Von Anfang an zeichnete Enduro Racing aus durch diesen Kontrast völlig gegensätzlicher Situationen: sehr gesellige Transfers auf die abrupt der einsame, stille 10-Sekunden-Countdown folgt, bevor man die Stage beginnt und das Rennen ganz alleine weitergeht. Da oben an der Startlinie, wenn man weiß, dass man gleich nur auf sich allein und sein Bike gestellt ist und außer vielleicht Strava niemand wissen wird, was gerade los ist, kann man sich ziemlich isoliert fühlen.

Beim Enduro 2 wird wirklich mit Freunden gefahren - und in Zweierteams gestartet.
Beim Enduro 2 wird wirklich mit Freunden gefahren – und in Zweierteams gestartet.

Enduro Racing wird häufig als “Fahren mit Freunden” definiert, als eine Art „gesellige Biketour“ beschrieben, aber eigentlich trifft das nicht zu. Wann würdet ihr jemals mit 30 Sekunden Abstand zu euren Freunden eine Abfahrt runterheizen? Nicht oft, würde ich vermuten, normalerweise seid ihr wahrscheinlich nur ein paar Meter hinter euren Kumpels und versucht entweder, mitzuhalten oder feuert sie an, schneller zu fahren. Nun endlich finden Racing und „Fahren mit Kumpels“ zusammen, in einem neuen Rennformat, dem Zweierteam-Enduro. Diese Art von Rennen könnte einsamen Zitterpartien vor Beginn der Stages ein Ende machen, und zumindest weiß endlich noch jemand außer euch ganz genau, was da unterwegs alles passiert ist.

Solch epische Singletrails machen im Duo gleich doppelt so viel Spaß.
Solch epische Singletrails machen im Duo gleich doppelt so viel Spaß.

Initiiert wurde Enduro 2 von Ali von Trail Addiction, der Firma, die geführte Touren in den Alpen anbietet und auch das Trans Savoie Big Alpine Enduro veranstaltet. Das Format ist simpel – Enduro, wie ihr es kennt, nur dass man zu zweit fährt, man muss also die Stages gemeinsam mit der anderen Person starten und auch gemeinsam ins Ziel kommen. Die aufregende Erfahrung des Racens, insbesondere auf Sicht, könnt ihr jetzt ganz direkt mit jemanden teilen, zu einem gemeinsamen Erlebnis machen. Euer Teamkollege könnte zum Beispiel euer bester Bike-Kumpel sein, euer Bruder oder eure Schwester, ein taktisch gewählter Konkurrent, oder, für die risikofreudigeren unter euch, der Freund oder die Freundin.

Egal ob fahrend oder schiebenderweise, es zählt, gemeinsam ins Ziel zu kommen.
Egal ob fahrend oder schiebenderweise, es zählt, gemeinsam ins Ziel zu kommen.

Den Entschluss, Enduro 2 ins Leben zu rufen, traf Ali, nachdem er am ‘Biivouac’ teilgenommen hatte, einem Event in Frankreich zum Saisonende, das das Zweierformat eigentlich mehr so nebenbei eingeführt hatte, um die Kapazität der Zeltplätze zu erhöhen. „Ganz ehrlich, mir hat noch nie ein Rennen so viel Spaß gemacht wie dieses. High Fives, Umarmungen und Tränen vor Lachen waren quasi Pflicht nach jeder Stage. Ich wusste, meine neue Mission war jetzt, dieses Zweierformat in eine gut erreichbare Location mit natürlichem Terrain, Liften und einem tollen Singletrail -Netzwerk zu bringen. Ich war letzte Saison ein paar EWS-Rennen gefahren und es war schon wirklich toll, dabei zu sein, aber mir war das alles ein bisschen zu ernst. Selbst das, was eigentlich der gesellige Teil sein soll, die Transfers, waren zeitlich so knapp bemessen, dass man überhaupt keine Zeit hatte, ein bisschen mit anderen Fahrern zu quatschen und sich zum Beispiel über diese diese fiese Wurzelpassage auszutauschen, die mich fast umgebracht hätte.“

Beim Enduro 2 geht es auch durchaus technisch zur Sache.
Auch wenn auf Sicht gefahren wird, geht es auf den Stages durchaus technische zur Sache.

