Ginge es bei Switzerland’s next Topmodel nicht um schlanke Girls, sondern um Bikes, das SCOTT Genius Contessa 710 würde sicher im Finale stehen. Kein anderes Bike hat während des Testzeitraums für mehr Aufsehen und neugierige Blicke gesorgt. Doch was steckt hinter der schönen Fassade?

SCOTT Genius Contessa 710 | 150/150 mm (v/h) | 13,43 kg (27,5” Gr. S) | 5.299 €

Models müssen viele Attribute erfüllen, ein hübsches Äußeres ist aber sicherlich eines der Hauptaugenmerke. Wäre das SCOTT Genius Contessa 710 ein Model – sein Äußeres würde direkt eine klare 10 von 10 erhalten. Der schlichte Rahmen mit seiner bronzefarbenen Lackierung mit pinken Akzenten gefällt. Ein weiterer elementarer Baustein für sein Erscheinungsbild sind die MAXXIS Rekon Skinwall-Reifen, die dem Rad mit ihrer hellen Seitenwand einen schlanken, sehr eigenständigen Look verpassen.

Die Sedcard – was hat das Bike zu bieten?

Sedcards sind gnadenlos. Schwarz auf weiß liefern sie die Hard Facts. Beim SCOTT Genius sehen die auf den ersten Blick nicht schlecht aus: 150 mm Federweg, ein geringes Gewicht von 13,43 kg und eine stimmige Geometrie. Bei genauem Hinsehen entdeckt man aber Unstimmigkeiten. So fällt der Lenker mit 740 mm schmaler aus als manche Wespentaille und der Verstellbereich der Sattelstütze lässt mit 100 mm Hub (Größe S) nur wenig Raum für ausgefallene Moves auf dem Trail.

Federgabel FOX 34 Float Performance Elite 150 mm
Dämpfer FOX NUDE TR EVOL150-100 mm Lockout
Bremsen Shimano XT 203/180 mm
Antrieb SRAM GX/XO1 Eagle 1×12
Sattelstütze FOX Transfer 100 mm (S) | 125 mm (M) | 150 mm (L)
Vorbau Syncros FL1.5
Lenker Syncros FL1.5 740 mm
Laufradsatz Syncros Revelstoke 2.0 27,5″
Reifen Maxxis Rekon 2,8″

Eine Stärke des Bikes ist aber seine Wandelbarkeit. Denn dank des TwinLoc-Systems verwandelt das Genius Contessa sich je nach Einstellung zu einer effizienten Bergauf-Maschine oder einem potenten Abfahrts-Bike. Obendrein ermöglicht ein Flip-Chip an der Dämpferaufnahme, das Bike sowohl mit 27,5”- als auch mit 29”-Laufrädern zu fahren – je nachdem, was der Job gerade verlangt.

Die Ausstattung des 5.299 € teuren Bikes setzt auf Bekanntes und Bewährtes: Shimano XT-Vierkolben-Bremsen, SRAM GX/X01 Eagle-Schaltung und FOX Performance-Fahrwerk, abgerundet von Syncros Revelstoke 2.0-Laufrädern – hier gibt es nichts zu meckern!

In High Heels zum 100-Meter-Sprint
Die flach profilierten Reifen sehen wie High Heels zwar gut aus, sind im Gelände aber ähnlich unpassend.
Überladen
Am Anfang fällt es schwer, am überladenen Cockpit direkt die richtigen Hebel zu erwischen. Speziell mit kleinen Daumen ist der Sattelstützen-Hebel nur schwer erreichbar.
Super nice!
SCOTT hat verstanden, dass wir Frauen nicht alle auf pinke Schmetterlinge, Blumen und Lila stehen. Die Lackierung des Genius Contessa finden wir sehr gelungen!
Standfest, aber digital
Die Shimano XT-Vierkolben-Bremse bietet viel Power und eine hohe Standfestigkeit. Durch ihren harten Druckpunkt ist sie aber schwer zu dosieren.
Gut sortiert
Die vielen Kabel vom Lenker werden in Spiralhüllen effektiv gebündelt.
Satt und sensibel
Das FOX-Fahrwerk des Genius Contessa ist feinfühlig und bietet gleichzeitig viel Pop.
Größe S M L
Sattelrohr 410 mm 440 mm 480 mm
Oberrohr 568 mm 601 mm 632 mm
Steuerrohr 95 mm 95 mm 110 mm
Lenkwinkel 65° 65° 65°
Sitzwinkel 75° 75° 75°
Kettenstrebe 436 mm 436 mm 436 mm
Tretlager Höhe 340 mm 340 mm 340 mm
Radstand 1.165 mm 1.198 mm 1.231 mm
Reach 412 mm 445 mm 472 mm
Stack 596 mm 596 mm 609 mm
Helm MET Roam | Jacke SCOTT Trail Mtn Dryo Softshell | Hose ION Bikeshorts Scrub Amp | Rucksack EVOC STAGE 12L | Brille Oakley Jawbreaker | Schuhe Five Ten Freerider Pro

Der Walk – oder auch: Wie geht das Rad ab?

