Local Heroes: Winter auf La Palma
Ein Hotelzimmer in einem Ferienbunker auf einer Luxusinsel und dem Alltag entfliehen: Der Traum für die meisten Nicht-Mountainbiker dieser Welt. Doch spätestens wenn auf dem europäischen Festland der kalte Winter beginnt, wird Daniel Schäfers Winterdomizil auch für uns zum Traum. Hier lest ihr die ganze Story, die zuvor in Ausgabe #016 des Magazins erschienen ist..
Manchmal liege ich am Strand und denke mir, wie es wohl war, als ich meine Winter noch im kalten Deutschland verbracht habe. Hier auf La Palma feiere ich Weihnachten und Silvester in Boardshorts und esse im Januar frische Orangen oder Avocados von Nachbars Baum. Das klingt supertropisch, ist aber in Wirklichkeit nur vier Stunden von good old Germany entfernt.
Auf der Höhe von Marokko, mit spanischer Landessprache und sehr von Cuba beeinflusst , das viele, viele Kilometer von der Westküste entfernt liegt, ist La Palma eine der sieben Kanarischen Inseln. Die Sprache brachten die Spanier mit, als sie sich die Inselgruppen irgendwann einmal gewaltvoll unter den Nagel rissen, dann später aber doch wieder auswanderten – allerdings nicht aufs Festland zurück oder nach Afrika, sondern direkt an den Ort, von dem Handelsschiffe Zucker, Kaffee und andere Güter brachten: nach Südamerika. Klar kamen von dort auch viele wieder zurück und somit wurde auf den Inseln der Buena Vista Social Club genauso normal wie Salsa und Merengue. Zigarren, Bananen, die Bauweise vieler Häuser oder auch das Essen wurden von den unterschiedlichen Ländern importiert.
La Palma im Atlantik vor der Westküste Afrikas hat mir das Herz geraubt. So nah und doch so fern und trotz ihrer bewegten Vergangenheit ganz sie selbst geblieben. Stolz sind hier alle Einheimischen auf ihre Insel – und das zu Recht, was mir immer dann bewusst wird, wenn ich aus dem dichten Wald in eine staubige Kurve biege und dabei auf das weite Meer blicke.
Dieses Erlebnis erreicht man hier ganz einfach, immerhin liegen das Meer und die Spitze der knapp 2.500 m hohen Berge keine 20 km voneinander entfernt. Solch paradiesischen Umstände haben an anderen Orten schon zu Millionen-Metropolen wie Vancouver geführt – aber glücklicherweise gibt es hier keine solche Stadt. Alles ist viel kleiner, persönlicher, die Einwohner der vier Inselseiten kennen sich jeweils untereinander, waren oft aber noch nicht einmal auf einer der anderen Seiten.
Dschungel im Osten, Steinwüste im Westen.
Vor ein paar Jahren war ich einmal quer durch Ecuador unterwegs und fand das dort auch alles sehr schön. Allerdings saßen wir recht viel im Auto, um die unterschiedlichen Trails zu erreichen, die dann bis auf die 45 °C heiße Wüste alle sehr viel Ähnlichkeit mit denen auf meiner Insel hier hatten. Denn hier gibt es Dschungel und Steilküsten im Norden, Hochalpines über 2.000 m, Kakteen und Palmen in der Mitte, trockene Vulkansandwüste im Süden und alles wird umgeben vom Atlantischen Ozean, der Anfang November oft sogar noch über 20 °C misst.
Wie kommt es zu dieser extrem vielfältigen Vegetation? Zuerst sollte man wissen, dass die Insel aus zwei Teilen besteht. Der südliche kam erst geraume Zeit später durch vulkanische Aktivitäten aus dem Meer und ist somit noch recht jung und von schwarzem Lavasand geprägt. Der nördliche Teil der Insel ist schon weitaus älter und somit auch viel stärker bewachsen. Dazu kommt, dass die Insel wie eine nach Süden zeigende Kompassnadel im Meer liegt, 30 km breit und 60 km lang ist und trotzdem an ihrer höchsten Stelle, dem Roque de los Muchachos, 2.485 m erreicht.
