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Ride Fit | 5 Gründe, warum ihr mit Trainingsplan trainieren solltet

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Auf der Nordhalbkugel beginnt der Frühling, die Blumen und Bäume beginnen zu knospen, der Schnee schmilzt und die Trails erstrahlen nach dem Winter nun langsam wieder in ihrem alten Glanz. Diese Zeit gehört zu meinen liebsten im Jahr, denn jetzt kann ich wieder öfter biken und komme in den Genuss dieses intensiven Waldgeruchs und von halbgeschmolzenem Schnee und Matsch, der einem ins Gesicht spritzt. Es ist einfach nur toll, nicht drinnen sitzen zu müssen und zu warten, bis ich raus kann.

Wie ihr sicherlich auch, werde ich ganz kribbelig und will so viel fahren, wie es mein Terminkalender irgend zulässt. Da ich aber selbständig bin und eine wunderbare Frau und zwei Kinder habe, bieten sich diese Gelegenheiten eben nicht ganz so oft, wie ich es mir wünschen würde. Aber steht das meiner Entwicklung als Mountainbiker und Enduro-Racer im Weg? Wenn ihr mich fragt: nein.

Einfach nur Fahren oder gezielt trainieren?
Einfach nur Fahren oder gezielt trainieren?

Ziemlich oft höre ich, dass Mountainbiker an fünf bis sieben Tagen in der Woche fahren, aber in der Mitte der Saison darüber klagen, wie „ausgelaugt“ sie sich fühlen, oder dass sie einen Leistungseinbruch erleben und Probleme haben, sich wieder zu verbessern. Wenn man sie fragt, wie sie so trainieren, sagen sie sowas wie: „Naja, ich fahr mich halt in Form.“ Immer wenn ich so etwas höre, will ein Teil von mir frustriert aufschreien, aber ein anderer Teil denkt sofort an die potenzielle Verbesserung, die so ein Fahrer durch ein bisschen Umdenken erreichen könnte.

Also, was ist das für ein Umdenken? Es geht hier um eines der größten Probleme unter Mountainbikern, und zwar die mangelnde Aufmerksamkeit dafür, wie gut sich ihr Körper auf dem Bike bewegt. Ich meine, ich verstehe das ja. Aber neben der simplen Tatsache, dass wir es lieben, unsere Bikes zu fahren, woher kommt denn dieses Denken, das uns sagt, „je mehr Kilometer, desto besser“? Und andersrum, was treibt die Angst an, dieses „wenn ich nicht oft genug fahre, bin ich nicht fit genug, um ein guter Fahrer zu sein, und schon gar nicht für Rennen“? Ich habe eine Antwort, aber seid ihr bereit dafür?

Ich bin fest überzeugt, dass wir diese Idee aus einer für Rennradfahrer durchaus legitimen Mentalität übernommen haben und nun denken, dass auch wir Unmengen an Kilometern fahren müssen, um gute Mountainbiker zu sein. Deshalb sind da draußen auch so viele „Cardio-Coaches“ für Radfahrer unterwegs, die ihren Kunden Trainingspläne schreiben, in denen es fast nur darum geht „wann, wie oft, und wie intensiv“ man fährt.

Ich finde es gut, dass es diese Coaches gibt… wir brauchen sie! Mein Argument ist aber, dass wir nicht genug „Biomechanik-Coaches“ haben, die sich um biomechanische Probleme von Radsportlern kümmern.

Gehen wir also mal von dieser Idee aus. Im Folgenden nun fünf Gründe, warum ich denke, dass es besser ist, einen genauen Plan zu haben, wie man sich als Sportler verbessert, statt einfach nur draufloszufahren.

Wer sich auf der Rolle quält, sollte das gezielt tun.
Wer sich auf der Rolle quält, sollte das gezielt tun.