Das Enduro 2 dauert drei Tage und geht über 15 getimte Stages und insgesamt 12000 m Abfahrtshöhenmeter. Ziel ist es, Enduro wieder mit seinem ursprünglichen Abenteuergeist zu verbinden – man beginnt und beendet den Tag mit Freunden, es geht vor allem um Kameradschaft und Freundschaft, und nicht darum, ob man diese eine Sekunde mehr jetzt auch noch rausholt, oder ob man die richtige ‚Enduro-Line‘ nimmt. Trotzdem ist es natürlich ein toughes Rennen, und Teamwork und Taktik werden dementsprechend eine wichtige Rolle spielen. Ich bin sehr gespannt, wie die verschiedenen Teams das Event interpretieren und mit welchen Strategien sie es angehen. Bei einer Sache bin ich mir jedenfalls sicher, mechanische Probleme werden nur halb so viel Zeit in Anspruch nehmen wie sonst! Das Rennen findet in Les Arcs in den französischen Alpen statt, die Basis ist im Dorf Bourg St. Maurice, einem wunderschöner Schauplatz für ein solches Rennen. Das Resort unterstützt Ali und das Event, und die Atmosphäre wird mit den vielen Restaurants und Cafés sicher sehr schön werden. Jeder der drei Renntage beginnt in Bourg St Maurice, von wo aus man den Lift nimmt, was wirklich eine große Erleichterung ist. Das Rennen findet auf abwechslungsreichem Gelände statt, das sowohl Bikepark-Elemente als auch natürliche alpine Singletrails bietet.

Wer fährt vor? Die Frage sollte man am besten vor dem Enduro 2 klären.
Wer fährt vor? Die Frage sollte man am besten vor dem Enduro 2 klären.

Ali kennt diese Gegend wie seine Westentasche, ihr könnt euch also sicher sein, dass ein paar Hammertrails dabei sein werden. Offizieller Sponsor ist der Powermeter-Hersteller Stages Cycling aus Colorado, er schickt auch ein paar Teams in dieses einzigartige Rennen. Ich werde sie auf jeden Fall direkt ansprechen, denn vielleicht kann ich von ihnen ein paar Dinge über den Einsatz von Leistungsmessern im Training lernen. Daneben gibt es weitere Sponsoren: Vango sorgt dafür, dass die Camper nicht frieren, und auch Shimano und Fox unterstützen das Event.

Racing hin oder her - im Laufe des Rennens kommt man auch an atemberaubend schönen Szenerien vorbei.
Racing hin oder her – im Laufe des Rennens kommt man auch an atemberaubend schönen Szenerien vorbei.

Ich persönlich gehöre zu der erwähnten Handvoll mutiger Menschen, mein Teamkollege ist mein Freund Adam. Ich zerbreche mir die ganze Zeit den Kopf, aber ich erinnere mich nicht, dass wir schon mal als Team irgendwo teilgenommen hätten. Es wird sicher interessant, aber Sorgen mache ich mir keine: wir sind seit fast sieben Jahren zusammen, also müssen wir wohl ein paar Dinge richtig gemacht haben – das müssen wir jetzt nur noch aufs Rennen übertragen! Adam ist etwas schneller als ich, aber dass die Stages blind gefahren werden, dürfte das ein Stück weit ausgleichen. Ich habe mehr Erfahrung mit Rennen auf Sicht, weil ich letztes Jahr am Trans Savoie teilgenommen habe, und dieses Jahr am Trans New Zealand. Außerdem können wir unsere Geschwindigkeit noch dadurch aneinander anpassen, dass ich hinter ihm fahre, so dass ich, wenn ich sehe, wie er einen Drop oder eine bestimmte Line nimmt, genau weiß, wo ich hin muss und was zu tun ist, wodurch ich hoffentlich weniger bremsen werde. Naja, das ist jedenfalls der Plan. Wir trainieren seit einiger Zeit, dicht hintereinander zu fahren, und gemeinsam erst knapp nach der Ziellinie zu bremsen. Außerdem üben wir, unsere Ausrufe und Laute bei der Fahrt richtig zu interpretieren – mittlerweile verstehe ich gut, was in Adams Spezialsprache heißt „ oh, ähm, das ist echt tricky“ oder aber „Hau rein“. Da nur einer im Team einen Zeitnahmechip hat, und das die Person sein sollte, die als zweite startet und ins Ziel kommt, bin das wohl ich.

