Aus dem Magazin | Made in Germany – Hausbesuch bei MAGURA
Mit dem Begriff „typisch deutsch“ verbindet man nicht nur den schlecht gekleideten Typen mit Hawaiihemd und weißen Tennissocken in seinen Sandalen am Strand von Mallorca. Sondern eben auch gut organisierte, akkurate und leicht pedantische Menschen mit Hang zur Perfektion. Nicht zuletzt deshalb steht das Siegel „Made in Germany“ seit jeher für hervorragende Performance und hohe Qualität – was auch die MAGURA MT5, die in Deutschland „designed und engineered“ wurde, bei unserem Bremsentest wieder einmal unter Beweis gestellt hat.
Was aber macht den Erfolg dieser Marke eigentlich aus? Wir sind für euch in die tiefsten Tiefen der schwäbischen Alb vorgestoßen und haben den Firmensitz von MAGURA mal ganz akkurat unter die Lupe genommen. Die Halle ist bis in den letzten Winkel mit einem Meer von Neonröhren ausgeleuchtet, es riecht nach Kunststoff und unentwegt hört man das Zischen der Spritzmaschinen. Passend zu diesem stetigen Rhythmus fallen alle paar Sekunden neue Kunststoffteile von den Förderbändern in eine der unzähligen blauen Transportboxen, die hier überall zu sehen sind. Wo wir gerade sind? In dem kleinen Ort Hülben auf der schwäbischen Alb, nahe Bad Urach. In einer der drei Produktionsstätten des Komponentenherstellers MAGURA.
Die Region rund um Stuttgart ist ein wahrer Pool für Innovationsgeist und Entwicklungsarbeit. Das beweisen hier ansässige Traditionsunternehmen wie Porsche, Mercedes, Siemens oder Bosch immer wieder eindrucksvoll. Derselbe schwäbische Erfindergeist hat im Jahr 1893 wohl auch Gustav Magenwirth dazu bewegt, die Erfolgsgeschichte der MAGURA zu beginnen – deren Firmenname auch prompt aus den Anfangsbuchstaben seines Nachnamens und des Gründungsorts Bad Urach besteht (MAGenwirth URAch=MAGURA).
Inzwischen steckt in dem einst kleinen Metallbetrieb ein international operierendes, mittelständisches Unternehmen, das sich neben der Metallverarbeitung vor allem auf Kunststofftechnik, Hydraulik und elektronische Steuerungen (z. B. MAGURA eLECT) spezialisiert hat und über Außenstellen in Asien und den USA verfügt.
Das Unternehmen hier auf der schwäbischen Alb ist in drei Werke aufgesplittet: Die Kunststofffertigung in Hülben, die Montagehalle in Hengen und den Hauptsitz in Bad Urach, der neben der Entwicklungs- und Serviceabteilung auch den Werkzeugbau umfasst. Unser Firmenrundgang startet am Geburtsort des von MAGURA erst letztes Jahr präsentierten, innovativen Carbon-Verbundsstoffs in Hülben. Hier in der Kunststofffertigung stehen etliche Spritzmaschinen in Reih und Glied, und während die einen streng geheime Bauteile für die Automobilindustrie ausspucken, produzieren andere seit Jahren Trägerplatten für den Bremsbelag der mittlerweile legendären HS-33 Felgenbremse.
„Bereits seit mehr als 90 Jahren beliefert MAGURA mittlerweile den Motorradhersteller BMW. Seit 2012 gehören dazu auch Kupplungsamaturen aus Kunststoff, da diese ihren Pendants aus Metall sowohl in Sachen Gewicht wie auch Festigkeit deutlich überlegen sind“, erklärt uns der Werksleiter beim Rundgang stolz. Jeden Tag kommt ein Lkw, der die hier gefertigten und sorgsam in blauen Kisten verstauten Teile abholt und zur Montage ins Nachbardorf fährt.
