Was das SCOTT Genius auf dem Kasten hat, hat das Rad bereits mit dem Testsieg in unserem Vergleichstest von sechs edlen Trailbikes unter Beweis gestellt. Doch wie schlägt sich das Leichtgewicht im Dauertest? Wo liegt das Limit des Bikes und wo zeigen sich nach einem Jahr mögliche Schwächen? Unser Tester Gregor hat es herausgefunden.

Das SCOTT Genius 900 Tuned für 7.499 € im Dauertest

Ein kurzer Blick auf die Daten lässt schon erahnen, dass es SCOTT beim Genius ernst meint.29” Laufräder, 150 mm Federweg, flache 65°Lenkwinkel und das alles gepaart mit der SCOTTTwinLoc-Technologie. Das sollte einen sehr großen Einsatzbereiche abdecken und aus diesem Grund hat Gregor es von der entspannten Runde auf den Hometrails bis hin zu waschechten Downhill-Strecken überall mitgenommen.

Tester Gregor strahlend mit dem Scott Genius 900 tuned

Das SCOTT Genius im Detail

Mit der aktuellen Genius-Reihe ist es SCOTT gelungen einen der optisch schönsten Rahmen auf die Räder zu stellen. Keine wilden Umlenkungen oder Streben stören das Profil. Der Dämpfer sitzt sehr tief über dem Tretlager und ist perfekt geschützt von Dreckflug jeglicher Art. Einzig die Ausbuchtung unter dem Federbein sammelt fleißig Dreck. Direkt daneben hat man sehr viel Platz für einen Flaschenhalter. In unserem Fall haben wir die Syncros Matchbox Tailor Cage verbaut, die viel Platz für integriertes Werkzeug bietet. Sämtliche Leitungen verlaufen vollständig im Rahmen und trotz der zwei zusätzlichen Kabel für das TwinLoc-System ist es möglich ein optisch cleanes Cockpit aufzubauen – etwas Isolierband bewirkt hier Wunder.

Mit ein wenig Arbeit fallen die zusätzlichen Züge des TwinLoc-System kaum auf

An der verbauten FOX 36 Federgabel ist ein perfekt integrierter Schmutzfänger von Syncros verbaut. Aber das optische Highlight ist ganz ohne Frage die Vorbau– Lenker-Kombination. Bei dem Syncros Hixon SL iC sind Lenker und Vorbau in einem Carbon-Bauteil laminiert, um auftretende Kräfte werkstoffgerecht zu verteilen und nebenbei noch Gewicht zu sparen. Die eigenwillige Optik mag vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig erscheinen, besticht aber durch das futuristische Design. Auch die Lenkergeometrie ist für Gregor Spot-On. Das muss sie auch, da eine Verstellung lediglich in der Höhe mittels Spacer möglich ist.

Der SRAM X01-Antrieb zeigte sich von dem Dauertest unbeeindruckt und funktionierte bis zum Schluss ohne Probleme.
So sieht werkstoffgerechte Konstruktion aus. Das Syncros Hixon-Cockpit ist leichter und steifer als die klassische Vorbau-Lenker-Kombination.
Mit 760 mm Breite fällt das Syncros Hixon-Cockpit etwas schmal aus, mit den Ergon-Griffen hat Gregor je ca. 1 cm an Breite rausgeholt
Für einen optimalen Kraftfluss positioniert SCOTT den Dämpfer stehend. Etwas nervig: die Tasche unter dem Dämpfer, in der sich gerne Dreck sammelt.

Das SCOTT Genius auf dem Trail

Auf natürlichen Singletrails ist das Genius in seinem Element – bergauf wie bergab!

Draufsetzen und los! In etwa so verlief Gregors erste Ausfahrt mit dem Genius. Keine großen Setup-Orgien, sondern lediglich Luftdruck und Rebound angepasst – und ab dafür.
Die Sitzposition fühlt sich sehr ausgewogen und zentral an. Alles ist an seinem Platz, man fühlt sich sofort wohl. Der TwinLoc-Hebel braucht eine kurze Eingewöhnungszeit, da er genau an der Stelle des Shifter bzw. Dropper Post Hebel sitzt. Aber trotz der vielen Hebel auf der linken Seite kann man das TwinLoc-System und die Sattelstütze ausreichend gut bedienen.
Und genau das ist eine der Stärken des Bikes. Die TwinLoc Gabel- und Dämpferverstellung in den Stufen Descend (bergab/offen) – Traction Control (Trail-Mode) – Lockout (Straße, Ebene) funktionieren sehr gut. Selbst Tester Gregor, ein Verfechter der klassischen kabellosen Verstellhebel, musste sich eingestehen, wie gut und einfach das System zu bedienen ist.

