Focus bezeichnet das Raven auf der eigenen Homepage als Rennmaschine, die sich besonders für lange und sportliche Touren eignet. Wir sind hingegen an einem spritzigen Rad für Trailtouren am Feierabend interessiert und wollten herausfinden, ob sich dieses Racebike mit ein paar kleinen Umbauten auch in eine spaßige Trailrakete verwandeln lässt.

Das Focus Raven kommt in gedecktem Grau.
Das Focus Raven kommt in gedecktem Grau.
Das Steuerrohr integriert die Leitungseingänge formschön in die Gesamtoptik.
Das Steuerrohr integriert die Leitungseingänge formschön in die Gesamtoptik.

Als Arbeitsgerät des Focus XC Teams hat sich das Raven im World Cup-Einsatz mit diversen Podiumsplatzierungen bewiesen. Leichter, steifer, schneller – diese Rechnung mag für Profis aufgehen. Für uns Normalsterbliche gelten hingegen meist andere Parameter. Deshalb haben wir das FOCUS Raven 3.0 Factory nach unseren Wünschen umgebaut.

Das gesamte Rad wirkt wie frisch aus dem 3D-Drucker.
Das gesamte Rad wirkt wie frisch aus dem 3D-Drucker.
An der Matchmaker-Schelle der Magura MT4-Bremse lässt sich der SRAM-Shifter gleich mitmontieren - clean!
An der Matchmaker-Schelle der Magura MT4-Bremse lässt sich der SRAM-Shifter gleich mitmontieren – clean!

Ausstattung

In dem, mit markanten Linien ausgestatteten Hardtailrahmen ist eine Rock Shox Reba RL mit 100 mm Federweg verbaut, die über einen Pop Loc-Remote vom Lenker aus blockiert werden kann. Um unser Rad allroundtauglicher zu machen verbauten wir abweichend von der Original-Ausstattung Contintal Trailking-Reifen, eine Kombination aus einem 760mm-Lenker und 60mm-Vorbau der Focus-Eigenmarke Concept und eine RockShox Reverb-Sattelstütze. Das wars dann aber auch schon mit den Umbauten, die restliche Ausstattung wurde nicht verändert: Als Kurbel ist eine edle Rotor 2.1 mit passendem 32 t-Kettenblatt verbaut, die Schaltungseinheit stammt aus SRAMs X01 11-fach-Gruppe. Mit dem DT Swiss M 1700 Spline kommt ein leichter wie stabiler Laufradsatz zum Einsatz. Mit dieser Ausstattung kommt das Raven auf ein Gesamtgewicht von 11,20 kg in Größe L.

An der vom Lenker blockierbaren RockShox Reba wird der XC-Ursprung des Rades sichtbar.
An der vom Lenker blockierbaren RockShox Reba wird der XC-Ursprung des Rades sichtbar.
Edel: Die Rotor Rex 2.1-Kurbel mit passendem Kettenblatt.
Edel: Die Rotor Rex 2.1-Kurbel mit passendem Kettenblatt.

Erster Eindruck

Der komplett in grau gehaltene Rahmen wirkt auf den ersten Blick wie frisch aus dem 3D-Drucker, und ist dabei exzellent verarbeitet – die Modellbezeichnung “Factory” trifft den Nagel auf den Kopf. Die Farbe und auch Teile der Ausstattung zieht sich durch die komplette “Factory”-Reihe von Focus Bikes, die nach den Wünschen der Mitarbeiter aufgebaut sind daher beispielsweise alle mit einem 1×11-fach-Antrieb ausgestattet sind. Details wie das markante Steuerrohr, in dem die Züge zur internen Verlegung verschwinden, verleihen dem Rahmen einen edlen, aufgeräumten Look. Der Tretlager- sowie der Steuerrohrbereich fallen sehr voluminös aus und sollen dabei für optimale Kraftübertragung beziehungsweise maximale Lenkpräzision sorgen.

Die RockShox Reverb-Sattelstütze ist für ihre gute Funktion bekannt, die Zugverlegung sorgte hier jedoch für Probleme.
Die RockShox Reverb-Sattelstütze ist für ihre gute Funktion bekannt, die Zugverlegung sorgte hier jedoch für Probleme.
Einfach und zuverlässig: Der SRAM X01-Antrieb überzeugte.
Einfach und zuverlässig: Der SRAM X01-Antrieb überzeugte.

Uphill

Bereits beim ersten Aufsitzen überrascht die angenehme Sitzposition, die man auf dem Rad einnimmt – keine Spur von der befürchteten Streckbank, die man sonst oft auf XC-Racebikes verbindet. Stattdessen fühlt sich die Geometrie verspielt an und verleitet einen regelmäßig dazu, im Manual zu fahren oder an kleinen Kanten abzuziehen, sodass Fahrspaß garantiert ist. Trotzdem geht das Pedalieren auch im Sitzen mühelos von statten, wobei sich die Kraft von den Beinen gut aufs Pedal bringen lässt.