Der Norden ist ziemlich steil und daher weniger bewohnt. Der Roque ist nicht ein einzeln stehender Vulkan: Durch viele kleine, weitere Ausbrüche entstand die Cumbre, die jetzt einen leicht welligen, aber bis ins letzte Viertel ungefähr 2.000 m hohen Kamm bildet, der die Ost- und Westseite von La Palma trennt. Dieser Kamm ist eine ziemliche Wand, die auch das Wetter ordentlich in Schach hält. Das ist zwar etwas schade für die Ostseite, da dort oft der Nordost-Passat hängt und die Sonne schon gegen 17 Uhr hinterm Berg verschwindet, aber so kann man eben auch schlechtem Wetter gut aus dem Weg gehen. Außerdem versorgt der Passat die ganze Insel mit ausreichend Wasser, was auf den anderen Inseln deutlich eher zum Problem wird.
Kurz gesagt: Die ganze Insel ist ein Berg, der in alle Richtungen Gefälle bietet. Mal steiler, mal sandig, mal durch flowige Pinienwälder, mal über verblocktes Gestein. Rennradfahrern antworte ich immer auf Anfragen für die Insel: „Vergesst es! Wenn ihr einigermaßen fit seid, kennt ihr alle Straßen in drei Tagen.“ Für uns Mountainbiker gibt es aber ein dermaßen umfangreiches Wegenetz, dass ich seit 15 Jahren immer noch etwas Neues entdecke. Und das sind dann oft keine Kleinigkeiten, z. B. zeigten mir Locals erst vor 7 oder 8 Jahren den Dschungeltrail im Norden nach Punta Llana, der uns Bikestationen-Betreiber überhaupt erst dazu veranlasste, bis in den Norden zu shutteln. Mittlerweile werden dort zwischen fünf bis sechs Trails von jeweils mindestens 1.500 Höhenmetern gefahren.
Dazu kommen unzählige Trails im Mittelteil oder die Sandfräsereien im Süden der Insel. Wenn man auf den alpinen Wegen am höchsten Punkt startet und dann über dem Kamm fährt, hat man unzählige Wahlmöglichkeiten und kann direkt bis vor die Haustür der Wohnanlage fahren. Der Cumbre genannte Kamm teilt nicht nur den Ost- und Westteil der Insel, sondern westseitig auch den Nord- und Südteil. An dieser Seite des riesigen Kraterrandes befindet sich auch La Palmas bekanntester Trail, der direkt an der Kante entlang von 2.485 m Höhe bis hinab ins Tal führt. Von hochalpinem, vulkanischem Gestein geht es durch Pinienwälder und Weinanbaugebiete mit herrlichen Ausblicken über das ganze westliche Aridane-Tal bis zum Meer.
25 °C Temperaturunterschied sind nicht selten auf dieser Strecke, meist sind es nur 10 °C – in Einzelfällen können es aber auch extreme 35 °C Unterschied werden, wie auch ENDURO-Redakteur Christoph bereits am eigenen Leib erfahren konnte.
Durch all diese Umstände ist die ganze Insel bikebar und bietet immer wieder neue Tageserlebnisse. Mit etwas Erfahrung findet man hier jeden Tag schönes Wetter, denn egal wo das Wetter herkommt, kann man einfach auf die andere Seite fahren und dort in der Sonne biken. Unterschiedliche Vegetationszonen bieten unterschiedliche Trailkonditionen und alles ist mit einem Shuttel in maximal anderthalb Stunden erreichbar. Natürlich sind auch kürzere Ausflüge möglich, z. B. auf einer der Handmade-Strecken, die immer mehr werden und aus denen man je nach Gusto auch schnell einen runden Tagesausflug basteln kann.
