Aus dem Magazin | Why So Serious? – Das Emerald Enduro
So etwas hatte ich noch nie gesehen. Das Absperrband spannte sich unter dem Ansturm der wildgewordenen Fans und der Lärm war unbeschreiblich. Überall waren Schilder und Banner zu sehen, mit Aufschriften wie „Greg for President“, „Pedal Bro“ und „Go big or go Jer(home)“. Ein Fahrer nach dem anderen startete in die technische steinige Passage am Anfang von Stage 7 und stürzte sich damit in einen Tunnel aus ohrenbetäubendem Lärm, und lauter Begeisterung. Nirgendwo gab es ruhige Stellen, an denen man als Fahrer mal kurz hätte runterkommen können. Es war wie beim DH World Cup, es war wie ein verrückter, bunter Karneval, es war einfach fantastisch!
Aber was war hier überhaupt los? Es handelte sich immerhin um ein wichtiges Rennen auf Weltklasseniveau und doch fand ich mich immer wieder zwischen einem Kerl, der als Banane verkleidet war und seinem Kumpel im UmpaLumpaKostüm. Was hier am Rand der Rennstrecke stattfand, war nichts anderes als eine große Party. Sollte die EWS nicht irgendwie seriöser sein? Wenn man sich die Medienberichterstattung der letzten Rennen anschaute, liegt dieser Gedanke nahe. Überall kursierten Begriffe wie „Kampf“, „strapaziös“,„hart“, „enttäuschende Performance“, „zu technisch“, „zu heiß“ und gar „zu gefährlich“. Bilder von sichtlich mitgenommenen, völlig erschöpften Fahrern, die kraftlos auf ihren Bikes hängen und die tickende Uhr anstarren, verbreiteten sich im Netz. Aber war die EWS nicht eigentlich mal eine Serie für alle Fahrer? Wann genau war sie so verdammt ernst geworden?
Sicher, Neuseeland war großartig, die vulkanische Landschaft und die dichte Dschungeldecke verliehen dem Renngeschehen zusätzliche Dramatik und einen exotischen Hintergrund, aber da das Rennen im Schatten des großen CrankworxFestival stattfand, haftete ihm auch ein Hauch von Elitismus an. Natürlich ist die Enduro World Series längst kein JedermannRennen mehr und das muss vielleicht auch so sein. Hier werden immerhin Verträge abgeschlossen, hier entscheiden sich Karrieren – und damit die Teams viel Geld in eine Rennsaison investieren, müssen sie ja auch sicher sein können, dass das Ganze unter fairen und anspruchsvollen Bedingungen stattfindet. Also muss es ja ernst zugehen – oder? Aber warum fühlte sich das Event in Irland dann so gut an?
Dort in Carrick, wo ich mir das Ganze von der anderen Seite des Absperrbands ansah, bekamen die Amateure genauso viel Applaus wie die Spitzenfahrer – und wenn jemand
stürzte, machte man sich gnadenlos über ihn lustig, egal wie viele Logos er auf dem Trikot hatte. Vielleicht ist diese verrückte Atmosphäre der Einzigartigkeit der irischen Fans zuzuschreiben. Humor ist in Irland so allgegenwärtig wie die Luft zum Atmen und gutmütige Frotzeleien gehören einfach immer dazu. Selbst der Besitzer des B&B, in dem wir übernachteten, sprach in wundervollen zehnminütigen Sätzen und wusste zu jedem Anlass einen passenden Schwank. Irland ist ein Land voller Schelme und Geschichtenerzähler und so etwas wie ein „kurzes Schwätzchen“ gibt es hier nicht.
Man fühlte sich hier zurückversetzt in die späten Neunziger, auf ein GrassrootsDHRennen. Die Stages waren kurz und machten Spaß, hatten aber auch anspruchsvolle Linien und GapJumps für alle, die sich ein bisschen Airtime wünschten. Es gab keine zehnminütigen Tretorgien, keine langen Anstiege, auf denen man Zeit hätte aufholen können und jede einzelne Kurve war so gebaut und gestaltet, dass sie einfach Spaß machte. Sieben Stages an einem Tag, das würde definitiv hart werden, aber jede der Stages war ausgewählt worden, weil sie super war – und nicht, um die Elitefahrer an die Grenzen ihrer Belastbarkeit zu bringen. Zuschauer wurden rund um den Hügel verteilt, es gab Fußgängerwege und Lagepläne, um auf jedem der anspruchsvollen Abschnitte für eine karnevaleske Atmosphäre zu sorgen.
Als die Racer auf der Zielgeraden ihre Wheelies zogen und High Fives mit der tobenden Menge austauschten, waren überall nur noch lachende Gesichter zu sehen. Viele erklärten, nachdem sie unter tosendem Applaus die Ziellinie überquert hatten, das Rennen sei eines der schönsten gewesen, das sie je gefahren sind. Als das deutlich erkennbare blaue Trikot des letzten Fahrers, der einheimischen Legende Greg Callahan, in Sicht geriet, wurde es für einen Moment still und dann drehten alle völlig durch: Die Absperrungen wurden beiseite gezerrt und die Fans stürmten los, Bier spritzte durch die Luft und Greg wurde von einer FanArmee ins Ziel getragen. Er verschwand in der Menge, bis er wie ein Rockstar auf Händen getragen wurde, die Fäuste triumphierend in die Luft gereckt. Auch die anderen Fahrer wurden von der kameradschaftlichen Atmosphäre mitgerissen und mischten sich unter die jubelnden Fans. Irland hat die Enduro World Series ordentlich aufgemischt und auf ein ganz neues Level gehoben – und als Belohnung dafür gab es ein wahrhaft märchenhaftes Ende.
Aber was war hier anders? Sicher, Enduro Racing auf internationalem Level muss professionell sein, es muss für die Besten der Welt eine Herausforderung darstellen, aber vor allem muss es Spaß machen! Irland hat bewiesen, dass ein erfolgreiches EWS-Event möglich ist, auch wenn es die Ansprüche an Fitness und Können nicht an die äußersten Grenzen des Menschenmöglichen treibt, und dass man, was die Gefährlichkeit angeht, keinen Tanz mit dem Teufel wagen muss. Es hat gezeigt, dass die Racer immer noch alles geben, wenn man ihnen kurze, spaßige Trails bietet und dass sie dabei auch noch eine großartige Zeit haben!
Vielleicht ist die Enduro World Series dabei, zu einer zu ernsten Angelegenheit zu verkommen, aber dann hat ihr Irland wohl gerade eine Sahnetorte ins Gesicht geschmissen, ihr die Hose heruntergezogen und ihr einen ordentlichen Tritt in den Hintern verpasst.
Text & Bilder: Trevor Worsey
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