 Auf meiner einstündigen Hometrail-Runde habe ich das TwinLoc-System rund 30 bis 40 mal benutzt.

Auf Naturtrails begeistert das SCOTT Genius mit einem sehr berechenbaren und ausgewogenen Handling

Das FOX-Fahrwerk funktioniert bekanntermaßen sehr gut. Die FOX 36 mit FIT4 Kartusche spricht feinfühlig an und gibt keinerlei Punkt zur Beanstandung. Das gabelinterne Grundsetup der Highspeed Compression ist sehr passend für ein modernes Trailbike. Nach anfänglichen Tests mit einer unterschiedlichen Anzahl von Volume-Spacern, blieb Gregor am Ende bei dem ursprünglichen Setup. Lediglich die Lowspeed Compression wurde je nach Strecke etwas angepasst. Der FOX NUDE-Dämpfer fügt sich sehr stimmig in das Hinterbaukonzept. Um den Hinterbau seine volle Performance zu entlocken, sollte der Dämpfer aber mit mindestens 30% SAG gefahren werden. In der „Descend“-Dämpferverstellung wäre jedoch ein wenig mehr Druckstufendämpfung von Vorteil, um in Kurven und Kompressionen nicht ganz so stark einzutauchen. Diese lässt sich beim verbauten NUDE-Dämpfer nicht individuell anpassen. Dadurch verliert das Bike in manchen Fahrsituationen etwas an Popp. Fährt man das Rad mit weniger SAG steht es zwar stabiler im Federweg, leider verschlechtert sich dadurch die Feinfühligkeit deutlich und der Federweg kann kaum ausgenutzt werden. SCOTT hat das Problem im neuen Modelljahr bereits gelöst: Das 2019er Genius kommt mit einem neuen Dämpfer der einen externen Verstellhebel zum Verändern der Hinterbauprogression besitzt, so lässt sich das Luftvolumen ändern ohne das Federbein zu öffnen. Zusätzlich lässt sich das Volumen beim neuen Dämpfer mit klassischen Spacern tunen.

Einfach laufen lassen! Dank der abfahrtslastigen Geometrie bringt das Genius fast nichts aus der Ruhe.

Die auf den ersten Blick „aggressive“ Geometrie fühlt sich auf dem Trail sehr ausgewogen an und das Rad lässt sich mit etwas Impulskraft gut manövrieren. Lediglich die Lenkerposition ist etwas zu tief geraten. Da die Höhe der Vorbau-Lenker-Kombination schon mit zwei 10 mm Spacern an ihr Maximum angekommen ist, hat man hier leider keinen Spielraum mehr.

Das Genius macht auch in der Luft eine gute Figur

Da der Rahmen auch bei EWS-Rennen eingesetzt wird, hat sich Tester Gregor nicht gescheut, dem Genius ebenfalls Feuer unter dem Bike-Hintern zu machen. Das zeigt sich allerdings davon recht unbeeindruckt. Ganztagestrips in den Bikepark mit großen Downhillstrecken sind problemlos möglich. Selbstverständlich merkt man an einigen Stellen, dass man auf keinem Downhillbike sitzt, dennoch überrascht das Genius durch sein großes Einsatzspektrum. Wird der Dämpfer mit ausreichend SAG gefahren, nutzt man die 150 mm Federweg sehr gut aus. Die amtliche Endprogression verhindert so gut wie jeden Durchschlag. Jedoch fühlt sich das Rad auf normalen Trail-Arealen immer noch am wohlsten. Lange Offroad-Highspeed-Stücke fordern Fahrer und Bike und sind nur etwas für erfahrene Rider. Das geringe Gesamtgewicht des Bikes macht sich hier stark bemerkbar und lässt das Genius bei Topspeed unruhig wirken.

Uphill

Das SCOTT Genius hat eine sehr angenehme Sitzposition und ein gut gewählter Sitzwinkel, gepaart mit dem TwinLoc-System, ergibt ein potentes Uphill-Bike. Fährt man auf Straßen oder flachen Wegen, kann man das Fahrwerk vollständig blockieren und bekommt so das Gefühl auf einem Hardtail zu sitzen. Wird es etwas gröber, legt man den Hebel auf Trail-Mode und generiert dadurch mehr Grip, ohne wesentlich an Bergauf-Performance zu verlieren.

Die Fahrmodi funktionieren derart gut und sind schnell intuitiv bedienbar, dass man aus jeder noch so kurzen Fahrsituation die maximale Effizienz rauskitzeln möchte.

