Nachgefragt: Warum wird Enduro Racing immer teurer?
Enduro Racing ist verdienterweise zur populärsten Disziplin im Mountainbikesport geworden. Zum ersten Mal in der Geschichte gibt es für ‘All-Mountain’ Bikes eine Rennserie auf Weltniveau. Der Begriff ‚Enduro‘ ist omnipräsent und in der Branche herrscht eine ungeheure Aufbruchsstimmung. Aber als die Startgebühren für die Enduro World Series 2015 veröffentlicht wurden, war das für viele Racer ein Schlag in die Magengrube. Die Kosten für die Teilnahme an allen EWS-Runden liegen bei fast 1000 Euro und auch die Preise der nationalen Events ziehen an. Angesichts dessen fragt man sich natürlich, ob sich hier irgendwer eine goldene Nase verdient.
Weshalb steigen die Kosten immer weiter, und was passiert mit unseren hart verdienten Startgeldern? Das wollten wir herausfinden und sprachen mit Brandon Ontiveros von der Big Mountain Enduro Series, die die EWS-Runde in Crested Butte ausrichtet ($305 Startgebühr für ein dreitägiges Event) und Neil Dalgleish von Tweedlove, die das Tweed Valley EWS veranstalten (£95 pro Starter). Wir wollten ihre Sicht der Dinge als Rennveranstalter hören.
Zunächst also: Warum will man als Event ein EWS-Rennen ausrichten? Solche globalen Wettkämpfe sind ja nicht günstig. Neil erklärt enthusiastisch: “Es ist wahnsinnig aufregend und eine große Ehre, der Welt zu zeigen, was für ein großartiger Ort zum Leben und zum Biken das hier ist. Wir haben eine fantastische Bike-Community und wir laden die Welt ein, uns zu besuchen und hier zu fahren. Ich bin stolz darauf, ein Teil davon sein zu sein. Für mich ist das Beste daran die Planung der Strecke und der Stages – die besten Fahrer der Welt auf unseren Trails hier zu sehen, ist ein Wahnsinnsgefühl. Es ist einfach abgefahren, zuzuschauen, wie die Topfahrer diese anspruchsvollen Trails shredden. Und wenn man dann sieht, wie einige von ihnen damit zu kämpfen haben, wird deutlich, wie gut manche Locals sind. Wir haben riesiges Glück, dass wir bei uns im Tweed Valley so viele tolle Trails haben.“ Brandon fügt hinzu: “Ja, es ist wirklich fantastisch, und wir fühlen uns geehrt, ein Event von Weltrang hier bei uns vor der Haustür ausrichten zu können – damit repräsentieren wir nicht nur den Bundesstaat Colorado, sondern die ganze Mountainbike- und Racing-Community in den USA. Die Berge und die Trails hier in Crested Butte sind ziemlich einzigartig (und gehören natürlich zu meinen Favoriten), und wir freuen uns sehr darauf, der Welt zu zeigen, was dieses gut versteckte kleine Städtchen in den Bergen mit seiner langen Mountainbike-Geschichte alles zu bieten hat.“
Die Popularität der EWS lässt sich nicht bestreiten – alle Events waren innerhalb von Sekunden ausverkauft. So schnell, dass es reines Glücksspiel ist, wer an den Start geht und wer nicht. Man muss sich das mal vorstellen, überall auf der Welt sitzen begeisterte Racer vor Ihren Computern und warten darauf, dass der Ticketverkauf beginnt – Seite aktualisieren – in Kürze verfügbar – Seite aktualisieren – ausverkauft – Aarghh!. Für Neil kam dieser Ansturm überraschend. „Unser EWS-Rennen war innerhalb von 30 Sekunden ausverkauft, unglaublich! Das Adrenalin schoss mir durch den Körper als ich das sah. Ich bin völlig hin und weg, dass so viele Leute bei diesem Event an den Start gehen wollen, und ich bin unglaublich stolz darauf, was unser kleines Team, und all die Leute, die uns unterstützt haben, bei der EWS 2014 auf die Beine gestellt haben. Ich glaube, dass das großen Anteil daran hat, dass das Rennen 2015 so schnell ausverkauft war. Wir haben wirklich alles gegeben, um es so gut wie möglich zu machen, und es ist toll, dass wir diese Anerkennung dafür bekommen. Wir werden auch weiterhin hart daran arbeiten, das Event immer besser zu machen.“ ”
