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29er und 650B haben eines gemeinsam: Sie liegen unglaublich im Trend. Die Endkunden und Fachhändler verteufeln sie, die Hersteller und Rennfahrer verhimmeln sie. Letzteres kann natürlich auch daran liegen, dass diese sie schon gefahren sind. So wie wir. Gegeneinander. Oder besser gesagt: miteinander. Denn in diesem Test geht es nicht darum, welches Bike die göttliche Weisheit aus den Zitzen einer eierlegenden Wollmilchsau gesogen hat, sondern darum, welches Bike was besser kann und für wen besser ist.

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Wer den Trend zu größeren Laufrädern auf das finanzielle Interesse der Produzenten schiebt, dem sei gesagt, dass die Hersteller ansonsten eben 26-Zoll-Bikes weiterhin verkaufen und damit ihr Geld verdienen würden. Außerdem: Scheinbar unnötig geglaubte Neuerungen wie eine Teleskop-Sattelstütze gehören heutzutage zum Enduro-Bike wie die Federgabel. Während man früher über die 1-fach-Kettenblattfahrer nur den Kopf schüttelte, will heute jeder SRAM XX1 fahren.

Aber zurück zum Thema: Ein Blick auf die Ergebnislisten zeigt – die großen Laufräder können verdammt schnell sein. Doch wie fahren sie sich? Sind sie für jeden etwas? Denn was im Profi-Renneinsatz taugt, muss noch lange nicht gut für den Endverbraucher sein.

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Wir nahmen zwei Cube Stereos in einen Test. Nicht um herauszufinden, welches besser ist, sondern welches was kann. Eine Marke, zwei Modelle, zwei Reifengrößen und mehr als zwei Meinungen. Auf geht’s!

Cube Stereo Super HPC 160 SL

650B-Laufräder, 160 mm an Federweg und 12,90 Kg (Größe 18“) Gewicht – das sind die Eckdaten des Stereo Super HPC 160 SL, auf welchem auch das Cube Action Team erfolgreich die Enduro Rennen dieser Welt bestreitet.

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Die Ausstattung ist ein solider Mix aus X.0-Antrieb, Formula The One Bremsen (180mm Discs), Easton Haven Cockpit (70mm, 750mm), Fox-Kashima-Fahrwerk, Reverb-Teleskop-Sattelstütze und 2.35er Schwalbe Hans Dampf Reifen.

Doch bei Cube hat man wohl erkannt, dass die meisten Endkunden keine Profis sind und entsprechend andere Anforderungen an Specs und Fahrwerk haben. So ist das HPC 160 SL mit 3-Fach-Kettenblatt, leicht rollenden und länger haltbaren Schwalbe-Reifen in der PaceStar-Variante sowie einfach bedienbaren Fox-CTD-Federelementen ausgestattet.

Die zentrale und relativ kompakte Sitzposition (Reach 423 mm) sorgt auf Anhieb für ein angenehmes Wohlgefühl und gewährt es, viel Druck auf die Pedale zu bringen. Selbst wenn man den Fox Float CTD Dämpfer im offenen Modus fährt, wippt das sehr neutrale Fahrwerk kaum und sprintet effizient vorwärts. Dies ist klar dem geringen Gesamtgewicht, der PaceStar-Mischung der Hans Dampf Reifen und den relativ leichten DT-Laufrädern mit nur 28 Speichen zuzuschreiben.

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Auf dem Trail gefällt die Spritzigkeit des Stereos, mit der man aus Kurven heraus beschleunigen kann. In schnelleren und offeneren Passagen fühlt sich das 650B-Bike aufgrund der 442mm langen Kettenstreben eher zu Hause als in engen, verwinkelten Kurven. Highspeed-Passagen und verblocktes Gelände meistern die größeren Laufräder, der 66,5° flache Lenkwinkel und der 1170mm lange Radstand souverän. Das eher ruhige Handling gibt hier Sicherheit. Hinzukommt das satt liegende Fahrwerk, das die vollen 160mm frei gibt. Aggressivere Fahrer wünschen sich allerdings mehr Endprogression und eine im mittleren Federwegsbereich stabilere Kennlinie, da in unter Volllast gefahrenen Kompressionen oder Anliegern der Hinterbau wegzusacken oder gar durchzuschlagen droht. Die Steifigkeitswerte des 650B-Custom-DT-Swiss-Laufrades gingen trotz der niedrigen Speichenanzahl bestens in Ordnung.

Je nach Einsatzzweck sollte man eine Kettenführung und ein 1- oder 2-fach Kettenblatt montieren. Persönliche Geschmackssache sind die Bremsen. Dass der Einstellbereich der Hebelweite stark begrenzt ist, sorgte für einige Sicherheits- und Wohlfühleinbußen, vor allem bei kürzeren Fingern.