Daniels Top-5-Trails der Insel
Trail1: Vom Roque del los Muchachos nach Tazacorte
Der wohl bekannteste Trail der Kanaren ist gleich mal harte Kost, da er ganz oben startet und daher erstmal ziemlich rough und verblockt beginnt. Um so mehr Höhe man dann aber auf dem Kamm Richtung Westen verliert, desto schöner wird er. Eindrucksvolle und schroffe Vulkanlandschaften werden abgelöst von flowigen Waldwegen, die aber auch immer wieder technische Herausforderungen bereithalten. Durch Weinanbaugebiete und deren Terrassen rollt man dann immer weiter in die Zivilisation zurück. Uralte Kopfstein- oder Königswege, wie man sie hier nennt, bieten dann bis zum Meer eine unglaubliche Mischung an Anspruch, Aussicht, Fotospots und Trailfluss.
Achtung! Hohe Ermüdungs- und Sonnenbrandgefahr.
Tipp: Wer es lieber etwas lockerer mag, nimmt den Trail vom Einstieg am Helikopter-Landeplatz des Observatoriumsgeländes des Roque de los Muchachos. Dieser verläuft immer parallel zum Kamm und lässt damit die anstrengende Alpinpassage aus. Allerdings geht’s hier immer wieder mal bergauf, was den Weg zum perfekten Enduroerlebnis macht.
Trail 2: Von Pico de la Nieve nach Reventon
Der wohl der eindrucksvollste Trail der Insel verläuft immer auf der Cumbre Richtung Süden. Immer wieder geht es auch bergauf mit einigen Schiebepassagen, die aber für Könner auch komplett fahrbar sind. Bestechend ist der Trail, weil permanent auf dem Kamm gerollt wird und sich dabei atemberaubende Ausblicke auf beide Seiten der Insel bieten. Erst blickt man auf den riesigen, zerklüfteten Vulkankrater der Caldera und später Richtung Teneriffa oder Amerika. Dieser Trail ist technisch nicht so anspruchsvoll, aber durch seine selektiven Gegenanstiege trotzdem anstrengend. Durch sie verliert man aber die ersten zwei Stunden kaum Höhe und wird dann durch den wohl flowigsten Trail des Inselwegenetzes belohnt.
Auf fast lehmartigem Untergrund schlängelt man sich von Kurve zu Kurve oben auf dem Kamm entlang, bis schließlich der Reventon-Pass erreicht wird. Hier führt der wohl älteste Handelsweg über den ca. 1.500 m hohen Pass zwischen Ost und West und je nachdem, auf welcher Seite man wohnt und wie spät es schon ist, kann man jetzt Richtung Hauptstadt St.Cruz (Ost) oder nach Los Llanos (West) abfahren.
Trail 3: Vom Deseada nach Faro de Fuencaliente
Ganz im Süden muss man erstmal einige Höhenmeter erklimmen. Am besten startet man bei der alten Müllverbrennungsanlage auf der Westseite, die mit Pirs ausgeschildert ist. Von dort schraubt man sich hoch zur Ruta de los Volcanes. Aber Vorsicht, nicht über 1.800 Höhenmeter fahren, denn dieser höhere Teil ist für Mountainbiker gesperrt.
An der Ruta de los Volcanes angekommen, genießt man eine nicht enden wollende Abfahrt über Lavasand und mal mehr, mal weniger festen Untergrund. Nach nicht nur optisch unschlagbaren drei bis vier Kilometern Trail durch eine Mondlandschaft fräst man sehr spaßig durch Pinienwälder bis nach Fuencaliente.
Der südlichste Ort der Insel lädt zu einem netten kleinen Tapas-Stopp ein, bevor es weiter geht in das jüngste der Vulkangebiete der Insel. Die visuellen Reize reißen auch hier nicht ab und man passiert den nur 40 Jahre alten Vulkan Teneguia bis man am Ende des Trails das Meer und den Leuchtturm sehen kann.
Tipp: Wer nicht so weit hoch will, kann über die Ostseite von der Fuente de los Roques einsteigen, zu der ein breiter Lavaschotterweg führt.
