Nach der Cross-Country-Weltkarriere einfach mal so Winzer zu werden, ist schon extrem lässig. Der mehrfache Worldcup-Sieger Thomas Frischknecht hat sich schon während seiner Profi-Laufbahn in die Gegend verliebt, nach der er später auch sein Weingut benannt hat: Massa Vecchia. Wir haben ihn dort besucht, waren mit ihm Biken und haben gefragt, was das gute Leben denn eigentlich so ausmacht.

Robin:Hey Thomas! Seit wann bist du hier in Massa Vecchia und was hat dich hergezogen?

Thomas: Ich komme seit 1992 hierher. Damals habe ich hier als Bikeguide für Rennradfahrer angefangen, da es damals in Massa Vecchia einfach kein Mountainbiken gab. Seitdem treibt es mich mehrmals jährlich hierher zurück. Meistens komme ich zum Training, aber ich habe auch die Kultur, die Leute und die Gegend schätzen gelernt. Inzwischen ist es hier sozusagen mein zweites Zuhause. La dolce Vita!

Thomas Frischknecht - Ehemaliger WC-Racer und Winzer.
Thomas Frischknecht – Ehemaliger WC-Racer und Winzer.

Robin: Bevor ich in die Weinthematik einsteige, möchte ich dich noch kurz zu deiner Meinungen zu den aktuellen Trends der Bikeindustrie befragen: Im XC-Racing geht es sehr viel um geringeres Gewicht, Effizienz und, wenn man überhaupt Fully fährt, das Fahrwerk. Mit den neuen Plus-Größen verschiebt sich der Fokus und Einsatzbereich vieler Bikes. Machen breitere (und damit zwangsläufig schwerere) Reifen auch im XC Sinn?

Thomas: Über die Jahre war eine ewige Spezialisierung im Gange. Wir sprechen ja heute nicht einfach nur von Mountainbikes wie damals in den Neunzigern. Als ich angefangen habe, gab es keine Federgabeln, keine Fullys und keine Downhill-Bikes. Damals gab es einfach nur Mountainbikes. Heute hast du für jeden Fahrstil und für jedes Gelände, für jede Region ganz spezifische Bikes, die für bestimmte Konditionen gebaut sind. Natürlich sind Plus-Reifen nichts, was wir im Cross-Country-Rennsport einsetzen werden, aber die Erkenntnis aus der Verwendung von breiteren Reifen und weniger Luftdruck ist doch auch etwas, das im Rennsport und im XC zu beobachten ist. Der Trend ist hier auch, breitere Reifen, breitere Felgen und weniger Luftdruck zu fahren. Das Plus-System ist genau das, nur in einer extremeren Version. Für viele, die im rauen Gelände auf losem Schotter fahren, trägt das enorm zu Sicherheit und Fahrspaß bei, wenn die Traktion so hoch ist. Ich denke, dass Plus vor allem auch die Einsteiger überzeugen wird – es ist einfacher zu fahren als ein schmaler Reifen mit hohem Luftdruck.

Bei Freunden zu Hause – Holger Meyer genießt einen guten Tropfen bei Frischi
Bei Freunden zu Hause – Holger Meyer genießt einen guten Tropfen bei Frischi.

Robin: Im XC-Bereich musst du sehr oft ans Limit gehen. Wie wichtig sind für dich der Spaß am Biken und das ganze Drumherum und die Kultur hier vor Ort?

Thomas: Schlussendlich ist MTB-Profi zu sein auch nicht so viel anders als jeder andere Job. Du musst dann, wenn es zählt, Vollgas geben und ans Limit gehen und danach wieder die Balance finden, um dich zu erholen und dich wieder zu sammeln. Um diese Balance zu finden, ist es mir wichtig, die wenige Zeit, die ich als MTB-Profi nicht auf dem Rad sitze, mit etwas zu verbringen, das mich vom Sport ablenkt. Das gelingt mir mit meiner Familie und den Personen, die ich hier kenne, sehr gut. Vollgas-Training am Morgen und nachmittags Gelati essen mit der Familie oder am Strand liegen – diese Work-Life-Balance funktioniert nirgends besser als hier in der Toskana.

