergrund und wir treffen die Kaufentscheidung aufgrund des Aussehens oder des Preises.
Wer jedoch schon einmal einen heftigen Sturz mit dem Bike hinter sich hat, bei dem der Helm zerstört wurde, der kann bestätigen, dass ein guter Schutz jeden Cent des Anschaffungspreises wert ist. Denn im Unterschied zu den meisten anderen Verletzungen, sind Hirnschäden meist irreparabel. Leider kann kein Helmhersteller absoluten Schutz garantieren. Daher sollte man beim Kauf genau auf die Sicherheitsfeatures der einzelnen Angebote achten.
Prinzipiell kann man immer davon ausgehen, dass ein Helm mindestens den Standard des jeweiligen Landes erfüllt, in dem er angeboten wird. Viele sind sogar nach internationalen Standards zertifiziert, was meist ein zusätzliches Plus an Sicherheit bedeutet. Warum aber sollte man dann mehr Geld ausgeben, wenn bereits der günstigste Helm dem Kopf ausreichend Schutz bietet? Bevor wir gleich versuchen, diese Frage zu beantworten, noch ein paar Worte zur Haltbarkeit.
Man darf nie vergessen, dass jeder Bikehelm nur einen einzigen richtigen Schlag wegstecken kann. Ein ordentlicher Sturz, und es wird Zeit für einen neuen. Viele Hersteller bieten eine Art Crash Replacement an, das heißt, man kann nach einem Sturz den Helm einschicken und bekommt zu einem günstigeren Preis Ersatz. Aber selbst wenn man sturzfrei unterwegs ist, unterliegt das Material einer gewissen Ermüdung und so sollte ein Helm nach spätestens fünf Jahren in jedem Fall ausgetauscht werden.
Fullface oder Halbschale
Auf Trails ohne Schiebepassagen oder Lift- bzw. Shuttleanteil ist ein Fullfacehelm natürlich viel zu heiß, auch wenn dieser vom Schutzgedanken her Sinn machen würde. Aber selbst die besten Modelle dieser Helmgattung sind schlicht zu schwer und zu schlecht belüftet, dass sie auf lange Sicht so etwas wie Tragekomfort vermitteln könnten. Ein Fahrer, der sowohl XC als auch Downhill fährt, sollte also auch zwei unterschiedliche Helme sein eigen nennen.
Do I ride only downhill? No = open-face (or both)
Ausnahmen:
Im vergangenen Jahr wurden allerdings zwei Helme vorgestellt, die den Anspruch erheben, für beide Einsatzzwecke gleichermaßen geeignet zu sein. Der Bell Super 2R und der MET Parachute sind überdurchschnittlich gut belüftet (MET) bzw verfügen über einen abnehmbaren Kinnbügel (Bell) und bieten so trotz Gesichtsschutz auch auf langen Touren ausreichend gute Belüftung und Tragekomfort.
Passform:
Auch wenn sich die meisten Helme in ihrer Schutzwirkung ähneln, so gibt es in Puncto Passform doch deutliche Unterschiede. Nicht nur, dass ein schlecht sitzender Helm im Falle eines Sturzes dort fehlt, wo er gebraucht wird, er kann einem auf der Tour auch den letzten Nerv rauben.
Um auf Nummer sicher zu gehen ist es ratsam, sich die Zeit zu nehmen und verschiedene Modelle anzuprobieren. Online Rezensionen und Testberichte können lediglich als Anhaltspunkt gelten, sind aber nie auf die Kopfform des Einzelnen zugeschnitten.
Um einen ungefähren Anhaltspunkt über die benötigte Helmgröße zu erhalten, misst man als erstes seinen Kopfumfang. Dieser ist auch herstellerseitig immer als Größenangabe hinterlegt.
Der Helm sollte sich so gut anfühlen, wie euer Lieblingsbaseballcap. Wenn eure Kopfform eher länglich ist, schaut euch nach einem tieferen Modell um. Der Kopfschutz sitz richtig, wenn der Abstand zwischen Augenbrauen und Helmunterkante ungefähr einen Finger breit ist.
Nutzt auch die verschiedenen Einstellmöglichkeiten – gute Helme haben einige davon – und lasst euch bei der Anprobe genügend Zeit. Druckstellen bemerkt man erst nach einer gewissen Tragedauer.
Um zu vermeiden, dass im inneren des Helms zu viel Luft ist, sollte man die Größe aber in jedem Fall so wählen, dass man sich bei den Verstellmöglichkeiten im oberen Bereich befindet. Wenn der Helm richtig sitzt, sollte er sich nur wenige Millimeter in jede Richtung bewegen lassen.