Trail 4: Der Dschungel
In diesen Trail startet man vom Pico de la Nieve-Parkplatz. Aber sobald man den etwas höher gelegenen Schotterwegeinstieg über die Hauptstraße erreicht hat, geht es nicht mehr nach oben, sondern nur noch bergab. Erst durch Pinienwälder, mal steiler, mal rutschig, aber immer schön flüssig. Der Trail ist geprägt von hartem Untergrund, vielen Kurven und auch Highspeed-Passagen, bis man sich auf einmal in einem natürlichen Wasserkanal inmitten eines extrem dichten Regenwalds wiederfindet. Von dort aus führt der Trai limmer weiter nach Punta Llana, wo auf einmal wieder die Zivilisation auf einen wartet.Kleiner Snacktipp ist die Bar an der Tankstelle dort.
Achtung! Die kleinen Sträucher am Wegesrand sind oft widerspenstiger, als sie wirken und haben schon so manches Trikot zerstört.
Tipp: Aufgrund der zweistündigen Abfahrt bietet es sich an, von hier noch einmal hochzufahren und dann den Trail vom gleichen Ausgangspunkt Richtung St.Cruz zu nehmen. Wer auf der Westseite der Insel wohnt, kann auch mit einem Shuttle zur Cumbre hochfahren und auf dieser Seite auf eines der zahlreichen Trailangebote zurückgreifen, um den Tag ausklingen zu lassen.
Trail 5: Kurz mal ballern
Wer einfach nur kurz losheizen will, fährt am besten hoch zur Llano de las Brujas bei Los Arenales und dort flach um den Fuß des Montana Enrique herum, bis er den Einstieg in den Quemada-Trail erreicht.
Hier kann gewählt werden: Der Quemada-Trail führt roughes, aber flüssig über ein Lavafeld bis zum Touristen-Informationszentrum oberhalb von El Paso. Es gibt aber auch noch eine sehr flowig gebaute Strecke, die nach ein paar weiteren Metern Schotterweg links beginnt. Kleine Sprünge, Steilkurven oder diverse G-Outs machen dort richtig Spaß und spucken einen auf der Hauptstraße nach El Paso/St.Cruz wieder aus. Wenn man dieser nach oben folgt, erreicht man nach einem Snackstopp an einer Tankstelle auch das Infozentrum und kann dann entweder mit dem Shuttle oder durch einen Uphill aus eigener Kraft die beiden Trails kombinieren.
Reisetipps:
Essen:
In Sachen Nachtleben hat die kleine Insel außer zu Karneval wenig zu bieten. Dennoch gibt es einiges zu entdecken – vor allem kulinarisch. Das El Secadero in Las Manchas oder die Bodegon Tamanca bei Jedey sind hier zwei echte Highlights! Freunde von Gegrilltem besuchen Mar y Terra in Los Llanos und statten dem schicken Plaza direkt einen Besuch ab.
Beste Reisezeit:
Die beste Reisezeit ist von November bis April. Genau dann, wenn im übrigen Europa Schmuddelwetter regiert, findet man auf La Palma trockene Trails und angenehme Temperaturen.
Guide vor Ort:
Wer auf der Suche nach einem Guide vor Ort ist, besucht am besten Daniels Webseite Dansdesktop.com. Er kennt die Insel wie kein anderer und weiß genau, was Biker wollen. Frühbuchen lohnt sich!
Bikeshop vor Ort:
Wenn vor Ort doch einmal das Schaltwerk abgerissen ist oder die Reifen verschlissen sind, ist Siggis Bikeshop die perfekte Anlaufstelle. Hier wird euch garantiert geholfen:
magic-bike-lapalma.com
Shuttle und Übernachtung:
Auch hier ist Siggi euer Mann! In seiner schicken Anlage stehen etliche Zimmer zur Verfügung. Geshuttelt wird fast jeden Tag, die Preise liegen zwischen 12 und 30 €.
Flüge:
Condor und Airberlin fliegen La Palma regelmäßig an und bieten meist auch preisgünstige Möglichkeiten, das Rad zu transportieren. Wer jedoch einen Direktflug sucht, muss sich hierfür meist auf einen bestimmten Tag der Woche beschränken (ab München z. B. immer dienstags).
Text: Daniel Schäfer Bilder: Maloja / KME Studios
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