 Bei technischen Uphills ist der Traction-Mode die richtige Wahl. Durch die Reduktion des Federwegs steigt das Tretlager, dennoch besitzt das Rad ausreichend Traktion. Top!

Im offenen Modus ist das Griplevel zwar am besten, jedoch neigt das Rad zu leichtem Wippen beim Treten und die Kurbeln können in der einen oder anderen Situation dem Boden recht nah kommen. Lange Uphill-Passagen fühlen sich entspannt und locker an. Das CC-Sprintgefühl kommt aber aufgrund der recht trägen Laufräder nicht auf. Hier würde eine etwas leichtere Laufradwahl das Genius noch leichter sprinten lassen. Oben angekommen flippt man einmal kurz mit dem Daumen und tadaa – Downhill-Mode.

Anpassungen im Laufe der Saison

Schwalbe Nobby Nic ausgetauscht durch MAXXIS DHF 3C 2,5 und DHR 3C 2,4
–> Die Reifen sind eine der Schwachstellen beim Genius. Diese geraten bei aggressiven Kurvenfahrt und tiefen Böden schnell an ihre Grenzen. Außerdem fehlt es an Pannenschutz.

SRAM Guide RSC 180/180mm ausgetauscht durch 200/200 mm Bremsscheiben und Trickstuff-Beläge
–> 180 mm Scheiben sind bei einem 29-Zoll Trailbike unterdimensioniert. Auf der Hausrunde ohne viele Höhenmeter reicht das sicherlich, aber sobald es mehr als 150 Höhenmeter am Stück bergab geht, fehl definitiv Bremspower.

SRAM Guide RSC ausgetauscht durch SRAM CODE RSC
–> Trotz der äußerst peniblen Entlüftungsvorgänge durch Tester Gregor hat die Guide Bremse bei langen Abfahrten einen schwammigen Druckpunkt und zu wenig Power.

FOX 36 150 mm Umbau auf 160 mm Federweg
–> Vorrangig ausgelöst durch die zu tiefe Front haben wir bei der FOX-Gabel einen 160 mm Luftkolben verbaut. Das bringt die Front 10 mm weiter nach oben und macht das Rad bergab noch potenter.

Sitzstreben abkleben mit 3M Mastic Tape
–> Der Lack auf den Sitzstreben hat im hinteren Kassettenbereich ordentlich Kettenschlag abbekommen. Ein 10 cm langes Gummitape sorgt für ausreichend Schutz.

Absolut sinnvolles Upgrade – eine stärkere Bremse. Die SRAM Guide mit 180 mm Bremsscheiben ist mit der Performance des Genius überfordert. Dagegen überzeugt die SRAM CODE mit 200 mm Scheiben mit top Power und guter Dosierbarkeit.

Defekte

Im Laufe des Dauertests gab es keine nennenswerten Defekte. Allerdings wurden die oben aufgeführten Komponenten dem Potenzial des Bikes nicht gerecht und deshalb von uns ausgetauscht. Erwähnenswert ist außerdem die schlechte Lackqualität am Unterrohr – hier haben wir uns mehr erwartet.

Der Lack des Genius war am Ende der Testphase deutlich gezeichnet vom Stein-Beschuss. Hier hätten wir uns etwas mehr erwartet. Sonst blieben Defekte allerdings aus.

Was könnte man noch optimieren

– Die verbauten DT Swiss M1825-Laufräder sind einem Gewicht von rund 1,9 kg recht träge. Ein DT Swiss XM1501 SPLINE wäre hier die bessere Wahl und für den Einsatzbereich vollkommen ausreichend.
– Die Syncros Hixon SL iC Vorbau-Lenker-Kombination könnte in unterschiedlichen Riser/Breite-Varianten angeboten werden.

Fazit

Das SCOTT Genius 900 Tuned begeistert auch nach einer Saison im Dauertest mit einem grandiosen Mix aus leichtfüßigen Handling bergauf und top Performance bergab. Die Geometrie ist stimmig, das Fahrwerk potent und das TwinLoc-System extrem praktisch. Um das volle Potenzial des Bikes auszuschöpfen, waren jedoch einige Umbauten nötig. Erfreulich, dass SCOTT hier für 2019 zum Teil nachbessert. Defekte und übermäßiger Verschleiß blieben trotz härtester Beanspruchung aus.


Mehr Informationen findet ihr unter scott-sports.com

Check this Bike! Das SCOTT Genius 900 Tuned hat Gregor überzeugt

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Text: Gregor Alff Fotos: Christoph Bayer