Whyte 605 27.5 Einsteiger-Hardtail Test
In einer Welt, in der Laufradätze schnell mal vierstellige Beträge kosten und die Top-Bikes teurer sind als ein durchschnittlicher Familienwagen, werden Bikes zu Einsteigerpreisen leicht übersehen. Und bei manchen der ganz schrecklichen Einsteigerexemplare verwundert es schon fast, dass überhaupt noch jemand mit dem Mountainbiken anfängt. Kann das Whyte 605 27.5 Hardtail für 880 € hier Abhilfe schaffen?
Kann das Whyte 605 für nur 880 € auf dem Trail Eindruck machen?
Unsere Leserumfrage ergab, dass 38 % unserer Leser für ihr nächstes Bike zwischen 2.000 und 3.000 € ausgeben wollen – ein Preissegment, das eine riesige Auswahl an hervorragenden Bikes bietet. Doch was, wenn man weniger als 1.000 € zur Verfügung hat? Dann sind die Möglichkeiten weit weniger attraktiv. Viele Hersteller scheinen die Geometrie für solche Bikes direkt aus den frühen 90ern übernommen zu haben und kombinieren supersteile Lenkwinkel mit kurzen, hohen und plumpen Rahmen, die vor allem eines sicherstellen: dass ihr an euren ersten vorsichtigen Schritten in der Welt des Mountainbikens wenig Freude habt. Das Marketing konzentriert sich dann auf eine einzelne Komponente, um die Aufmerksamkeit der Kunden auf sich zu ziehen und damit die Verkäufer was zu promoten haben – frei nach dem Motto: „Es fährt sich furchtbar, aber es hat ein XT-Schaltwerk, wow!“
Whyte stand nie hinter der Vorstellung, dass Anfänger „da durch müssen“ und sich auf einem Bike mit einer schrecklichen Geometrie quälen sollten. Deshalb wenden sie ihre bewährten Geometrien auch auf das Einsteiger-Hardtail 605 an. Das erste, was auffällt, wenn man auf das Whyte 605 steigt: Reach und Überstandshöhe kommen einem verdammt vertraut vor. Mit dem 627,9-mm-Oberrohr in Größe L, der niedrigen Überstandshöhe und dem trailfreundlichen 68,5°-Lenkwinkel fühlt sich die Front nicht an, als ob sie in Kurven wegknickt.
Die Geometrie des Whyte 605 Hardtails
Größe | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|
Sitzrohr | 40.6 cm | 44.4 cm | 48.2 cm | 53.3 cm |
Oberrohr | 59.3 cm | 60.8 cm | 62.8 cm | 63.8 cm |
Steuerrohr | 11.5 cm | 12.5 cm | 13.5 cm | 14.5 cm |
Lenkwinkel | 68.5° | 68.5° | 68.5° | 68.5° |
Sitzwinkel | 73.5° | 73.5° | 73.0° | 73.0° |
Kettenstrebenlänge | 43.5 cm | 43.5 cm | 43.5 cm | 43.5 cm |
Tretlagerhöhe | 30.3 cm | 30.3 cm | 30.3 cm | 30.3 cm |
Radstand | 110.7 cm | 112.2 cm | 113.7 cm | 114.9 cm |
Eine Sache, die wir an einem günstigen Bike definitiv nicht erwartet hätten, ist der größenspezifische 6061-Rohrsatz. Anstatt für jede Größe denselben Rohrsatz zu verwenden, passt Whyte die Rohre an. Die Herstellung ist auf diese Art viel teurer, doch weil das Fahrgefühl so wichtig ist, ist Whyte gerne bereit, hier zu investieren. Bleiben wir beim Rahmen: Die S-förmigen Sitzstreben verbessern die Reifenfreiheit, was für Fahrer in Großbritannien ein ziemlich wichtiger Punkt ist. Die geschmiedete Bremsaufnahme am Ausfallende sieht zwar unschön aus, leistet aber einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Streben und zur soliden Bremsperformance – davon könnte sich manch anderer Hersteller eine Scheibe abschneiden.