Bei einem Glas Wein erzählte uns Thomas freimütig aus seinem Leben.
Bei einem Glas Wein erzählte uns Thomas freimütig aus seinem Leben.

Robin: Seit wann hast du das Weingut, auf dem wir uns hier befinden?

Thomas: Ich habe 2001 ein Stück Land mit Reben bepflanzt. Das Weingut besitze ich sei 2008 mit. Ich bin in die ganze Geschichte ein bisschen reingewachsen.

Robin: Und wie ist die Story mit den WC-Siegen und den Weinreben?

Thomas: Das ganze Stück Land ist einen halben Hektar groß, den wir dann eben 2001 mit 18 Reihen Reben bepflanzt haben. Lustigerweise habe ich auch 18 Weltcups gewonnen – 17 im Mountainbike, einen im Cyclocross – also habe ich meine Reihen nach den WC-Siegen benannt und auch eine Tafel produziert, auf der Name, Ort und Datum des WC-Sieges stehen. Im Nachhinein betrachtet liegt mein Preisgeld von damals jetzt eben nicht auf einem Schweizer Konto, sondern auf einem Weinberg und ist in Pflanzen, die Wein bringen, angelegt.

Ach im Weingut konnte man überall Erinnerungen an die Thomas' Rennkarriere finden.
Im Weingut konnte man überall Erinnerungen an die Thomas’ Rennkarriere finden.

Robin: Weltmeisterwein quasi! Was ist denn dein Lieblingswein oder der beste Wein, den du hast?

Thomas: Das ist natürlich der „In bocca al lupo“ von Massa Vecchia, weil das halt mein Baby ist. Den habe ich selbst gepflanzt und das dauert auch einige Jahre, bis du den ernten kannst. Wenn du das alles einmal miterlebt hast, ist das wie das Erwachsenwerden von einem Kind. Da erlebst du von Geburt an alles mit und jetzt ist er nach 14 Jahren in bester Blüte und bietet exzellenten Wein. Da stecken mein Herz und mein Schweiß mit drin, deshalb ist es mein Lieblingswein. Trotzdem trinke ich zu Hause selten meinen eigenen Wein. Das mache ich meistens nur mit Freunden und Bekannten. Ansonsten trinke ich auch gerne andere Weine aus anderen Regionen, um mich da weintechnisch weiterzubilden.

Sieht nach viel Wein aus - im Vergleich zu anderen ist das Weingut von Thomas jedoch winzig.
Sieht nach viel Wein aus – im Vergleich zu Anderen ist das Weingut von Thomas jedoch winzig.

Robin: „In bocca al lupo“ – woher kommt der Name?

Thomas: „In bocca al lupo“ ist ein italienisches Sprichwort, das so viel wie „viel Glück“ oder „Hals- und Beinbruch“ bedeutet. Zu der Zeit, als wir das Projekt mit dem Wein gestartet haben, war ich mit Martino Fruet, einem italienischen CC-Profi, im Team Ritchey. Der hat mir am Start immer gesagt: „In bocca al lupo.“ Der Sound und der Ausdruck dieses Sprichworts haben mich dann animiert, das auch als Weinnamen zu übernehmen. Es ist ja schön, wenn du mit jemandem einen Wein trinken kannst, der dir dann hoffentlich viel Glück bringt.

Die 18 Reihen der Weinreben sind nach Thomas' 18 Worldcup-Siegen benannt.
Die 18 Reihen der Weinreben sind nach Thomas’ 18 Worldcup-Siegen benannt.

Robin: Wie hast du es eigentlich mit dem Weingenuss während deiner aktiven Zeit gehalten? Ernährungstechnisch gibt es da ja sehr viele Philosophien und viele Racer trinken gar nicht.

