Reise | Mit Rosi vom Chiemsee nach La Palma
Der passionierte Mountainbiker Daniel Schäfer entflieht dem ungemütlichen deutschen Winter gerade auf der kanarischen Insel La Palma. Dana Elena Schweika beschloss, ihn dorthin zu begleiten. Um die Sache etwas spannender zu gestalten, liehen sie sich dafür das geräumige Mobile Home der Firma Maloja aus, liebevoll „Rosi“ genannt. Für uns hat Dana Elena Schweika ihre Reiseerlebnisse aufgeschrieben.
Ich bin eine leidenschaftliche Mountainbikerin und seit 2010 stolze Teamfahrerin der Maloja-Familie. Daniel hatte die Idee, einen Roadtrip vom Chiemsee nach La Palma zu machen, um dort zu überwintern – und als ich davon erzählt bekam, war ich sofort begeistert und wir planten gemeinsam eine grobe Route. Die Malojas hatten schon von den Launen der alten Lady und den zahlreichen ADAC-Rufen erzählt, die sie bei den letzten Rosi-Fahrten tätigen mussten. Deshalb wussten wir, dass genaueres Planen absolut sinnlos war. Wie konnte man schon wissen, ob man nun zwei oder vier Wochen braucht, um die Insel zu erreichen?
Geboten ist in dem geräumigen Gefährt einiges: vollausgestattete Küche mit zwei Kühlschränken, Gasherd, Mikrowelle und Mixer, ein Bad mit Toilette und Dusche, sechs Schlafplätze, zwei Klimaanlagen und eine Menge 80er-Amistyle. Ob wir das Ziel La Palma damit jedoch erreichen konnten? Das war zunächst dahingestellt und auch nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Denn was gibt es schon Schöneres, als einmal völlig planlos mit dem Bike und einem riesengroßen Wohnmobil namens Rosi durch Europa zu tingeln?
Die Crew von Maloja fand die Idee so genial, dass wir das Abenteuer mit einer Fotostory begleiten sollten. Also waren unser Fotograf Michael Müller und sein Gummibären essender Assistent und Filmer Martin Erdmann (KME Studios) auch mit am Start. Wir packten unsere Siebensachen und einen Tag vor der Abreise bekam die riesengroße Rosi dann noch die letzten Reparaturen und den nötigen TÜV für die Reise verpasst. O-Ton der Werkstatt: „Diese Plakette gibt es nur unter der Bedingung, dass der Prüfer dieses Getüm nie wieder in Deutschland zu Gesicht bekommt!“ Na sauber, das machte Hoffnung. Wir packten die Bikes aufs Dach, räumten die verstaubten Schränke voll mit den nötigsten Campingutensilien und machten uns dann auf den Weg gen Süden. Keine halbe Stunde später blieben wir das erste Mal liegen, da die gute alte Dame aufgrund der ersten Fotorangiererei überhitzte. Wir hatten uns über Rosis Launen im Vorhinein schon etwas informiert und wussten, dass sie jetzt einfach etwas Ruhe brauchte. Deshalb blieben wir auch weiter hochmotiviert, in den nächsten Wochen 4.536 km hinter uns zu lassen.
Nach der ersten Aufregung folgte bald die zweite, ob wir es denn überhaupt über den Brenner schaffen würden. Aber dann wir fuhren am ersten Tag schon bis auf eine Autobahnraststätte bei Affi, Italien. Während wir dort in der gemütlichen Rosi tief und fest schliefen, bekamen wir Besuch von einem Unbekannten. Der Typ stieg unbemerkt durchs Fenster, schnappte sich Michaels sauteure Kamera, rutschte dabei von der Radkappe und verursachte einen Riesenlärm, der uns alle weckte. Doch leider war es zu spät, denn der Gauner war samt Kamera weg. Als sich die Aufregung der gesamten Crew wieder gelegt hatte, schreckte uns ein zweites, ähnliches Szenario noch einmal auf – stellte sich dann aber als Albtraum von Martin heraus und so überstanden wir die erste Nacht und waren gespannt auf das, was noch kommen sollte.
Mit einem Kraftstoffverbrauch von 40 l pro 100 km fuhren wir am nächsten Morgen von Italien bis nach Frankreich. Meine Güte, die alte Dame fraß uns echt die Haare vom Kopf! Wir fuhren die wunderschöne Route de Crêtes an der Küste entlang und bangten um die Beständigkeit unserer Bremsen während der steilen Abfahrt nach Marseille. Dort hatten wir einige Schwierigkeiten mit Rosi: Zunächst war es schon eine gewaltige Herausforderung, durch die engen Gassen stadteinwärts zu kommen und dann kamen wir auf die großartige Idee, durch den Altstadt-Tunnel zu fahren. Durch ein kleines teaminternes Kommunikationsproblem kündigte sich mit lautem Knall eine neue Herausforderung an. Schnell verstanden wir, dass wir scheinbar die Messlatte für die maximale Fahrzeughöhe beim Einfahren gestreift und damit einen Alarm ausgelöst hatten. Ein ganzer Haufen Franzosen kam hektisch winkend auf uns zugerannt, was die Situation nicht gerade entspannte.