Wenn man sich die Spezifikation so anschaut, wird deutlich, dass Whyte sich vor allem auf die Zuverlässigkeit konzentriert hat, anstatt irgendwelche falschen Versprechen bei einzelnen Highlights zu machen. Gemessen an ihrem Preis bringt die SUNTOUR XCR 100-mm-Federgabel gute Performance, Komfort und ein gutes Maß an Lenkpräzision. Der Rebound ist einstellbar und kommt mit einem Lockout für maximale Effizienz, wenn ihr mal auf der Straße unterwegs seid. Der 3×9-Antrieb ist eine Mischung aus Shimano Acera- und Alvio-Komponenten, mit Kettenblättern mit 22, 30 und 40 Zähnen und einer Shimano M3000-Kurbel.
Uns gefielen auch die hydraulischen TEKTRO Auriga-Scheibenbremsen, denn sie können mit Hope Mini-Bremsbelägen kombiniert werden, wenn man bessere Performance möchte. Der Laufradsatz besteht aus WTB SX-19 Felgen und WTB Nano 2,1-Reifen, die auf festem Untergrund schnell rollen. Sehr gut gefiel uns außerdem die durchgehende Zugführung, die das Bike länger schön rund laufen lässt. Gut ist auch, dass der Schlitz für die Sattelstütze an der Vorderseite ist, sodass der ganze Dreck nicht ins Sitzrohr fliegt.
Das Whyte 605 auf dem Trail.
Vor diesem Test mussten wir natürlich unsere Erwartungen etwas anpassen – bei einem Preis von 880 € ist das komplette Whyte 605 günstiger als so manche beliebte Federgabel, daher konnten (und sollten) wir keine elektrisierende Performance auf schwierigem Terrain erwarten. Doch auf den flowigen Trails, für die dieses Bike gemacht ist, entpuppte es sich als ein Goldstück mit Charakter, das weit oberhalb seiner Preisklasse arbeitet.
Sobald man auf dem Bike sitzt, fühlt sich die entspannte und lässige Geometrie vertraut an und bietet eine willkommene Abwechslung im Vergleich zur mitunter plumpen Konkurrenz. Das lange Oberrohr, die gute Überstandshöhe und der agile Lenkwinkel sorgen zusammen für ein stabiles, effizientes und spaßiges Handling auf Flowtrails. Die steifen Ausfallenden am Hinterbau sorgen für gute Kurventreue und die S-förmigen Sitzstreben bringen ein wenig Extrakomfort und helfen, aggressivere Schläge etwas abzufedern.
Die SUNTOUR XCR 100 mm hält die Linie gut und die TEKTRO-Bremsen reduzieren zuverlässig die Geschwindigkeit ohne Fading oder Stempeln. Sicher, in schwierigem Gelände kommt das Bike schnell an seine Grenzen, aber für einfaches Ballern auf dem Trail ist es ein großartiges Bike. Bei einem so guten Preis-Leistungs-Verhältnis fällt Kritik schwer, aber klar, den WTB Nano-Reifen fehlt es überall außer auf Hardpack an Grip und mit 13,4 kg ist das Bike auch kein Leichtgewicht – aber für 880 € ein wahres Schnäppchen. Etwas allerdings ließe sich definitiv verbessern: der 680-mm-Lenker und der 80-mm-Vorbau. Der schmale Lenker vermindert die Kontrolle und vermittelt ein krampfiges Gefühl, das in starkem Kontrast zum vertrauenserweckenden Rahmen steht. Wir montierten stattdessen einen günstigen 750-mm-Lenker und 50-mm-Vorbau – und sofort fühlte es sich komplett anders an, mit viel mehr Kontrolle und Präzision.
Fazit
Das Whyte 605 ist ein außergewöhnliches Bike für Neu-Mountainbiker, die auf einem Rad anfangen wollen, das Spaß macht und komfortabel ist – und dabei bietet es für den Preis ungeheuer viel. Mit einer für diese Klasse ungewöhnlichen Premium-Geometrie und dem robusten Aufbau hat man mit dem 605 viel Freude für wenig Geld. Wenn man noch in einen breiteren Lenker und kürzeren Vorbau investiert, ist dieses Bike in der Lage, Einsteiger von ihren bescheidenen Anfängen bis weit in den Bereich des Fortgeschrittenen zu begleiten.
Wenn ihr mehr wissen wollt, checkt die Whyte Bikes-Webseite .
Text und Fotos: Trev Worsey
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