Cannondale Jekyll Carbon 1 Test
Bereits auf den ersten Blick zieht das Cannondale Jekyll aufgrund seiner außergewöhnlichen Optik jede Menge Aufmerksamkeit auf sich. Allein die Supermax-Lefty sieht nach wie vor derart ungewöhnlich aus, dass viele Wanderer stehen bleiben und man zwangsläufig in einen Smalltalk verwickelt wird.
Dieser Artikel ist Teil unseres Enduro Vergleichstests 2015.
Bei genauerer Betrachtung fällt dem geschulten Bikerauge außerdem der exklusive FOX Dyad RT2-Pullshockdämpfer mit seinen zwei Hochdruck-Luftkammern auf, bei dem man über einen Lenkerhebel den Federweg von 160 auf 95 mm reduzieren kann. Die spezielle Pumpe, die für die Fahrwerksabstimmung benötigt wird, liefert Cannondale beim Kauf sinnvollerweise gleich mit.
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Das Grundsetup gestaltet sich durch die zwei getrennt zu befüllenden Luftkammern zwar aufwendiger als bei herkömmlichen Dämpfern, aber die vom Hersteller bereitgestellte Anleitung hierzu ist detailliert und die empfohlenen Druckangaben sind durchaus praxistauglich.
Für das Modelljahr 2015 hat Cannondale das Jekyll nicht nur auf 27,5″-Laufräder gestellt, sondern auch die Geometrie grundlegend überarbeitet und modernisiert: So besitzt es einen 458 mm langen Reach in Größe Large, der Lenkwinkel wurde flacher (67°) und der Sitzwinkel steiler (74,8°). Insgesamt wirkt der aus BallisTec Hi-Mod-Carbon gefertigte Rahmen mit seinen eleganten Linien und der massiven Dämpferanlenkung sehr wertig und schier unverwüstlich. Die Ausstattungsliste der Teamedition lässt fast keine Wünsche offen. Positiv seien an dieser Stelle exemplarisch der Antrieb, ein Mix aus SRAMs XX1- und X01-Komponenten in Kombination mit der leichten Cannondale Hollowgram Si-Kurbel, und die bissige MAGURA MT7 erwähnt. Die Schwalbe Hans Dampf-Reifen unterstreichen den Allround-Anspruch des Bikes, schließlich stellen sie in den meisten Fällen einen gelungen Kompromiss dar. Das gilt auch für die verbauten WTB Team Issue i23-Felgen, auch wenn diese mit einer Innenweite von lediglich 23 mm ebenso wenig dem aktuellen Trend entsprechen wie der vergleichsweise schmale C1-Carbonlenker (740 mm). Mit diesem Serien-Spec wird klar, dass dieses Bike in der Serienkonfiguration eher für Touren als für EWS-Strecken gerüstet ist.
Vom Lenker aus kann während der Fahrt über einen Remotehebel der Federweg des Dämpfers variiert werden. Die Serienlösung mit dem Hebel oberhalb des rechten Schaltgriffs ist zwar nicht so smart wie die Bedienung über einen Gripshift-Hebel links, wie sie an Jerome Clementz’ Bike zu finden ist, aber die Verstellung funktioniert dennoch einwandfrei und bietet Platz für einen Trigger – falls man 2-fach fahren möchte. Schaltet man das System in den Elevate-Modus, stehen straffe 95 mm Federweg zur Verfügung. Mit dem reduzierten Federweg bietet das Jekyll massig Vortrieb und hervorragende Klettereigenschaften. Flink und spritzig geht es selbst steilste Aufstiege bergauf und bietet dabei deutlich mehr Grip als ein vergleichbares Plattform- oder Lockout-System. Dazu trägt auch das erfreulich niedrige Gewicht von 12,68 kg bei, womit Cannondale das leichteste Bike in diesen Vergleich schickt. Im Laufe unseres Tests fielen bei den Fahrern häufig die Begriffe „steif“, „durchdacht“ und „superleicht“ und schnell wurde klar, was man bei Cannondale unter dem eigens entworfenen Marketing-Begriff „OverMountain“ versteht. Das Jekyll hinterlässt einen sehr lebendigen Gesamteindruck. Tritt man ordentlich in die Pedale, stürmt das Bike fast schon brutal nach vorn! Dabei entwickelt die Lefty Supermax einen beachtlichen Grip. Erfreulicherweise sitzt das Tretlager beim Cannondale nicht zu tief (7 mm Drop), sodass auch in technischen Tretpassagen stets genug Bodenfreiheit zur Verfügung steht.
Trotz des vergleichsweise steilen Lenkwinkels (67°) bietet das Jekyll eine ausreichende Portion Spurstabilität auf schnellen Passagen, was vor allem dem langen Radstand (1.208 mm) zuzuschreiben ist. Schaltet man den Dämpfer in den sogenannten Flow-Mode, wird der komplette Federweg von 160 mm freigegeben und man steht sofort merklich tiefer im Federweg. Der erwartete Jekyll- und Hyde-Effekt bleibt jedoch leider aus. Mit den Skills von Teamfahrer Jerome Clementz kann man mit dem Bike durchaus schnell unterwegs sein, das hat der Franzose in vielen EWS-Rennen bereits eindrucksvoll bewiesen. Doch Otto Normalfahrer wird mit dem Jekyll auf fordernden Strecken schneller als mit anderen Bikes an seine Grenzen stoßen, da es nicht ganz so satt auf dem Trail liegt. Unsere Tester vermissten außerdem eine einstellbare Druckstufe an der Lefty-Federgabel, da diese gerne zu tief in den Federweg taucht. Das Cannondale Jekyll ist ein agiles Bike, das vor allem in engen Kurven und auf flowigen Trails zu überzeugen weiß. Für Highspeed auf felsigen Passagen erfordert es allerdings Mut und gute Skills.
Details
Spezifikation: Cannondale Jekyll Carbon 1 2015
- Gabel: Lefty Supermax 2.0 Carbon 160mm
- Dämpfer: Fox Dyad RT2 160/95mm
- Antrieb: Cannondale SI / SRAM XX1
- Bremsen: Magura MT7 180/180mm
- Sattelstütze: RockShox Reverb Stealth
- Vorbau: FSA Gravity Light
- Lenker: Cannondale C1 Carbon 740mm
- Reifen: Schwalbe Hans Dampf Trailstar
- Laufradgröße: 27,5″
- Naben: Lefty / DT Swiss 350
- Felgen: WTB Team Issue I23
- Preis: 7.499 €
Stärken
- sehr effizient auf langen Touren
- exzellente Klettereigenschaften
Schwächen
- fehlende Druckstufenverstellung an der Federgabel
- komplizierte Laufradmontage an der Front [/emaillocker]
Fazit
Von Cannondale wird das Jekyll als OverMountain-Bike angepriesen. Im ohnehin schon unübersichtlichen Klassendschungel braucht man ehrlicherweise keine weitere Kategorie, um dieses potente und super spritzige Trailbike einzuordnen. Während das Rad bergauf mit überragenden Klettereigenschaften punkten kann, fordert es im Downhill bei Highspeed eine erfahrenere Hand. So war es am Ende doch etwas zu viel Dr. Jekyll und zu wenig Mr. Hyde, um sich gegen die aggressive Konkurrenz dieses Vergleichstests durchzusetzen.
Mehr Informationen zum Bike gibt es auf derCannondale Webseite
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Dieser Artikel ist Teil unseres Enduro Vergleichstests 2015.
Text & Bilder: Trevor Worsey
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