dia2015-breakout-sessions-teaser

Wenn es um Bike-Outfits geht, scheiden sich die Geister: Für die einen ist es ein absolut nebensächliches Thema, für andere sind hochperformante, durchgestylte High-End-Klamotten das Wichtigste überhaupt. Durch den dazugehörigen (Kleidungs-)Style haben viele Sportarten erst ihre eigene Identität entwickelt. Wer sich mit dem Skate- und Surf-Boom der vergangenen Jahre beschäftigt, merkt schnell, dass der entsprechende Style einen gehörigen Beitrag zum Erfolg geleistet hat. Doch wie sieht es beim Biken aus, ist es dort genauso?

Fragt man willkürlich eine beliebige Person auf der Straße, wie sie einen Mountainbiker beschreiben würden, wird die Antwort mit hoher Wahrscheinlichkeit die Worte “neonfarben”, “bunt” und “Lycra” enthalten. Wollen wir wirklich so gesehen werden? Grund genug für unseren Redakteur Jim, beim Design & Innovation Award 2015 eine Breakout Session einzuberufen und dieses Thema mit den Mitgliedern der Expertenjury zu diskutieren!

Als jemand, der seit Mitte der 90er auf dem Bike sitzt, habe ich schon jede Menge Bikefashion-Styles kommen und gehen sehen. Als ich mit dem Biken anfing, hat man sich gerade so von den gefürchteten neonfarbenen Lycra-Outfits, kantenlosen Kunststoffhelmen, riesigen Sonnenbrillen und Halbfingerhandschuhen verabschiedet. Wer ernsthaft Crosscountry fuhr, war natürlich noch immer in hautenge Lycra-Kits eingewickelt, ganz ähnlich wie viele auch heute noch, doch die damals neue Disziplin Downhill brachte neue Trends mit sich. Plötzlich mischten sich Begriffe wie “geil” oder “hardcore” ins Biker-Jargon und die “coolen” Klamotten verkauften sich wie verrückt, gaben sie dieser neuen Art von Biker doch die Möglichkeit, sich von ihren engbekleideten Uphill-Artgenossen abzuheben.

The clothes that we wear become our identity, we are all champions of our sport
Die Klamotten die wir tragen, werden zu unserer Identität

Damals bestanden unsere Rennwochenenden meist aus einem Crosscountry-Race am Samstag und einem Downhillrennen am Sonntag. Dabei unterschieden “wir” uns wie Tag und Nacht von den anderen. Natürlich waren wir die coolen: lockere “Race-Jeans”, Helme und Brillen aus dem Motocross und natürlich weit-geschnittene Klamotten. Das waren wir, das war unsere Identität und das wofür wir standen. Die Crosscountryfahrer sahen nicht nur anders aus, sondern gingen auch ganz anders an die Rennen heran: in der Vorbereitung überkorrekt und penibel, am Abend vor dem Rennen viel zu früh im Bett und insgesamt viel ernster als unser bunter Haufen damals. Jetzt im Rückblick weiß ich natürlich, wie dumm unsere Vorurteile damals waren; hätten wir Downhiller damals die Sache etwas ernster genommen, wären wir heute fitter und hätten damit deutlich bessere Voraussetzungen für den Wechsel zu Enduro.

Tight lycra has been replaced with a looser, more relaxed style
Hautenges Lycra ist einem neuen, etwas lockereren Style gewichen.

Dieses “Enduro” brachte nämlich beide Welten zusammen und Lycra-Klamotten wurden zu etwas, dass wir im Winter unter unseren – nicht mehr ganz so weit geschnittenen – Baggy-Shorts trugen. Unsere Oberteile wurden enger, Design und Performance waren gleichermaßen wichtig. Während früher massive Schutzplatten und fette Schoner die Regel waren, trug man nun minimalistische Soft-Schoner und der Fullface-Helm wurde nur noch auf Rennen rausgeholt. Und wieder ging es uns um unsere Identität und so ist der typische Trailfahrer heute mit Rucksack, leicht körperbetonten Shorts und Trikots, einer Ultra-Light-Jacke und Halbschale unterwegs.

Stylish and casual, is this how we want to be perceived?
Lässig und stylisch, wollen wir nicht lieber so wahrgenommen werden?

