Aus dem Magazin | Unterwegs mit der Lady Shred Crew
Freundschaften entstehen manchmal auf seltsame Weise. Eine Gruppe von Frauen, die sich auf Enduro-Rennen kennengelernt hat, scheint so ein besonderer Fall zu sein. Fragt man sie jedoch selbst, dann ist das vollkommen normal.
Liz, Elena, Tricia und Leigh bilden den Kern einer fröhlichen wie abenteuerlustigen Truppe von Mädels, die sich selbst als „Lady Shred“ bezeichnet, und sich vergangenen Sommer auf den Rennen der amerikanischen Big Mountain Enduro Series getroffen hat. Alles Amateur-Racer mit „normalen“ Jobs. Jede von ihnen fährt so gerne Rad wie jeder Typ da draußen. In der männerdominierten Mountainbike-Welt scheint eine Gruppe von Frauen, die zusammen campen, biken und feiern ein wenig ungewöhnlich. Aber das sollte es eigentlich nicht sein!
Frauen kamen für eine zu lange Zeit lediglich in einer Nebenrolle oder in Begleitung ihres Mannes oder Freundes auf die Rennen, Trips und in die (Bike-)Ferien mit, meistens gar ohne Bike. Die Bike-Industrie hatte, statt einen neuen Trend zu fördern, diesen Sport für viele Frauen gar abschreckend abgelichtet. So wurde Mountainbiken über viele Jahre hinweg vor allem in extreme Richtungen vermarktet: „Go big or go home!“ war die Botschaft. Große Sprünge, große Crashs. „Balls” muss man zum Biken haben und nicht wie im Fußball nur einen. Entweder du leidest wie im XC oder stürzt dich die Hänge und Klippen in Downhillrennen oder Freeride-Competitions hinunter. Dies mag für den 19-jährigen Dude vielleicht funktionieren, aber für viele Leute eher weniger. Mittlerweile – und nicht zuletzt im Zuge der Enduro-Bewegung – hat die Bike-Industrie gelernt, dass es ein riesiges Potential an Leuten gibt, die es einfach genießen, mit dem Bike in der Natur zu sein und bereit sind, ordentliche Bikes und Equipment zu kaufen.
„Frauen bringen Inspiration und eine gewisse Leichtigkeit in den Mountainbike-Sport. Wenn eine von uns Schwierigkeiten mit einem Hindernis oder einem Trailabschnitt hat oder einfach etwas nervös ist, dann stoppen wir und helfen ihr durchzukommen! Letzten Endes werden wir durch unsere Clique zu besseren Fahrerinnen. „Und mal im Ernst, wer liebt es nicht rumzublödeln, Musik zu hören und über Bike-Mode aber auch Technik zu quatschen?“, erzählt Tricia.
Mittlerweile ist nichts Ungewöhnliches mehr an bikenden Frauen, aber eine große Gruppe von Frauen fahren, campen und zusammen Trips planen zu sehen ist noch immer eine Seltenheit. Vor allem regelmäßig – wie es jede Gruppe von Männer machen würde. Dabei ist dieser Trend wirklich erfrischend. Leigh fügt das über den sozialen Aspekt hinzu: „Eine Gruppe sich gegenseitig pushender Mädels hat vor allem einen Vorteil: Anstatt nur zu fahren, connecten wir auch auf einer sozialen Ebene und unterstützen uns gegenseitig in einer Art und Weise, wie es bei einer Tour mit Männern nicht vorkommen würde. Die Mädels mit denen ich fahre, unterstützen sich einander sehr stark und bringen uns fahrtechnisch wie freundschaftlich einfach weiter.“
Ein paar der Frauen kannten sich bereits aus ihrer Wahlheimat Breckenridge, Colorado und trafen Tricia bei ihrem ersten Rennen. Mit einem ähnlichen Mindset und dem Willen mehr bikende Frauen zu treffen waren alle darauf bedacht, Freundschaften zu schließen und eine gute Zeit zu haben. Jede von ihnen kannte jemanden, die jemanden kannte und ehe man sich versah, entstand eine Gruppe passionierter Bikerinnen. Endurorennen mit ihren gemeinsamen Anstiegen bevor man auf die einzelnen Stages kam, führten zu lustigen Gesprächen und schufen die Basis für echte Freundschaften. Nach dem Rennen wurden dann sofort Pläne geschmiedet wo man sich das nächste Mal treffen würde. Wenige Wochen später verabredete man sich für einen Fahrtechnikkurs auf dem laut Tricia alles begann: „Wir kamen alle mit etwas, an dem wir arbeiten wollten. Unterschiedliche Ängste, Könnenstufen, Stärken und Schwächen.“ So wurde die „Lady Shred“ Gang geboren. Spaß, Biken, Chillen, repeat!
