Diese Reihe handelt von unterschiedlichen Menschen. Menschen, die mit Ihren Geschichten und mit ihren durchaus kontroversen Meinungen unseren Sport prägen und seine Entwicklung vorantreiben. Die Serie ist ein Streifzug durch Welt des Bikesports und erforscht und beleuchtet dabei die Arbeit all jener Persönlichkeiten, die unseren Sport so interessant und vielseitig machen.

ghost in the darkness-2298

Der Trail Builder

Jeder träumt davon, auf seinem eigenen Stück Land seinen eigenen, ganz persönlichen Supertrail Wirklichkeit werden zu lassen. Nach all den Jahren, in denen wir zahllose Trails in 3-Minuten Videos förmlich aufgesogen haben, träumen wir schon längst von unseren eigenen spektakulären Strecken. Unsere Phantasie wird beflügelt von Sequenzen und Einstellungen, in denen verschwitzte Fahrer in der heißen Mittagssonne letze Hand am perfekten Trail anlegen… Aber wer von uns greift tatsächlich zu Schaufel und Spitzhacke, um diese Träume in die Tat umzusetzen? Wann haben wir zuletzt ein Schlagloch aufgefüllt oder gar einen Anlieger Instand gesetzt? Ich selbst nehme mich hier keineswegs aus, musste ich doch nach einigen, eher experimentellen Versuchen in dieser Richtung feststellen, wie viel harte und vor allem zeitraubende Arbeit in einem gut geshapten Trail steckt. Kaum begonnen, wartet mein Traumtrail seit dieser Zeit auf seine Fertigstellung.

Aber es gibt sie, diese Typen, alle hochmotiviert, die Ihren Spaß daran haben, aus Erde, Steinen und Wurzeln neue Trailwelten zu erschaffen. Und während wir schön im warmen Zuhause oder in der Kneipe sitzen und unseren Gedanken über unser nächstes Trailabenteuer nachhängen, findet man eben diese Typen draußen in den Wäldern, grabend und sägend, im Schein Ihrer Taschenlampen. Ich wollte herausfinden, was genau diese Mesnchen antreibt. So begleitete ich für einige Zeit einen Mann, dessen unermüdlicher Hingabe wir einige der aufregendsten und technisch anspruchsvollsten Bikereviere der Insel verdanken. Leider kann ich an dieser Stelle weder seinen Namen noch sein Einsatzgebiet verraten, denn er bewegt sich, obwohl einige seiner Kreationen schon in internationalen Rennserien Verwendung fanden, mit seinen Aktivitäten legal meist in einer Grauzone. Aber eines ist sicher: es handelt sich bei ihm um einen verdienten Anwärter auf die Krone unserer Spezialisten.

"Ich glaube, für einen fünf bis zech Minuten langen Track brauche ich in der Regel 30 bis 40 Arbeitseinsätze"
“Ich glaube, für einen fünf bis sechs Minuten langen Track brauche ich in der Regel 30 bis 40 Arbeitseinsätze”

Grundsätzlich ist es oberstes Gebot, das Einverständnis der Waldbesitzer einzuholen, bevor man mit dem Trailbau beginnt. Aber wenn man von Staatsforsten umgeben ist, stößt man bereits hier auf erste Schwierigkeiten. Einige Trailbauer arbeiten daher bewusst in der Grauzone und schnitzen herrliche Trails in die Tiefen der bewirtschafteten Wälder. Manche dieser Trails bleiben erhalten, etablieren sich mit der Zeit und schaffen es zu Abschnitten künftiger Rennstrecken zu werden. Die meisten von ihnen verschwinden jedoch, wenn einmal das Räumkommando des Forstamtes den betreffenden Abschnitt verwüstet hat. Den Erbauern dieser Trails geht es sowieso nicht um Anerkennung. Sie verrichten Ihre Arbeit anonym, Geistern gleich, bei Nacht und Nebel. Dabei ist Ihr Einsatz sehr viel wichtiger, als sie selbst vielleicht annehmen.