Das Außenbild unseres Sports beeinflusst maßgeblich, wie viele neue Fahrer zum Mountainbiken kommen. Zum Glück bewegt sich “unser” Image mehr und mehr weg, von den gefürchteten Lycra-Wurstpellen, die für Nicht-Biker viel zu lang als typisch angesehen wurden. Bei Crosscountry-Rennen trifft man auch bei den Top-Fahrern mal eine Baggy-Short und die Optik der Enduro-Fahrer bewegt sich weg von “hardcore” und hin zu “professionell”. Und natürlich auch die Trailbiker, die zwar etwas engere, auf Funktion ausgelegte Kleidung bevorzugen, aber dennoch auf viel Wert auf Style und Bequemlichkeit legen.

Bewegen wir uns also auf eine gemeinsame Mitte zu? Bike-Kleidung, die alle tragen wollen? Naht das Ende der nach Kategorie sortierten Klischee-Looks? Sollten wir es tatsächlich schaffen, die früher so klaren Grenzen zwischen Bergauf- und Bergab-Fahrern verwischen zu lassen und dem Sport einen Look zu geben, mit dem sich alle identifizieren können? Wollen wir es hoffen!

Joe Parkin has seen the fashion changed from his early days of racing
Joe Parkin hat die verschiedenen Trends seit den Anfängen des MTB-Racings wortwörtlich “hautnah” mitbekommen!

Joe Parkin

Beim Design & Innovation Award 2015 habe ich mich mit der Jury zusammengesetzt, um herauszufinden, was sie über dieses Thema denken. Joe Parkin, eine Journalisten-Legende und Ex-Racer aus Kalifornien, urteilt mit viel Erfahrung:

“Was Farben und Design der Klamotten angeht, habe ich den Eindruck, dass die Hersteller sich heute immer mehr auf Konzepte konzentrieren, die auch wirklich funktionieren. Ich kann mich noch an Baggyshorts erinnern, die nichtmal ansatzweise ihre simple Funktion erfüllt haben – und das ist erst drei oder vier Jahre her. Hier hat man schlichtweg versucht, Surf-Shorts als Bikehosen zu verkaufen! Bei den meisten aktuellen Produkten dagegen, erkennt man auf den ersten Blick, dass sich jemand wirklich Gedanken bei der Entwicklung gemacht hat. Yeti zum Beispiel hat bei den aktuellen Shorts auf der Knie-Innenseite ein seidenartiges Material eingearbeitet, dass die Reibung zwischen Hose und Knieschonern effektiv reduziert.

In den USA sind geknüpfte Bike-Hemden im Western-Style grade schwer in Mode – hier ist Club Ride ein führender Hersteller. Dann gibt es da noch Loraine Blancher. Sie ist eins der beiden Mädels, die bei den Whip Off Worlds beim Crankworx-Festival in Whistler mitgemacht haben. Jedenfalls erinnere ich mich noch genau an ein Zitat von ihr: “Wir haben endlich gelernt, uns richtig anzuziehen!”, sagte sie einst. Wir sind also endlich an einem Punkt angekommen, dass uns Nicht-Biker, die uns sehen, nicht sofort als verrückte Spinner abtun – zumindest nicht wegen den Outfits! Das ist eine klasse Sache, und sehr wichtig, um noch mehr Leute fürs Biken begeistern zu können!

Seit einiger Zeit bin ich selbst auf dem Rennrad mit Baggy-Shorts unterwegs. Häufig mache ich deswegen lustige Erfahrungen: So hielten mich bereits einige Mal ältere Frauen an und fragten mich, woher ich denn diese Short habe. Ihr Mann oder Freund sei immer in so engen Sachen unterwegs, hat aber nicht die passende Statur dafür.

Auch sehe ich einen starken Trend zu weniger auffälligen, dunkleren Farbtönen bei Bike-Klamotten. Klar kommen manche Enduro-Outfits noch recht knallig daher, doch viele Hersteller setzen inzwischen bewusst auf reduziertere, alltagstauglichere Styles.

Natürlich trifft man in Bikeparks noch immer auf Leute, die in T-Shirts und Jeans unterwegs sind – die Knieschoner natürlich über die Hose gezogen! – doch liegt das nicht an fehlender Auswahl am Markt. Der besteht nämlich inzwischen zu großen Teilen aus gleichermaßen schicken und funktionellen Klamotten, die die Bedürfnisse von Anfängern und Profis erfüllen”

Manuel Fumic is championing a more relaxed, stylish approach to XC.
Manuel Fumic vertritt einen sehr lässigen Style beim Crosscountry.
Stylish and still furiously fast
Manuel Fumic: stylisch und superschnell