Cube Stereo Super HPC 140 SL

Weniger Federweg, aber dafür größere Laufräder: Die Twentyniner-Version des Stereos bietet 140mm an Federweg – wiegen die größeren Laufräder die 20 mm an Federwegsdifferenz zum 160 SL auf? Wo liegen die Performance-Unterschiede?

Im Vergleich zum 160 SL fällt die Ausstattung ein wenig dezenter aus: Fox CTD-Fahrwerk ohne Kashima-Veredelung, komplette XT-Ausstattung, Reverb-Teleskop-Sattelstütze und Syntace-Cockpit (75mm, 740mm). Die DT-Laufräder und Schwalbe Hans Dampf Reifen bleiben – abgesehen von der Größe – die gleichen Modelle.

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Obwohl der Reach des 29er Stereos (415mm) kürzer ist, fühlt sich die Sitzposition etwas gestreckter an. Dies hängt mit der sehr tiefen Front zusammen. Der Gedanke dahinter? Mehr Druck auf dem Vorderrad für besseres Kurvenhandling. Wir drehten jedoch den negativ verbauten Vorbau um, um mehr Sicherheit in steilen Stücken zu erhalten.

Generell ist das 29er Stereo anders zu handhaben. Die Wendigkeit über das Hinterrad ist mit den sehr langen 452mm-Kettenstreben etwas eingeschränkt. Dank des 68°-Lenkwinkels in Verbindung mit den 29er-Laufrädern geht es aber über die Front gut um Kurven, es bietet einen klugen Kompromiss aus Wendigkeit und Laufruhe. Apropos Laufruhe: Dank des langen Hinterbaus klettert das 140 SL mühelos ohne steigendes Vorderrad, und fährt bergab wie auf Schienen. Die großen Laufräder sorgen für zusätzliche Ruhe und überrollen souverän jegliche Unebenheiten, sodass das Bike weniger an Hindernissen „hängen“ bleibt und Geschwindigkeit verliert. Zudem bieten die großen Laufräder ein deutliches Plus an Grip – bergauf wie bergab. Anfangs nur leicht flexend überzeugten die Laufräder mit super Traktion (zu steife Laufräder verlieren Grip), allerdings lockerten sich mit der Zeit die Speichen des DT-Swiss-Laufrades, was in zu viel Flex mündete – dank Speichenschlüssel aber wieder schnell behoben war. Das Fahrwerk arbeitet noch effizienter als jenes des 650B-Stereos und setzt die eingesetzte Kraft perfekt in Vortrieb um. Träge 29er-Laufräder? Fehlanzeige!
Während der Hinterbau am Anfang sehr effizient-plattformig agiert, wünschen sich aggressive Fahrer auch hier einen progressiveren Hinterbau und einen besseren Durchschlagschutz. Für „Normal“-Fahrer hingegen gibt das Fahrwerk seinen Federweg bestens frei.

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Letzten Endes gibt es kaum ein perfektes Fahrwerk für jeden Fahrertyp, sondern jeder Fahrer hat seine eigenen Vorlieben und Anforderungen. Kurvenfahrtechnik und Fahrstil der Profis unterscheiden sich enorm von dem des durchschnittlichen Fahrers, weshalb es sinnvoll ist, die Fahrwerksabstimmung entsprechend der Zielgruppe zu optimieren. Und zugegeben: Profi-Fahrer sind meist keine Zielgruppe. Sie bekommen Material und Fahrwerksabstimmung meist frei Haus.

Fazit: Wie bei so vielen Dingen im Leben gibt es nicht die perfekte Lösung. Denn wer die Wahl hat, hat die Qual. 650B oder 29er? Das hängt grundlegend davon ab, ob man Wendigkeit oder Laufruhe, sattes Fahrwerk oder sehr effizienten Vortrieb bevorzugt. Wer jeweils ersteres schätzt, liegt mit dem abfahrtslastigeren 650B-Stereo richtig. Per se sind die Unterschiede jedoch weniger groß als gedacht. Man sollte sich viel eher bewusst sein, dass beide Serien-Bikes in einer Ausstattung und Abstimmung kommen, die nicht für den ultimativen Racer, sondern für normale Fahrer – von Tour bis gelegentlichem Enduro-Rennen – konzipiert sind.

Info: www.cube.eu

Text: Robin Schmitt Fotos: Sebas Romero

Dieser Text ist Ausgabe #003 entnommen, die ihr hier findet.

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Über den Autor

Aaron Steinke

Aaron war der erste Mitarbeiter unseres Unternehmens, hat es tatkräftig mit aufgebaut und dabei den Auftritt und die Ausrichtung unserer Magazine maßgeblich mitgeprägt. Seit Mitte 2020 verfolgt er eigene Projekte, berät und unterstützt uns aber weiterhin bei Marketing- und Technik-Themen. Viele Jahre lang konnte man Aaron vor allem auf spaßorientierten Enduro-Rennen finden, in letzter Zeit auch vermehrt auf dem Rennrad – es lebe die Freiheit auf zwei Rädern!