Gewicht:
Die meisten Helme unterscheiden sich kaum, was das Gewicht angeht. Und wenn doch, so erkauft man sich mit dem Mehrgewicht oft auch ein Plus an Sicherheit oder der Peis ist günstiger. Aber anders als bei Fahrradkomponenten sollte man die Kaufentscheidung bei der Sicherheitsausrüstung keinesfalls nur vom Gewicht abhängig machen.
Oft spielt jedoch der Preis eine Rolle, aber kostet ein Helm mehr, so merkt man ihm dies auch an. Es ist wie bei teuren Autos. Mit ihnen kommt man auch nur von A nach B, aber sie sind besser verarbeitet und die verwendeten Materialien sind hochwertiger. Oft sind teure Helme noch von einer zusätzlichen Aussenhaut aus Kunststoff umgeben, die das empfindliche EPS Material vor Druckstellen schützt. Oder sie sehen einfach nur cooler aus.
Nachfolgend betrachten wir noch einige weitere Eigenschaften die maßgeblich zum Preis eines Helms beitragen. Sei es, weil dadurch die Herstellung aufwändiger wird, oder der Schutz und die Sicherheit für den Käufer erhöht werden. Wie dem auch sei, denkt immer daran, dass euch der Helm die nächsten fünf Jahre auf jeder Ausfahrt begleiten wird. Also sollte das Teil zu euch und eurem Fahrstil passen.
Schutz:
Viele Hersteller moderner Halbschalenhelme bewerben ihre Produkte mit “extended coverage”, was nichts anderes bedeutet, als dass der Helm hinten und an den Seiten weit heruntergezogen sind, um so dem Kopf mehr Aufprallschutz zu gewähren. Unabhängig davon, in welchem Gelände ihr unterwegs seid, sollte euch dieses Feature ein minimal höheres Gewicht in jedem Fall wert sein.
Mehr Schutz=Besser
Manche Hersteller kombinieren Materialien unterschiedlicher Dichte, um die Sturzenergie besser aufnehmen zu können. Oft wird aber nur ein sehr dichter Schaum verwendet, um trotz niedrigem Gewicht die vorgeschriebenen Sicherheitsstandards erfüllen zu können. Dieses vergleichsweise harte Material hat aber einen gravierenden Nachteil: Zwar schützt es bei einem katastrophalen Sturz vor schwersten Verletzungen, gleichzeitig leitet es aber genug Aufprallenergie an den Kopf weiter, so dass es noch für eine Gehirnerschütterung reicht.
Die meisten der angepriesenen Sicherheitsfunktionen wurden noch nicht unabhängig getestet. Wer aber gern schnell unterwegs ist, kann gar nicht genug Schutz haben.
Die aktuellen Sicherheitsstandards betrachten lediglich die Reduzierung der Kräfte, die einen Bruch des Schädelknochens zur Folge haben können. Für eine Gehirnerschütterung reichen aber oft schon weit aus geringere Kräfte. Diese werden durch eine MIPS genannte Technologie, die mittlerweile schon von vielen Herstellern verwendet wird, wirkungsvoll absorbiert. Das Prinzip besteht aus einer beweglichen Tragekonstruktion, die es dem Helm erlaubt, sich unabhängig vom Kopf frei zu bewegen. Die seitlich wirkende Kraft wird so effektiv abgeleitet und die Gefahr einer Gehirnerschütterung deutlich verringert.
Belüftung:
Je besser ein Helm durchlüftet ist, desto weniger Schutz bietet er logischerweise. Einige hochpreisige Helme wirken diesem Umstand mit einem speziellen Design entgegen oder verwenden neuartige Materialien, um trotz guter Durchlüftung ausreichend Schutz auch gegen Stöcke o. ä. zu gewährleisten.
Auch wenn Halbschalenhelme per se etwas mehr Luft an den Kopf lassen, sollte man dennoch auf gute Belüftung achten. Schließlich ist ein kühler Kopf an heißen Tagen Gold wert. Achtet besonders auf die Größe und Anordnung der Belüftungsöffnungen. Alles was vorne an Luft einströmt, muss an der Rückseite auch wieder abgeführt werden, ansonsten droht ein Hitzestau.
Wie man sieht, kann man die Qualität eines Helms nicht nur an der Zahl seiner Lüftungsöffnungen festmachen. An diesem Punkt können Testberichte und Rezension hilfreich sein.
Zusätzliche Merkmale:
- Brillenkompatibilität: Passt die Brille eurer Wahl, im besten Fall auch wenn sie nicht in Gebrauch ist, auch an den Helm?
- Befestigungsmöglichkeiten für Licht/Kamera: Manche Hersteller bieten hierfür integrierte Möglichkeiten.
- Visier/Schutzschild: Flexible Ausführungen oder solche mit Sollbruchstelle verringern beim Sturz die Verletzungsgefahr
Text: Tyler Malcomson Fotos: ENDURO, Klaus Kniest
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