Manuel Fumic

Manuel Fumic, Top-Ten Worldcup-Fahrer und einer der schnellsten Crosscountry-Piloten Deutschlands, bekannt für stylische Whips während dem Rennen und seine Faible für Baggy-Shorts, erklärt seine Ansicht:

Das ist halt einfach mein Style, so sieht für mich Mountainbiken aus – natürlich hat mich niemand gezwungen, Baggy-Shorts zu tragen. Ich hatte schlichtweg keine Lust mehr auf Lycra! Klar bin ich Pro-Racer, aber ich denke trotzdem wie jeder normale Fahrer auch und der will letzten Endes eben gut aussehen auf dem Bike. Außerdem sind Baggy-Shorts einfach bequemer als hautenge Lycra-Sachen! Meiner Meinung nach gibt es bei Bike-Klamotten noch jede Menge Verbesserungspotential. Ich bin überzeugt davon, dass unser Sport noch schneller wachsen würde, wenn wir stylischere Outfits tragen würden.

Die meisten können mit den normalen XC-Klamotten nur wenig anfangen. Besonders Frauen fühlen sich in den hautengen Sachen oft nicht wohl, doch für Männer gilt das gleiche. Etwas lockere Outfits würden sicher viele neue Fahrer anlocken!

Wenn ich auf Rennen unterwegs bin, versuche ich die Aufmerksamkeit, die mir dort zuteil wird, dazu zu nutzen, diese Einstellung weiterzugeben, unter anderem indem ich Baggys trage! Dafür bekomme ich jede Menge positives Feedback. Viele Crosscountry-Fahrer sind aktuell noch verunsichert, weil die Baggy-Short nicht so aerodynamisch seien – dabei spielt das bei den geringen Geschwindigkeiten, die wir fahren, fast keine Rolle!

Bei Frauen-Bekleidung habe ich den Eindruck, dass viele Mädels zwar das Radfahren lieben, aber die Klamotten hassen. Wenn sie Biken zum ersten Mal probieren, haben sie Spaß, doch das Image muss sich ändern! Wenn man einen Blick auf andere Sportarten wie Surfen oder Skaten wirft, wird deutlich, dass ein cooler Klamotten-Style fester Bestandteil des Erfolgs ist – genau das fehlt dem Mountainbikesport! Wenn es uns gelingt, dieses Versäumnis auszuräumen, können wir das Biken noch mehr Leuten zugänglich machen!

Blurred lines, as XC meets Enduro
Die Grenzen verwischen, Crosscountry trifft auf Enduro

Vali Höll

Und natürlich haben wir uns auch mit dem schnellsten Mädchen Österreichs unterhalten! Die zwölfjährige Vali Höll ist jetzt schon richtig schnell unterwegs und wird noch eine große Rolle in der Welt des Mountainbikens spielen! Ihre Meinung zu Bike-Bekleidung:

“Gerade für jüngere Fahrer in meinem Alter gibt es nicht sehr viele Hersteller, die schicke Bike-Klamotten anbieten. Race-Kits und Helme gibt es fast nur von Troy Lee, iXS und einigen anderen Herstellern. Die passen vielleicht den Jungs super, doch für viele Mädels sind die Sachen noch immer zu groß. Ich würde mir auf jeden Fall mehr Auswahl wünschen! Oft vernachlässigen die Hersteller bei den Kindersachen dann noch die Funktion, z.B. sind bei vielen Regenjacken die Bündchen nicht richtig durchdacht oder bei Handschuhen bilden sich lästige Falten auf der Handinnenseite. Ich hoffe, dass es bald mehr passende Produkte gibt, auch gute Protektoren und leichtere Kinderhelme vermisse ich. Insgesamt bin ich optimistisch, schließlich betreiben ja auch immer mehr Kinder und Jugendliche den Sport.

We are the ambassadors of our sport, and must strive to make our sport aesthetic
Wir alle sind die Aushängeschilder unseres Sports und damit ist es unsere Aufgabe, ihn so ästhetisch wie möglich zu präsentieren.

Klamottenauswahl und die Stylefrage im Allgemeinen mag auf den ersten Blick unbedeutend erscheinen, doch bestimmen sie die Außenwirkung unseres Sports und damit das Bild anderer über Mountainbiken! Wenn wir mehr Leute an unseren wunderbaren Sport heranführen wollen, müssen wir weiter an unserem Style arbeiten. Wir dürfen die Macht, und das ungenutzte Potential von schicker Bekleidung nicht unterschätzen!

Text Jim Buchanan / Aaron Steinke | Fotos:: Joe Parkin, Christoph Bayer


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