Man darf gespannt sein, wie sich das Rennergebnis auf die Gruppendynamik auswirkt - hoffentlich nicht so.
Man darf gespannt sein, wie sich das Rennergebnis auf die Gruppendynamik auswirkt – hoffentlich nicht so.

Wir werden uns auch noch überlegen, was wir machen, falls wir aus Versehen irgendwo mitten in einer Stage die Plätze wechseln. Abgesehen von taktischen Überlegungen bestand unser Training auch aus der Teilnahme an mehreren EWS-Rennen, so dass Fitness für uns kein Problem sein sollte – ich vermute aber, Adam wird meinen Hintern die Anstiege hochtreten, bildlich gesprochen.

Das Gruppenerlebnis ist zwar wichtig, am Ende sind jedoch trotzdem alle heiß auf die Ergebnisse.
Das Gruppenerlebnis ist zwar wichtig, am Ende sind jedoch trotzdem alle heiß auf die Ergebnisse.

Unsere Konkurrenten in diesem Rennen kommen von überall her, es gibt Starter aus ganz Europa, zum Beispiel Deutschland, Finnland, Großbritannien, Italien, Slovenien und von weiter weg, aus Kanada und Neuseeland. Schön finde ich auch die kreativen Teamnamen, die ich bisher gehört habe, ich freu mich drauf, herauszufinden wer sich hinter “Big Biceps, Little Legs” verbirgt, und ob “Mid Pack Averageness” tatsächlich der Wahrheit entspricht. Unterbringungsmöglichkeiten gibt es diverse, je nachdem, welches Race-Paket man bucht. Adam und ich haben uns entschieden, in unserem geliebten Van namens Felix zu übernachten und uns selbst zu versorgen. Alternativ gibt es Zeltunterbringung mit Catering (nach der Trans Savoie Erfahrung muss ich sagen, dass ist keine schlechte Option) und schließlich auch noch die luxuriöse Trail Addiction Unterkunft mit Vollversorgung. Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, und man sollte sich eine Last-Minute-Anmeldung überlegen. So oder so bekommen alle Racer an jedem Renntag ein warmes Mittagessen, was ganz bestimmt helfen wird, die Energielevel und die Stimmung hochzuhalten.

Rachel und Adam haben diese Saison schon ein paar EWS-Rennen absolviert und fühlen sich damit gut vorbereitet.
Rachel und Adam haben diese Saison schon ein paar EWS-Rennen absolviert und fühlen sich damit gut vorbereitet.

Ich freue mich riesig, wieder nach Les Arcs zu kommen und vor der großartigen Bergkulisse zu racen. Enduro2 ist ein einzigartiges Rennformat, und ich denke, es könnte sich wirklich durchsetzen. Ich kann es kaum erwarten, meine Fähigkeiten in so einer Teamsituation auf die Probe zu stellen, und herauszufinden, was Adam und ich gemeinsam erreichen können. Aber wie auch immer unsere Ergebnisse aussehen werden, eins weiß ich jetzt schon: wir werden eine fantastische Zeit zusammen haben, uns gegenseitig aufhelfen, wenn wir stürzen, und ganz sicher werden wir auf jedem einzelnen Trail viel lachen und ein breites Grinsen im Gesicht haben.

Mehr Informationen über das Rennen gibt es unter trailaddiction.com.

Text: Rachael Gurney Bilder: Trevor Worsey, Trail Addiction


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!