Nun ist es noch nur schwierig, an die Tickets zu kommen, die Kosten steigen auch. Das Rennen in Crested Butte kostet 305 US-Dollar – das treibt einem fast die Tränen in die Augen. Was macht dieses Event so viel teurer als die anderen? Brandon erklärt: „Ja, ich weiß die Leute fallen schier vom Stuhl, wenn sie die Startgebühr sehen, aber wir können erklären, was da alles mit einfließt. Für ein Event dieser Größenordnung (3 Tage) brauchen wir über 30 freie Mitarbeiter, die bezahlt werden wollen, plus 4 Vollzeitangestellte. Und das ist nur der Anfang: Genehmigungen und Lizenzen sind in den USA teuer und umständlich zu bekommen, und auch die Shuttles sind ein enormer Posten (es geht hier immerhin um über 300 Racer und über 50 Medienvertreter). Dann wäre da noch die medizinische Versorgung, der Such- und Rettungsdienst, Funk und Satellitentechnik, Versicherungskosten, staatliche Gebühren, die Ausschanklizenz, das Catering, die Miete für allerlei Equipment, Recyclingkosten, Marketing, das Zeitmessungssystem, das Non-Profit-Budget und Spenden, die Versorgung auf der Strecke, der Fuhrpark, der Registrierungs- und Ergebnisservice, das Musik- und Rahmenprogramm, Startnummern und Trikots, Transponderchips, Preise und Pokale, Preisgelder, Karten, Programmhefte, Merchandising und Kleidung, EWS-Gebühren, und so weiter und so fort. Die Öffentlichkeit sieht oft nicht, was im Hintergrund einer solchen Veranstaltung los ist – es braucht über ein Jahr Planung, sehr viel Personal und viele teure Puzzleteile, damit am Ende eine Weltklasseveranstaltung dieser Art entstehen kann. Wir werden hier definitiv nicht reich, bei den meisten BME-Events erreichen wir nicht einmal die Gewinnzone.“
Es ist also nicht so, dass man einfach die Startgebühr mit der Zahl der Fahrer multiplizieren und daraus schließen könnte, dass hier ordentlich Reibach gemacht würde. Neil hierzu: „Die Höhe der Startgebühr ist mit der EMBA abgestimmt, und ich bin sicher, dass versucht wird, diese zwischen den einzelnen Events einigermaßen vergleichbar zu halten. Letztes Jahr hatte die EMBA noch eine Obergrenze für die Startgebühr festgesetzt. Ich bin erleichtert, dass wir sie dieses Jahr erhöhen konnten, auch wenn ich mir für die Fahrer gewünscht hätte, dass das nicht nötig gewesen wäre. Die traurige Wahrheit ist aber, dass wir mit der EWS & TweedLove im letzten Jahr sogar Geld verloren haben. Es ist schon verrückt – das Event hat einen enormen wirtschaftlichen Impact und bringt der Region 1,5 Millionen Pfund, aber wir schreiben dabei rote Zahlen. 2014 war es am Ende so, dass die EWS durch “grass root” Events wie das Glentress Seven und das King & Queen of the Hill subventioniert wurde. Eigentlich sollte es aber genau andersherum sein, so dass die großen Events die kleinen unterstützen. Selbst mit der höheren Startgebühr wird es nicht leicht werden, wirklich kostendeckend zu arbeiten.“
Wenn ein Event an Bedeutung gewinnt und es sich ein gewisses Image aufbaut, kann es sich natürlich auch nach anderen Einnahmequellen umsehen. Die internationale Medienpräsenz macht Großveranstaltungen für Hersteller zu einer perfekten Plattform, um ihre Produkte zu bewerben und dabei gleichzeitig zum Gelingen des Events beizutragen. Aber zum einen setzen viele Hersteller zunehmend darauf, Athleten statt Events zu supporten, und zum anderen sind die vorhandenen Finanztöpfe sehr hart umkämpft, so dass es für die Veranstalter alles andere einfach ist, Sponsoren zu gewinnen. Das gilt auf jeden Fall für Großbritannien, wie Neil feststellen musste. „Vielleicht hatten wir auch einfach Pech, aber es war sehr schwierig, Sponsoren zu finden. Ich meine, wir haben hier