Genug der Fakten, entscheidend ist für eine Laufstegkarriere vor allem der Walk. Gleiches gilt für ein Bike – was nützen die besten Teile, wenn am Ende die Performance nicht stimmt? Gestartet haben wir unseren Test mit den serienmäßig verbauten Reifen und Laufrädern. Auf dem SCOTT Genius 710 Contessa fühlt man sich bereits beim ersten Aufsteigen wohl. Die Sitzposition ist zentral und komfortabel. Das Rad lässt sich sehr leichtfüßig beschleunigen und klettert phänomenal effizient bergauf. Gründe dafür sind natürlich das geringe Gewicht, die leicht rollenden Reifen und das TwinLoc-System, mit dem sich das Fahrwerk verhärten lässt. Bei steilen Rampen empfanden wir obendrein das 30er-Kettenblatt als sehr angenehm – mit dem Genius kommt man überall hoch.

Uphill kann das Rad also, doch wie sieht es mit der Abfahrt aus? Als Fahrerin steht man sehr gut integriert zwischen den Laufrädern und das Rad vermittelt viel Sicherheit. Kurven und Richtungswechsel erledigt man spielerisch und ohne großen Kraftaufwand. Das Genius fährt sich hier sehr gutmütig, sein Fahrwerk arbeitet sensibel und bietet viel Pop. Wer gern mal an einer Kante abspringt, tut sich mit dem Genius Contessa sehr leicht. Allerdings limitiert die Serienausstattung das Potenzial des Bikes stark: Hauptproblem sind die sehr flach profilierten Reifen mit harter Gummimischung. Mit ihnen macht das Genius Contessa vor allem auf einfachen, flowigen und trockenen Trails Spaß. Wird es aber steiler, nass oder wird der Boden weich, fehlt es an Grip und Spurtreue. Sie würden wir ebenso tauschen wie den Lenker, der mit 740 mm für viele Frauen zu schmal ist.

Raus aus den High-Heels, rauf auf den Trail – das Genius macht mit ein paar Anpassungen im Gelände eine sehr gute Figur!

Tuning-Tipps: griffigere Reifen | breiterer Lenker |
wenn möglich, Sattelstütze mit mehr Hub

Ein Experiment – wir stecken das SCOTT Genius Contessa in neue Schuhe

Da wir mit den Serienreifen nicht zufrieden waren, haben wir mit weiteren Reifen- und Laufrad-Optionen experimentiert. Als Erstes haben wir stärker profilierte MAXXIS Minion DHR2-Reifen in 2,4” Breite montiert. Allerdings fallen die sehr viel flacher und schmaler aus als die Rekon 2,8”-Serienreifen. Dadurch wanderte das Tretlager sehr weit nach unten und speziell bei technischen Uphills kann man leicht mit den Pedalen aufsetzen.

Als Nächstes wechselten wir komplett auf 29”-Laufräder und stellten den Flip-Chip auf Low. Mit einer Körpergröße von 160 cm fühlte sich unsere Testerin von den großen Laufrädern im technischen Gelände bergauf wie bergab aber etwas überfordert. Das Rad war spürbar weniger agil und brauchte viel mehr Input, um Richtungswechsel umzusetzen. Außerdem schliff das Gesäß im steilen Terrain am Hinterreifen.

29” vorn, 27,5” hinten: Was im Downhill aktuell für Furore sorgt, war für unsere Antonia die beste Option.

Option drei war dann ein Mix: 29” vorn, 27,5” hinten ebenfalls mit robusteren Reifen. Was im Downhill aktuell für Furore sorgt, war für unsere Testfahrerin die beste Option. Sehr gutes Überrollverhalten vorn, viel Grip und ein dennoch agiles Handling – mit diesem Setup wusste das Genius bergab am meisten zu überzeugen. Glücklicherweise war das Rad auch mit dieser Reifen- und Laufrad-Kombi bergauf noch immer gut zu pedalieren.

Fazit

Das SCOTT Genius Contessa 710 ist nicht nur optisch ein echter Leckerbissen, sondern besitzt auch jede Menge Potenzial, um in wirklich jedem Terrain zu überzeugen. Es klettert sehr gut bergauf und ist dank TwinLoc-System und hochwertigem Rahmen super vielseitig. Wer seinen Fokus auf die Abfahrt legt, muss allerdings etwas in Tuning-Maßnahmen investieren.

Tops

  • sehr effizient bergauf
  • super schicke Optik
  • vielseitiger Rahmen mit sehr gutem Fahrwerk

Flops

  • Serienausstattung limitiert das Rad bergab

Mehr Informationen findet ihr unter: scott-sports.com


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Text: Antonia Buckenlei Fotos: Christoph Bayer