Die Geometrie des Focus Raven 29R
Die Geometrie des Focus Raven 29R

Ist die Kraft einmal beim Pedal angekommen, kennt das Rad dann nur noch eine Richtung: Vorwärts, und zwar schnell. Der Rahmen ist sowohl im massiv wirkenden Tretlagerbereich als auch am Hinterbau sehr steif, sodass jegliche über die Pedale eingespeiste Kraft in Vortrieb umgewandelt wird. Infolgedessen verleitet das Rad dazu, Rampen und kürzere Anstiege im Wiegetritt hinaufzusprinten und regt so zum dynamischen und spritzigen Fahren an.

Das Raven motiviert immer zum Gasgeben - egal ob in der Ebene, bergauf oder bergab.
Das Raven motiviert immer zum Gasgeben – egal ob in der Ebene, bergauf oder bergab.

Bevorzugt man im Sattel zu bleiben, überträgt das Rad auch hierbei die Kraft zuverlässig auf die Straße, sodass sich auch lange Touren problemlos bewältigen lassen. Dank der 447 mm langen Kettenstreben bleibt das Vorderrad trotz des kurzen Vorbaus auch an steilen Rampen auf dem Boden und ermöglicht so ein entspanntes, zügiges Klettern.

Auf dem Trail

Uns war klar: Mit einem XC-Hardtail würden wir weder den Komfort noch die Sicherheit eines vollgefederten Trailbikes erwarten dürfen. Sieht man sich jedoch einmal die Bergabpassagen der aktuellen XC-Worldcup-Strecken an, so wird einem schnell klar, dass moderne XC-Hardtails auch bergab durchaus ihre Qualitäten haben müssen.

Bergab überraschte uns das Focus Raven positiv.
Bergab überraschte uns das Focus Raven positiv.

Das Focus bekräftigt diese Vermutung und fährt sich überraschend gutmütig und positioniert den Fahrer zentral im Rad. Logischerweise hat es als Hardtail nicht den Komfort eines Fullies, die flachen Druckstreben des Hinterbaus bieten jedoch genug vertikalen Flex, dass der Rahmen unangenehme Schläge zum Teil dämpft und damit hilft, Traktion am Hinterrad aufzubauen und das Rad ruhig durch ruppigere Sektionen zu führen.

Die Geometrie vereint Wendigkeit und Laufruhe auf beeindruckende Art und Weise.
Die Geometrie vereint Wendigkeit und Laufruhe auf beeindruckende Art und Weise.

In verblocktem Terrain verhält sich das Rad angenehm souverän und vorhersehbar. Der Sattel ist dank der RockShox Reverb-Sattelstütze schnell aus dem Weg und die RockShox Reba RL-Federgabel verrichtet ihre Arbeit zuverlässig und bleibt stabil im Federweg. Positiv fällt hier auf, dass sich das Rad äußerst präzise manövrieren lässt und die angepeilte Linie zuverlässig hält, woran auch der von uns verbaute, breitere Lenker nicht ganz unschuldig sein dürfte.

Wird es jedoch richtig ruppig und schnell, wird man sich wieder dessen bewusst, dass man doch “nur” ein XC-Hardtail unter sich hat – hier ist man jedoch auch schon weit außerhalb des angedachten Einsatzbereiches des Rades, sodass man dies feststellen aber nicht negativ werten kann. Der einzige Kritikpunkt, der sich hier anbringen lässt, ist die Zugverlegung der RockShox Reverb Stealth. Diese erfolgt zwar intern, ließ sich aber nicht so gestalten, dass die Hydraulikleitung bei eingefahrener Sattelstütze nicht abknickte – Hier wäre es besser, eine Sattelstütze ohne Leitungseingang am Stützenkopf zu verbauen.

Auch in steilem Gelände vermittelt das Raven noch mehr Sicherheit, als man einem XC-Hardtail zutrauen würde.
Auch in steilem Gelände vermittelt das Raven noch mehr Sicherheit, als man einem XC-Hardtail zutrauen würde.

Bei hohen Geschwindigkeiten in flowigem Gelände liegt das Raven ruhig auf der Strecke und lässt sich schnell und agil durch Kurven zirkeln. Dabei lenkt man das Bike nicht über das Heck, sondern vielmehr über die Front, welche mit präzisem Lenkverhalten, einem 70° steilen Lenkwinkel und kombiniert mit dem kompakten Radstand von 1134mm eine hohe Agilität erzeugt. Kurzum: Schnell, leicht, präzise – we like!

Fazit

Das Focus Raven 29R kann im Test seine XC-Race-Gene nicht verleugnen und begeistert mit dem wunderschönen, effizienten Carbonrahmen und guter Beschleunigung. Dabei liefert das Rad mit ein paar wenigen Umbauten so viel Komfort und Sicherheit, dass uns dieser Test die Augen dahingehend geöffnet hat, wie viel Spaß XC-Bikes bieten können. Dieses Rad ist ein echtes Allround-Talent!

Mehr Informationen zum Rad gibt es unter focus-bikes.com

Text: Martin Stöckl Bilder: Klaus Kneist


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