ein in Rekordzeit ausverkauftes Event mit einer verdammt langen Warteliste, aber wir hatten wirklich Probleme, Titelsponsoren zu finden. In Großbritannien ist die Situation schwierig, obwohl wir uns sehr anstrengen, den Sponsoren optimale Präsentationsmöglichkeiten zu bieten. Die Athleten promoten die neuen ‚Enduro‘-Marken und Produkte und leisten dabei sehr gute Arbeit, aber wir stellen nun mal einen ziemlich bedeutsamen Teil der Bühne zur Verfügung, auf der sie das tun. Deshalb kann es schon entmutigend sein, ständig Absagen von den Bike-Marken zu bekommen – manchmal kriegt man überhaupt keine Rückmeldung!“
Dieser Trend von Seiten der Marken, sich beim Sponsoring ausschließlich auf die Athleten zu konzentrieren, ist gefährlich – es ist ja schön, dass die Athleten gute Deals bekommen, und die Aufmerksamkeit in den sozialen Medien ist super für die Promotion. Aber damit Enduro als Sport überleben kann, müssen wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Neil erzählt: „Uns wurde schon öfters direkt gesagt, dass die Hersteller ihren Namen lieber auf dem Shirt sehen, das auf dem Podium steht, als auf der Wand, vor der das Shirt steht. Schön und gut, aber wenn die Events nicht unterstützt werden, dann gibt‘s irgendwann vielleicht kein Podium mehr, wenn ihr versteht, was ich meine! Das Ergebnis ist, dass solche Events hierzulande ohne einen Haufen öffentlicher Unterstützung nicht überleben können. Allen Herstellern, die uns unterstützen wollen, sei gesagt: Wir sorgen dafür, dass es sich lohnt!”
Da viele der großen Marken ihren Sitz in den USA haben, gestaltete sich die Situation für Brandon und sein Team etwas einfacher. „Es ist definitiv eine Herausforderung, aber ich denke, wir haben Marketing und Eventmanagement der Big Mountain Enduro Serie sehr professionell und gut positioniert und konnten uns so mit großen Marken zusammentun, die uns schon von Anfang an unterstützt haben, also Yeti Cycles, Shimano, Maxxis, Mavic, FOX, Smith, etc. Die Zusammenarbeit mit all unseren Sponsoren ist großartig. Wir sinddankbar für die Unterstützung der führenden Unternehmen in der Branche, die es uns erlaubt, uns ständig weiterzuentwickeln.”
Und wie sieht es mit öffentlicher Unterstützung aus? Events wie die EWS bescheren der örtlichen Wirtschaft Millionenumsätze, Hotels, Restaurants und die gesamte Tourismusbranche profitieren davon. Brandon erläutert: „Wir arbeiten an finanzieller Unterstützung, aber bei sowas gibt es nie irgendwelche Garantien, und wir haben auch jetzt keine feste Zusage für die Unterstützung der EWS-Rennen. In kleinen Städten wie Crested Butte ist die Sache mit der öffentlichen Unterstützung noch schwieriger, vor allem, wenn eh schon Saison ist und viele Touristen da sind.“
Neil meint hierzu: “Die Situation in Großbritannien ist anders als in vielen anderen Ländern, wo die Einkünfte aus regionalen Touristenabgaben auch dafür verwendet werden, attraktive Events wie die EWS in die Region zu holen, die eine Menge Besucher anziehen. Bei uns gibt nur eine zentrale Behörde für das ganze Land, und da kratzen dann alle an der Tür und versuchen, irgendwie an Gelder zu kommen. Und vielleicht sind die Entscheidungsträger dort auch nicht immer ganz auf dem Laufenden darüber, was in unserem Sport so passiert. Enduro wird von der British Cycling Organisation nicht so richtig anerkannt und ist im Vergleich zu XC und DH einfach noch eine relativ junge Disziplin. Deshalb haben wir Schwierigkeiten, Anerkennung und vor allem die dringend benötigte finanzielle Unterstützung zu bekommen, obwohl Enduro so richtungsweisend für den Mountainbikesport ist. Wir machen das, was wir machen, weil wir es lieben. Aber aus wirtschaftlicher Sicht ist es ein Albtraum.