Erstens: Basiskilometer

Wie gesagt stimme ich zu, dass Basistraining in Form von vielen Kilometern eine gute Sache ist, ABER nicht ohne einen Plan, der sich auf eure Funktion als Athleten richtet. Schließlich sind wir eben nicht nur „Lungen mit Beinen“. Akzeptieren wir doch die Vorstellung, dass wir in erster Linie Athleten sind – und erst dann Mountainbiker. Diese Annahme lässt sich noch verdeutlichen, indem wir uns die Unterschiede zwischen dem Mountainbike- und dem Straßenradsport vor Auge führen:

Als Mountainbiker sind wir mit Folgendem konfrontiert, wenn wir fahren:

  • extreme Gelände- und Höhenveränderungen
  • ständige Veränderungen der Körperposition
  • große Anforderungen an Balance und Koordination
  • Vibrationen und Schläge vom Untergrund
  • starke G-Kräfte
  • extrem hohe Anforderungen an das Herz-Kreislaufsystem, die Muskulatur und das Nervensystem

Da das so ist, stellt sich doch die Frage, warum diese Dinge nicht eine zentrale Rolle spielen, wenn sich Mountainbiker auf die Saison vorbereiten? In der Tat eine gute Frage! Wenn man aber diese Gesichtspunkte beim Training ausreichend berücksichtigt, dann lässt sich der Erfolg eines Fahrers exponentiell erhöhen.

Zweitens: Sportler sein

Wenn man sich die besten Radsportler der Welt anschaut, inklusive Downhill- und EWS-Fahrern, dann stellt man fest, dass diese Leute sich zunächst mal darauf konzentrieren, die bestmöglichen Athleten zu werden, und dann das, was sie dadurch erreichen, auf dem Bike anwenden und verfeinern. Von Profis und von Amateuren, die nach Trainingsplan trainieren, höre ich gleichermaßen oft: „Ich muss mich nicht immer mehr anstrengen, um schneller und effizienter zu werden, ich werd’s einfach. Man merkt es an den Geschwindigkeiten, daran dass ich weniger erschöpft bin und an den verbesserten Fahrfähigkeiten.

Solche Aussagen zeigen, was das Coole an einem Trainingsplan ist. Es ist ganz einfach: Wenn man Flexibilität, Stabilität, Haltung, Atmungsmechanik und Kraft verbessert, dann wird das zur Norm – egal ob auf dem Bike oder nicht.

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Drittens: Verstehen warum

Frage: Wisst ihr, woher dieser Schmerz in der Hüfte oder am unteren Rücken kommt? Was ist mit der Erschöpfung oder mit dieser lästigen Knieverletzung vom letzten Jahr, die immer noch manchmal weh tut? Wisst ihr, warum ihr das tut, was ihr eben tut, um ein besserer Mountainbiker zu werden? Ich finde, Ärzte, Physiotherapeuten, Chiropraktiker, Trainer und Coaches sollten einem Klienten oder einer anderen Fachkraft jederzeit die Frage beantworten können: „Wozu soll ich das machen?“

Beim Training ist es genauso. Wenn euch ein professioneller Coach einen Trainingsplan erstellt, dann sollte es erstens eine körperliche Beurteilung in irgendeiner Form geben, zweitens solltet ihr einen Fragebogen zu eurer Vorgeschichte ausfüllen müssen, drittens solltet ihr bezüglich jeglicher körperlicher Beschwerden, um die ihr euch noch kümmern müsst, an qualifiziertes medizinisches Personal verwiesen werden, und viertens sollte der Plan ganz spezifisch für euch erstellt und euch von eurem Coach erklärt werden, sodass ihr ganz genau wisst, was von euch im Rahmen eures Trainings erwartet wird. Fragt nach – ihr seid Kunde, es ist eurer Körper, ihr habt ein Recht, zu wissen, warum und wozu!

Wie erreicht man ein Ziel am besten?
Wie erreicht man ein Ziel am besten?