Nach einigem Hin und Her montierten wir die Räder vom Dach, um so 30 cm an Höhe zu gewinnen und bekamen daraufhin erlaubt, den Tunnel zu befahren. Die Nutzung der Erlaubnis gestaltete sich dann jedoch schwieriger als geplant: Aufgrund unserer Breite mussten wir die Seitenspiegel ab- und nach der Durchfahrt wieder anschrauben, was eine halbe Ewigkeit dauerte. Die Freude danach währte nicht lang, denn Rosi war die Bastelei einfach zu stressig, sodass sie mal wieder überhitzte und ausging. Wir verursachten einen riesigen Stau auf der dreispurigen Tunnelstraße und versuchten panisch, das alte Wohnmobil wieder zum Laufen zu kriegen. Das gelang uns Gott sei Dank auch irgendwann und so ging es erleichtert weiter Richtung Salin-de-Giraud, wo wir uns in einem verlassenen Hotel über einen guten französischen Wein freuten. Eine perfekte Gelegenheit, um zu philosophieren und zu großen Erkenntnissen zu gelangen, wie beispielsweise, dass es ohne Fahrtwind einfach nicht geht.
Die Region Camargue bot eine atemberaubend schöne Szenerie, die wir in der Morgendämmerung ausnutzten, um Aufnahmen zu machen. Zurück auf der Straße stellten wir dann fest, dass Rosi ein Leck am Tank hatte und zudem die Hälfte der Lichtmaschinen-Befestigung abgerissen war! Daniel löste mit all seiner Kreativität und ein paar Kabelbindern das Problem und wir fuhren weiter Richtung Montpellier. Wir wussten aus Erzählungen, dass es dort einen Haufen cooler Spots zum Biken gibt. Leider war wegen eines Unwetters jedoch keiner dieser Spots zu befahren und so fuhren wir kurzerhand weiter nach Barcelona, Spanien.
Nach einer vergleichsweise ereignisarmen Fahrt und dem Erreichen Barcelonas trauten wir unseren Augen nicht, als wir in dem Vorort Premià de Dalt einen megageilen Dirtspot vorfanden. Im Bikepark „La Poma“ durften wir uns dann den ganzen Vormittag auf den Bikes austoben und große Doubles springen. Und das Ganze auch noch mit Blick aufs Meer. Wow! Ein Spot, den ich nicht vergessen werde und ein Spot, an den ich unbedingt zurückmuss!
Verausgabt und durchgeschwitzt fuhren wir weiter nach Alicante und trafen dort auf unseren Teamkollegen Guido Tschugg. Auf der Suche nach weiteren Spots zum Biken fuhren wir über Stock und Stein durchs spanische Niemandsland. Dass das keine so gute Idee war, wurde uns klar, als Rosi die Hitze zu viel wurde und sie beim Ausrangieren aus einer Sackgasse wieder überkochte. Das Kühlwasser verdampfte und sprudelte nur so aus ihr heraus – eine heikle Situation, in der wir an einer Fortführung unserer Reise zweifelten. Wir fanden ein landwirtschaftliches Wasserbecken und konnten dort glücklicherweise Rosis Kühlwassertank wieder auffüllen. Nach einer kleinen Abkühlungspause konnten wir den Weg durch das Gelände zurück auf die Straße antreten.
Inmitten der traumhaft schönen Landschaft Spaniens fanden wir zufällig den hammergeilen „Guijarro“ Bikepark. Northshores, Road Gaps, Doubles und staubige Steilkurven ließen unsere Herzen schneller schlagen. Wir dokumentierten die Action ausgiebig mit Fotos und Video und genossen den liebevoll angelegten Spot in vollen Zügen. Weiter ging es dann quer bis in die Sierra Nevada. Die Pässe waren gar nicht so ohne und eine weitere Planänderung blieb nicht aus: Rosi passte nämlich nicht durch das Bergdorf, das auf halber Höhe gelegen war, und zwang uns zur Improvisation. So erreichten wir eine verlassene Bergstraße und suchten uns ein Plätzchen zum Schlafen. Ich konnte mir den Sternenhimmel nicht entgehen lassen, schlief unter freiem Himmel und ließ mich von der Morgensonne wecken.