Denselben Weg legen wir jetzt zurück und kommen vom fast schon stattlichen 3000 Einwohner Ort Hülben in das 900 Seelen Dorf Hengen. Hier erwartet uns eine hochmoderne Montagehalle, die auf den ersten Blick eher an eine Produktionsstätte von Computerchips erinnert. Mit einem antistatischen Kittel ausgestattet betreten wir die unter leichtem Überdruck stehende Halle – schließlich soll hier nichts die neuen Produkte verschmutzen. Von links nähert sich ein Elektrofahrzeug, das auf einem Wagen mehrere der bereits aus Hülben bekannten blauen Plastikboxen transportiert. „Das ist der sogenannte Zug. Der fährt hier jede Stunde alle Montage-Einheiten an, damit dort nie das Material ausgeht“, erklärt uns Marketing-Manager Götz Braun.
In dieser Halle läuft die gesamte Wertschöpfungskette zusammen und es entsteht das finale Produkt. An einer der Montageinseln machen wir halt. Im Akkord setzen verschiedene Mitarbeiter die Einzelteile der Bremse zusammen und legen im Anschluss das noch leere Bremssystem in eine Maschine mit Roboterarmen. Über mehrere Stationen innerhalb der Apparatur wird hier das von MAGURA Royal Blood genannte Mineralöl eingebracht; im Anschluss werden die Verschlussschrauben eingedreht. Nun kann die fahrfertige Bremse verpackt und im Anschluss in die ganze Welt geliefert werden. „Typisch deutsch“ natürlich mit Garantie und Gewährleistung, bei MAGURA außerdem mit zusätzlichen 5 Jahren Garantie auf Dichtigkeit des Bremsgriffs und Bremszylinders. Wir nennen das schwäbische Genauigkeit.
Und eben diese Genauigkeit findet ihren Ursprung am dritten Stopp unserer Rundtour, in Bad Urach. Denn in diesem Ort, wo einer Legende nach von einem Bäcker auch die Brezel erfunden wurde, befindet sich der Hauptsitz des familiengeführten Unternehmens. Die bewegte Firmengeschichte und die darin enthaltenen Expansionen von MAGURA lassen sich bereits von außen an den verschiedenen Baustilen der eng zusammenstehenden Gebäude
erkennen. Sprossenfenster aus den Sechzigern reihen sich an Achtzigerjahre-Bauelemente und werden ergänzt von einem modernen Gerüst aus dem Hier und Jetzt. Empfangen werden wir von Fabian Auch, der in vierter Generation den Betrieb der Vertriebstochter Magura Bike Parts leitet und uns jetzt durch die unterschiedlichen Abteilungen führt. Dabei durchlaufen wir denselben Weg wie viele Produkte von MAGURA und beginnen am Ursprungsort: der Entwicklungsabteilung. Die besteht aus einem Team kreativer Köpfe, das permanent damit beschäftigt ist, in sämtlichen Geschäftsfeldern der Firma neue Innovationen auf den Weg zu bringen
Angefangen von kleinen Bauteilen wie Bremsbelägen bis hin zu komplexen, elektronisch gesteuerten Fahrwerken – hier kommen die Ideen auf Papier und erste Prototypen entstehen.,Ebenfalls „in House“ ist die Werkstatt für Werkzeugbau, wo alle Formen für die Kunststoffherstellung und eine Vielzahl der Fertigungsmaschinen ihren Ursprung haben. Über jahrzehntealten Parkettboden laufen wir von Halle zu Halle weiter in die Serviceabteilung. Hier werden sämtliche Anliegen von Kunden und Händlern entgegengenommen, geordnet und nach Zeitpunkt des Wareneingangs bearbeitet. Direkt dahinter befinden sich etliche Regale voller zum Teil schon nostalgisch wirkender Teile. Götz Braun erklärt uns, dass sie zwar natürlich nicht mehr für jedes von ihnen verkaufte Produkt Ersatzteile auf Lager haben, für einen Großteil aber schon. Alle natürlich feinsäuberlich sortiert in den bereits bekannten blauen Plastikboxen – typisch deutsch eben. Da soll noch einmal einer sagen, ein wenig Akribie hätte nicht auch ihre Vorteile!
Als wir das Firmengelände wieder verlassen sind wir uns einig: Solange auch das hier „typisch deutsch“ ist und wir nicht nur ausschließlich mit von der Sonne verbrannten Sandalentypen assoziiert werden, kommen wir damit klar, deutsch zu sein. Und gehen vielleicht jetzt gleich noch ein paar blaue Kisten für die Redaktionsräume kaufen, denn da sollte auch mal wieder aufgeräumt werden.
Words & Photos: Christoph Bayer
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