Viertens: Rechenschaft

Wem müsst ihr Rechenschaft ablegen und wofür? Wenn ihr euch „einfach nur in Form fahrt“, was bedeutet das denn eigentlich? Form im Sinne von „Fitness“ oder im Sinne von „Performance“? Was wollt ihr mit eurer „Form“ anfangen können, wenn ihr sie erlangt habt? Und wann habt ihr das?

Ihr seht: Rechenschaft abzulegen heißt, einen Plan oder eine Person zu haben, dem oder der ihr Rechenschaft schuldig seid. Wenn ihr keine Ziele habt, auf die ihr hinarbeitet, wenn euch Verbesserungen egal sind, dann betrifft euch dieser Abschnitt hier natürlich nicht. Aber wenn ihr ernsthaft besser oder schneller werden wollt, gegen eure Freunde gewinnen, auf einem Podium stehen, fahren bis ihr 75 seid, oder einfach fahren ohne Schmerzen, dann braucht ihr Ziele und dann ist es auch notwendig, Rechenschaft abzulegen. Ich frage also nochmal: Wem oder was legt ihr Rechenschaft ab?

Fünftens: Ruhe

Wenn ihr so seid wie die meisten Mountainbiker, die ich coache, dann ruht ihr euch nicht genug aus. Auch das geht wohl zurück auf den erwähnten „mehr-ist-besser“-Gedanken, statt sich damit auseinanderzusetzen, was man tun kann, um sich am besten aufs Fahren oder auf Rennen vorzubereiten. Training + Ruhe = optimale Performance.

Denkt daran, euer Körper wächst, passt sich an und wird schneller, während ihr euch ausruht, nicht zwingend während des Trainings. Für die meisten Athleten ist RUHE ESSENZIELL, wird aber viel zu wenig genutzt.

Ich meine, denkt mal darüber nach, eigentlich ist das Training der einfache Teil. Der schwierige Teil ist, sich einen Ruhetag zuzugestehen, vor allem wenn ihr merkt, dass euer Körper danach schreit.

Es ist ja so: Wir sind alle vertraut mit intensiver, harter Arbeit. Leiden macht uns nichts aus und wir sind sogar auf eine unvernünftige Weise stolz darauf, dass wir immer mehr aushalten. Aber die Balance zwischen Arbeit und Erholung muss gut sein und wenn ihr keinen Plan habt, an dem ihr euch bezüglich des Verhältnisses von Arbeit und Ruhe orientieren könnt, dann besteht ein erhöhtes Übertrainingsrisiko. Hier sind einige typische Anzeichen von Übertraining:

  • Verlust des Interesses am Training oder am Wettkampf
  • Schlafstörungen
  • Schlechte Laune
  • Reizbarkeit
  • Verminderter Sexualtrieb
  • Appetitverlust
  • Durst
  • Magen-Darm-Probleme, z. B. Durchfall
  • Erhöhte Herzfrequenz
  • Anhaltender Muskelkater

Eine letzte Frage also: Warum fahrt ihr euch einfach in Form, ohne Plan?

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Probiert doch dieses Jahr mal was Neues. Und NEIN, es ist nicht zu spät, jetzt anzufangen – besorgt euch einen Plan. Arbeitet darauf hin, als Athleten so gut zu werden, wie ihr könnt, und dann macht ihr das Finetuning auf dem Bike. Die Ergebnisse werden euch umhauen!

Text: Dee Tidwell, enduromtbtraining.com


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Über den Autor

Aaron Steinke

Aaron war der erste Mitarbeiter unseres Unternehmens, hat es tatkräftig mit aufgebaut und dabei den Auftritt und die Ausrichtung unserer Magazine maßgeblich mitgeprägt. Seit Mitte 2020 verfolgt er eigene Projekte, berät und unterstützt uns aber weiterhin bei Marketing- und Technik-Themen. Viele Jahre lang konnte man Aaron vor allem auf spaßorientierten Enduro-Rennen finden, in letzter Zeit auch vermehrt auf dem Rennrad – es lebe die Freiheit auf zwei Rädern!