Völlig übermüdet vom Steuern der schweren Dame fuhr Michael erst ab und zu und dann immer öfter mit angezogener Handbremse, sodass diese bald kaputt war. Deshalb verursachten wir einen enormen Lärm, als wir durch die Hafenstadt Cádiz fuhren und beschlossen, einen Mechaniker zu suchen, was sich aufgrund der spanischen Mentalität an einem Freitagnachmittag etwas schwierig gestaltete. Als wir dann fündig wurden und unsere Problemchen schilderten, fragte der nur, was das denn eigentlich sei, mit dem wir da unterwegs wären. Er hätte so etwas noch nie gesehen und hier in Spanien gäbe es dafür sowieso keine Ersatzteile. Das war’s dann also mit der Handbremse.
Unsere Fähre von Cádiz nach La Palma fuhr nur dienstags und da wir schon freitags die Westküste Spaniens erreicht hatten, besuchten wir unsere Freunde Moni und Tom im „La Luz Surfcamp“ in El Palmar. Hier verbrachten wir unglaublich entspannte Tage am Meer, gingen surfen und auf Sightseeing-Tour, genossen das gute Essen und den leckeren Wein im Camp und erkundeten die lässige Surferszene in den kleinen Bars am Strand. Unser Filmteam von KME Studios machte sich wieder auf den Heimweg und wir fuhren alleine weiter in Richtung der kanarischen Insel. Als wir die Fährfahrt in Angriff nehmen wollten, sprang die gute alte Rosi jedoch gar nicht mehr an. Wir versuchten alles, um die zickige Dame irgendwie auf die Fähre zu kriegen und brachten den Motor kurz vor der Abfahrt nur durch die kurzfristige Reparatur des in Rosi integrierten Stromaggregats zum Laufen, mit dem wir dann direkt vor dem Schiff nochmal die Batterien luden. Die Leute, die das ganze Schauspiel beobachteten, feierten das Spektakel und verabschiedeten uns mit Applaus und Pfiffen. Wir entschieden uns, Rosi erst dann wieder auszumachen, wenn sie auf Deck richtig stand. Völlig überhitzt und schwitzend brachten wir sie eine Stunde später an ihren Stellplatz.
Jetzt galt es, drei Tage auf der Fähre zu bewältigen. Wir machten das Beste daraus, sonnten uns, schliefen an Deck unter freiem Himmel und wenn wir es gar nicht mehr aushielten vor lauter Langeweile, spielten wir sogar „Stadt, Land, Fluss“. Zwischendrin stoppten wir auf Gran Canaria und Teneriffa und konnten uns dort die Füße vertreten und die Region erkunden. Auf Teneriffa stieß dann unser spanischer Freund und Fotograf Mario Entero von Fuerteventura hinzu, um die Ankunft auf der Insel La Palma zu dokumentieren. Wir erreichten Santa Cruz de La Palma am Freitagmorgen und verließen aufgrund erneuter Startprobleme die Fähre als Letzte. Kurze Drogenkontrolle am Hafen mit laufendem Motor, was die Beamten eher misstrauischer machte, und dann ging es weiter zu unserem Ziel, dem Leuchtturm der Palmerischen Südspitze. Dort gingen wir direkt im Meer baden und setzten uns in der Abendsonne auf unsere Mountainbikes, um den schwarzen Vulkansand der Insel unter unseren Reifen zu spüren und den Sonnenuntergang auf dem Bike zu genießen. Mit einem Lagerfeuer, Bier und Fisch, wozu wir von ein paar Fischern eingeladen wurden, feierten wir unsere Ankunft auf der Insel.
Ja, das war also unsere Reise. Wir sind insgesamt 2.905 km quer durch Österreich, Italien, Frankreich und Spanien gefahren und haben 1.631 km auf hoher See bewältigt. Es war eines der größten Abenteuer, die wir je erlebt haben und wir werden diese Geschichte mit Sicherheit niemals vergessen und sie immer wieder erzählen. Wir wussten nie, wie weit wir kommen werden, wo wir übernachten können oder wann Rosi eine neue Herausforderung für uns parat hält. Wir starteten jeden Tag völlig entspannt und beendeten ihn ziemlich müde. Vollgepackt mit Erlebnissen in immer wieder neuen Landschaften, mit unterschiedlichen Sprachen, mit der Technik oder der Natur und abhängig der Launen unserer alten Lady. Rosi? … danke! Du bist echt ’ne Wucht.
Text: Dana Elena Schweika Bilder: KME Studios
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