Weitere Pläne für ein Camping-Trip nach Moab als Saisonabschluss entstanden. Jeder der in den Rocky Mountains in Colorado, Utah, Arizona oder New Mexico wohnt, kennt Moab als Reiseziel, vor allem als Springbreak- oder End-of-Season-Destination mit seinem wüstenähnlichen Klima.
Und wenn diese Frauen von einer Saisonabschlussparty sprechen, dann meinen sie das auch so. Das sind diese Partys über die man noch Jahre später erzählt. Partys, auf denen man mit Bikes über das Lagerfeuer springt. Partys, nach denen man am nächsten Morgen nicht biken geht, da die Party erst am Morgen geendet ist. Partys, auf denen man Freundschaften schließt und vertieft.
Ich wurde von Tricia zur Season-Opening-Party nach Durango, Colorado eingeladen. Einige der Leute dort kannte ich noch von früher von den Rennen, wenn auch eher etwas oberflächlich. „Camp Bacon“ – so wurde das Event getauft, wobei der Name selbst bereits nach Spaß schrie. Bacon hat auf paradoxe Weise in den USA eine Art eigenes Sozialleben entwickelt, ganze Festivals und Camping-Trips geben sich ihm hin. Dies gab den Startschuss zu einem Wochenende voller Biken, Lachen, Feiern, Bacon, Kaffee und der Indoktrination ihrer Philosophie.
Händeschütteln hier, High-Fives dort, wieder und immer wieder. So viele neue Gesichter, so viele neue Namen in so kurzer Zeit. Wow! Jeder war wunderbar freundlich, offen und dennoch echt authentisch. Ich dachte ich würde verarscht werden. Ich könnte nicht auf Anhieb so freundlich und offen mit einer Gruppe umgehen, die ich buchstäblich gerade erst treffe. Aber es war so. Und so verlief auch das gesamte Wochenende – das leichte und angenehme Gefühl, mit alten Freunden unterwegs zu sein, die man schon von Kindesbeinen an kennt.
Jetzt könnte man sich die Frage stellen, warum ich mich als Mann auf einer Frauenveranstaltung herumtreibe. Nun ja … diese Frauengruppe ist in keiner Weise ein „Female-Power“-Ding, es geht vielmehr um Leute mit einem ähnlichen Mindset: Leuten, die Outdoor und Bikes lieben, freundlich und open-minded sind und vor allem eine gute Zeit verbringen wollen. Die meisten dieser Frauen haben Ehemänner oder feste Freunde und bringen die auch mit auf ihre Trips.
Campen ist immer eine Art, Stress abzubauen und bietet dabei Raum und Zeit, mit neuen Leuten zu sprechen und neue Freundschaften entstehen zu lassen – in einer dennoch recht kurzen Zeit. Die Happy Hour beginnt nach den Bike-Ausfahrten und die Zeit scheint in eine andere Dimension zu entschwinden und wir machen uns darüber keine Gedanken. Erst dann, wenn man mit hungrigem Magen auf ein „It’s time to eat!“ wartet. Dabei weiß jeder, die besten Freundschaften entstehen bei den elementaren Dingen des Lebens – zum Beispiel beim Essen. Dann, wenn Bacon auf dem Grill brutzelt, das Aroma in der Luft wabert und am Feuer fröhlich mit kaltem Bier angestoßen wird.
Der nächste Morgen beginnt einem müden Blick aus dem Zelt, bis mit einem großen Schluck Kaffee langsam Leben in den Camp-Ground zurück kehrt. Bikes werden vorbereitet und dann kann es los gehen. Ein neuer Tag voller Bikes und Abenteuer beginnt!
Die Abwechslung zwischen Rennwochenenden und Wochenenden voller Spaß macht es aus: „Rennen helfen mir mein Level zu pushen und zu erfahren, wie ich besser fahren kann. Es geht dabei nicht mal zwangsläufig darum schnell zu sein. Rennen fahren dient mir mehr dazu, Sektionen anzuschauen, wo ich normalerweise nicht mal daran denken würde sie zu fahren und später herausfinde, dass ich die nicht nur fahren sondern sogar racen kann!“
Im Wald oder in den Bergen Rad zu fahren mag vielleicht nicht die Welt verändern, aber es verändert auf alle Fälle dein Leben.
So weiß Liz: „Biken ist mehr als nur eine Sportart oder Hobby für mich, es ist mein Leben. Das mag wie eine Übertreibung klingen, aber Biken ist ein so großer Teil meines Lebens und dessen, was ich bin, mit wem ich etwas unternehme, tagtäglich mache, und wofür ich mein ganzes Geld ausgeben, dass ich ohne Bikes ein vollkommen anderer Mensch wäre … Und diese tollen Mädels nicht getroffen hätte!”
Text & Photos: Daniel Dunn
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