In letzter Zeit wurde auf Grassroots-Ebene immer wieder Kritik laut. Dabei ging es um die Erhaltung der Trails und darum, welchen Beitrag die Events zum Trailbuilding leisten. Neil erklärt: “Die unglaublicheVielfalt an Trails, die wir hier haben, verdanken wir einigen wunderbaren Leuten in der Forstverwaltung und anderen, die als Einzelne aktiv sind und seit vielen Jahren wunderschöne Trails bauen. Wir haben in den letzten Jahren bei verschiedenen Events so viel bezahlt, wie wir konnten, um einen Beitrag zu den Arbeiten zu leisten, aber unsere Taschen sind leider oft ziemlich leer.“ In den USA ist der Trailbau traditionell eine stärker organisierte Gemeinschaftsangelegenheit, das merkt man auch Brandons Antwort an. „ Es gibt da zwar keine Verpflichtung, aber wir empfinden es als absolut notwendig, den lokalen Trailbaugruppen an den Durchführungsorten der BME Events etwas zurückzugeben (und das sowohl finanziell als auch durch aktive Beteiligung an der Arbeit selbst). Im Rahmen der EWS-Runde in Crested Butte arbeiten wir mit der ältesten Mountainbike-Organsiation der Welt zusammen, der Crested Butte Mountain Bike Association (CBMBA). Sie sind, nachdem wir vor uns vor drei Jahren mit dem BME-Hauptquartier in diesem ehemaligen Bergbaustädtchen niederließen, schnell zu guten Freunden und Partnern geworden.
Und wie ist es mit freiwilligen Helfern? Schließlich finden beide Events in Gegenden statt, in denen es extrem enthusiastische Bike-Communities gibt, es müsste doch also eine Menge Leute geben, die gerne mit anpacken? Neil meint: “Wir sind ein ziemlich kleines Team, von daher hätten wir gar keine Chance, das Ganze umzusetzen, wenn wir nicht auf die Unterstützung so vieler toller engagierter Leute zählen könnten. Ich glaube, die sind alle genauso stolz darauf, wie ich es bin. Die Unterstützung, die wir aus der Community bekommen, ist wirklich fantastisch, diese Leute sind vermutlich der bikeverrückteste Haufen in Großbritannien – Biken ist hier einfach Teil des Lebensstils. Wir werden dieses Jahr mehr Hilfe brauchen als je zuvor, also falls ihr vorhabt, als Zuschauer zu kommen und gerne mal wirklich nah an der Action dran sein wollt, dann meldet euch, wir freuen uns! Es gibt eine Menge interessante Aufgaben, bei denen wir Hilfe brauchen können, und das ist eine tolle Chance, Teil des Ganzen hier zu sein. Es liegt eine unglaubliche Energie in der Luft, weil die Enduro-Szene wirklich offen und freundlich ist – was auch für die Weltspitze gilt. Wir sind alle Teil einer großen Mountainbike-Familie.“
In den USA ist die Situation ein bisschen anders, was vor allem mit dem abgelegenen Austragungsort in den Bergen zu tun hat, erklärt Brandon. „Die vielen Faktoren, die so ein Event ausmachen, haben ziemlich gewaltige Ausmaße, besonders wenn man bedenkt, wie weit draußen dieses Rennen stattfindet, und wieviel Aufwand wir bei der Vorbereitung betreiben müssen. Wir arbeiten schon auch mit Freiwilligen, aber das ist nicht so einfach, weil sie sich oft entweder in der Gegend nicht gut auskennen oder wenig Erfahrung im Eventmanagement haben. Bei den Rennen sind zwischen 5 und 10 Freiwillige vor Ort, aber wir verlassen uns im Wesentlichen auf unser Kernteam, das davor schon monatelang gemeinsam daraufhin gearbeitet hat, um sicherzustellen, dass am Ende alles rund läuft und stimmig ist.“
Ja, Endurorennen sind teuer, aber nach dem Gespräch mit Brandon und Neil ist eines klar – hier geht es nicht ums Geldverdienen, sondern um die Liebe zum Sport. Niemand wird hier reich. Erschreckend deutlich wurde, wie nah am finanziellen Limit diese Events sich bewegen. Die Teams, die hinter der Big Mountain Enduro Series und Tweedlove stehen, arbeiten unermüdlich daran, den besten internationalen Racern eine Bühne zu bieten, auf der sie ihr Talent zeigen können, und sie verwenden eure Startgebühren bis auf den letzten Cent dafür, dass diese Events großartig werden. Es ist toll, zu sehen, dass der Sport von solchen Profis vorangetrieben wird, und es gibt nach wie vor keine andere Disziplin, wo Amateure auf Augenhöhe gegen Spitzenathleten antreten. Aber: wenn wir und die Branche sie nicht dabei unterstützen, ist es für die Teams irgendwann vielleicht einfach nicht mehr machbar, die EWS auszurichten. An alle Racer und Marken da draußen: ENDURO BRAUCHT EUCH!
Text: Trev Worsey
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