Solveig Lindgren von der Mountainbike Fahrtechnik Schule RidingStyle bestritt ihr erstes Enduro Rennen und war ziemlich begeistert. Zum 4. Rennen des Bluegrass Enduro Cups in Guebwiller gibt es hier einen sehr persönlichen Erfahrungsbericht von ihr:

Die Aufregung macht sich jetzt deutlich bemerkbar. Wer hat mich dazu überredet mich für ein Enduro-Rennen anzumelden? Oder war es sogar meine Idee? Egal, jetzt bin ich hier. Ich habe keine Ahnung auf was ich mich einlasse. Mit am Start sind auch meine Teamkollegen Patricia „Pati“ Rupp und Matthias „Matt“ Wengenroth. Patricia und ich sind absolute Enduro-Neulinge. Für Matthias ist es bereits das 3te Rennen in der Bluegrass Serie.

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Beim Umziehen macht sich massive nervosität breit…

Mit guten Freunden zusammen eine Tour fahren, neue Trails entdecken und ganz nebenbei wieder ein bisschen Rennluft schnuppern war mein Gedanke dahinter. In dieser Renn-Serie werden unbekannte Trails auf Sicht gefahren. In Guebwiller sind es insgesamt 5 Stages die bewertet werden. Dazwischen strampelt man über lange Bergauf-Passagen immer wieder zur nächsten Stage.

Als ich am Vorabend die Routen-Beschreibung gelesen habe wurde mir bewusst, dass ich die physische Herausforderung etwas unterschätzt habe. Ganz unvorbereitet kann ich hier wahrscheinlich nicht einfach so locker mitfahren. Ob ich das ganze innerhalb der maximal erlaubten Zeit überhaupt durchziehen kann??

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Solveig und Pati vor dem Start

Der Rennstart ist oben auf dem Berg ‘Grand Ballon’ um zumindest ein paar Höhenmetern mehr bergab als bergauf fahren zu können.

Stage 1

– Ich fahre los, schon um die erste Kurve wird es etwas technisch und steinig, dann folgt frischer Waldboden und flowige Kurven, ein lächeln von Ohr zu Ohr breitet sich aus und ich vergesse vollkommen, dass ich hier auf einem Rennen bin. Es macht einfach nur Spaß! Ich überhole, alle sind sehr freundlich und lassen mich ohne zu zögern vorbei. Bis der Nächste vor mir erschreckt, eine Vollbremsung macht und sich direkt vor mir hinlegt… Ich fliege durch die Luft, rolle ab finde schnell mein Fahrrad wieder und weiter geht’s. Gegen Ende gibt es noch ein paar leichte bergauf Passagen die sich aber gut fahren lässt, ich bin ja noch fit und vollgepumpt mit Adrenalin.

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Matt direkt nach dem Start

Wow war das ein Spaß, ich melde mich gleich fürs nächstes Jahr wieder an! :) .

Nach der Stage geht’s wieder bergauf, Helm wechseln, etwas Wasser trinken und los. Nach den ersten Metern fällt mir auf, dass ich vor lauter Aufregung vergessen habe meine gepolsterte Radhose anzuziehen. Dafür bin ich doch hier, um Erfahrungen zu sammeln und etwas dazu zu lernen. Oder wie man auf Englisch sagt: „learn the hard way“ ;)

Stage 2

– In der 2ten Stage geht es am Anfang steil und lange bergauf. Auf bergauf Sprints war ich überhaupt nicht vorbereitet. Hier komme ich schon das erste mal an meine Grenze, meine Beine bewegen sich nur noch in slow-motion und der Riegel den ich kurz vor dem Start gegessen habe macht sich wieder auf den Weg nach oben.

Mehr geht nicht. Aber es geht weiter hoch und runter, ich habe ein paar Steher weil ich meine Sattelstütze gerade nicht verstellen kann. Ins Ziel gekommen… und jetzt geht’s gleich wieder Berghoch zur nächsten Stage. Ganz schön lange. Meine Sitzknochen werden langsam taub.

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Solveig mit Speed auf der 2ten Stage

Stage 3

– Jetzt macht sich die Anstrengung schon etwas bemerkbar. Ich fahre nicht mehr so konzentriert, ich mache einen Fahrfehler und bleibe mit dem Lenker an einem Gatter hängen und schlage hart auf. Autsch! Schmerz! Scheiße das wars! Ich bleibe neben der Strecke liegen. Enttäuschung und dann kommt für eine Sekunde sogar ein Gefühl von Erleichterung, ich muss ja nicht mehr weiterfahren, das wars für mich. Doch gleich treibt mich dann doch der Gedanke weiter, dass die Enttäuschung noch viel größer sein wird, wenn ich jetzt abbrechen würde. Außerdem warten meine Teamkollegen unten am Ende der Stage auf mich. Runter schlucken, Zähne zusammenbeißen und weiter geht’s.

Zitternd vor Adrenalin und Schmerz rolle ich endlich ins Ziel. Ich freue mich jetzt besonders über die Integral Helm Pflicht, denn versteckt unter mein Helm rollen ein paar Tränen aus Schmerz und Erschöpfung.

Meine Teamkollegen müssen wohl ohne mich weiter fahren. Matt nimmt ganz ruhig mein Fahrrad in die Hand, fährt meine Sattelstütze hoch und sagt freundlich aber mit viel Nachdruck: “Hier wird nicht aufgegeben!“ Er schiebt mich sogar die ersten paar Meter an. Meine Beine kommen in Bewegung, ohne Worte, tritt für tritt nähern wir uns der vorletzten Stage.

Stage 4

– Ein wunderschönes Panorama begrüßt uns am Start. Es geht jetzt zum Glück fast ausschließlich bergab. Ich fahre langsam aber sicher und sturzfrei. Es wäre eigentlich ein sehr spaßiger Trail gewesen – schade, dass ich das nicht mehr so richtig genießen kann. Ich komme ins Ziel… Jetzt ist es gleich geschafft.

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Solveig auf Stage 4 kurz vor dem Ziel
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Und Pati an der gleichen Stelle…

Stage 5

– Mitten in dem kleinen idyllischen Dorf Guebwiller geht es ca. 300 Meter auf einem kleinen, künstlich errichteten Parcours unter anderem auf einem sehr schmalen North-Shore über einen kleinen Pool. Pati und ich schauen uns an. Auf so etwas haben wir jetzt überhaupt keine Lust mehr.

Und mit der Einstellung landen wir natürlich beide ins Wasser. Die Zuschauer sollten ja auch etwas davon haben! ;)

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Der Zielbereich in Guebwiller

Mein Fazit

– Ich habe mein erstes Enduro-Rennen überlebt und wir waren fast 4 1/2 Stunden unterwegs. Ich habe gelacht, geweint und meine Grenzen erweitert. Es war ein intensives Erlebnis in einer entspannten Rennatmosphäre mit wunderschönen flowigen Trails. Und das Ergebnis war dann doch besser als erwartet. Am Ende habe ich Platz 5 bei den Damen belegt.

Es hat schon ein bisschen Lust auf mehr gemacht. Dafür werde ich wohl ab jetzt auch ein bisschen mehr bergauf fahren. Und beim nächsten Mal unbedingt eine gepolsterte Radhose anziehen! ;)

Eure Solveig


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