Thomas: Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen extrem, aber ich habe auch als Profi eigentlich täglich mit meiner Frau zusammen eine Flasche Wein zum Abendessen getrunken. Das gehört zu meinem Leben und meinem Lifestyle. Du hast absolut recht, dass ernährungstechnisch vieles dagegenspricht, aber viele sagen eben auch: Ein Glas Wein nach dem Essen schadet nichts. Wenn es dir hilft, dich nach einem intensiven Tag runterzuholen, dass du den Tag in Ruhe ausklingen lassen kannst und dich der Wein schön müde macht, dass du gut schlafen kann, dann ist das auch eine Art Medizin. Ich habe auch nie Wein mit einem schlechten Gewissen getrunken, deshalb ist er mir auch immer gut bekommen. Ich hatte da nie ein Problem. Der Alkohol wird natürlich von einem sehr aktiven Organismus auch sehr gut abgebaut, sodass ich nie Bedenken hatte, dass ich mir da etwas Schlechtes tue, wenn ich mit meiner Frau eine Flasche Wein trinke. Das gehört zu unserem Leben.

Als Altervorsorge auf jeden fall lässiger als Geld auf dem Schweizer Konto: Ein eigenes Weingut.
Als Altervorsorge auf jeden fall lässiger als Geld auf dem Schweizer Konto: Ein eigenes Weingut.

Robin: Also mit Leib und Seele dabei. Kannst du uns einmal einen groben Eindruck von der Größe des Weinguts geben? Wie viele verschiedene Weine habt ihr, wohin verkauft ihr?

Thomas: Also mit Massa Vecchia produzieren wir so zwischen 15.000 und 18.000 Flaschen Wein pro Jahr. Das klingt nach viel, aber im Weinbusiness ist das ein Mikro-Weingut. Normalerweise produzieren Weingüter 30.000–40.000 Flaschen. Die Großen kommen auf über eine Million Flaschen im Jahr und die mittleren Weingüter produzieren so 200.000. Um das mal in Relation zu setzen. Wir verkaufen schon auch ab Hof, aber das ist ein ganz kleiner Anteil. Die Hauptkundschaft bestellt den Wein und bekommt ihn dann über unsere weltweite Distribution geliefert. 15.000 Flaschen sind außerdem bei sechs Weinen nicht viel. Da gibt es Chargen pro Wein von 1.500 bis 2.000 Flaschen, die dann schnell weg sind. Das sind Raritäten.

Thomas produziert seinen Wein ausschließlich komplett natürlich - diese Grafik gibt Aufschluss, was das bedeutet.
Thomas produziert seinen Wein komplett natürlich – diese Grafik gibt Aufschluss, was das bedeutet.

Robin: Ihr betreibt biologischen Weinbau. Was macht den Unterschied zu konvetionellen Weinen?

Thomas: Uns unterscheidet, dass wir nicht nur im Rebberg selbst biologisch produzieren, sondern vor allem auch darauf achten, auch im Keller extrem naturnah zu produzieren. Das bedeutet, dem Wein seine Zeit zu lassen, sich zu entwickeln, und auf die Zugabe irgendwelcher Hilfsstoffe zu verzichten. Das heißt auch ohne Zugabe von Sulfiten zu arbeiten, was sehr schwierig und riskant ist. Das Traubengut muss extrem gesund und gut sein, damit man das überhaupt machen kann. Unser Ziel ist es, einen sehr naturnahen und bekömmlichen Wein zu produzieren, der zu 100 % organisch ist und keine Beistoffe beinhaltet.

Auch wenn das Weingut eher klein ist, war die Weinauswahl mehr als ausreichend.
Auch wenn das Gut eher klein sein mag: Die Weinauswahl vor Ort ist mehr als ausreichend.

Robin: Vielen Dank für das interessante Gespräch. Auf in bocca al lupo!


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