Mountainbiken ist mittlerweile zu einem wirklich großen Geschäft geworden, doch die Art zu fahren ändert sich. Viele Biker meiden mittlerweile die gut ausgebauten Trailzentren und Bikeparks, um sich ihren Kick auf engen, technisch anspruchsvollen Naturtrails zu suchen. Leicht rollende Reifen werden durch schlammtaugliche Gripmonster ersetzt, auf denen versierte Fahrer nun eine neue Herausforderung suchen. Die harte Arbeit der Trailbauer lässt nicht nur neue und großartige Trails entstehen, sie fördert auch den Tourismus und erschließt dem Sport neue Richtungen. „Natürlich“ ist das neue „cool“ und eine neue Fahrergeneration steht bereit, ihren fahrerischen Horizont zu erweitern.

"Als wir mit dem bauen anfingen, waren wir sehr wenige. Viel mehr sind es bis jetzt nicht geworden"
“Als wir mit dem Bauen anfingen, waren wir sehr wenige. Viel mehr sind es bis jetzt nicht geworden”

Leider stößt die Erschaffung neuer Trails aber nicht nur auf Zustimmung. Viele Forstbehörden fürchten sich, wie in unserer Kultur der Schuldzuweisungen nun einmal üblich, vor Rechtsstreitigkeiten. Und sie weigern sich zu verstehen, warum Mountainbiker trotz gut ausgebauter Bikeparks und Trailcenter, nach einem ursprünglicherem, natürlichem Fahrerlebnis suchen. Immer wieder tauchen bei STRAVA neue rote Linien auf, die die Mitglieder der Community zum Wettstreit um die Bestzeit animieren. Der frische Boden kann aber meist den Heerscharen der Biker nicht lange standhalten. Wurzeln werden mit der Zeit freigelegt, die Fahrt wird zunehmend rau und zermürbend und schließlich geht der ursprüngliche Charakter des Trails verloren. Wir trafen uns spätnachts mit einem Trailbauer, um mehr über die Beweggründe seiner Arbeit zu erfahren.

"Es wäre schön, zu wissen, dass die Ergebnisse seiner Arbeit auch längerfristig Bestand haben. Leider kann man davon in bewirtschafteten Wäldern nicht ausgehen und niemand weiß genau, wie lange ein Trail existiert, bis er von den Forstarbeitern wieder platt gemacht wird."
“Es wäre schön, zu wissen, dass die Ergebnisse seiner Arbeit auch längerfristig Bestand haben. Leider kann man davon in bewirtschafteten Wäldern nicht ausgehen und niemand weiß genau, wie lange ein Trail existiert, bis er von den Forstarbeitern wieder platt gemacht wird.”

ENDURO: Es ist ziemlich kalt hier draußen. Was hat Dich dazu bewogen mit dem Trailbau anzufangen?
“Ich persönlich habe damit angefangen, weil wir mit unserer Clique ständig auf Trails unterwegs waren, die eine andere lokale Größe gebaut hatte. Irgendwann überkam uns dabei ein schlechtes Gewissen. Es fühlte sich nicht richtig an, ständig die Früchte der harten Arbeit anderer zu ernten, ohne selbst etwas dazu zu tun. Bei jeder anderen Sache, die derartig viel Schweiß und Anstrengungen kostet, kommt man schnell an die Grenzen der Motivation und das ganze artet in Schinderei aus. Aber in diesem Falle finde ich es sehr befriedigend die richtigen Linien zu finden und dann dabei zu sein, wenn quasi aus dem Nichts ein guter Trail entsteht. Mein Enthusiasmus wird nur gedämpft durch die Verschleißerscheinungen an Handgelenken und Rücken. Am Anfang waren wir nur eine Hand voll Leute, die das örtliche Trailnetz pflegten. Jetzt sind es ein paar mehr, und es kommen immer wieder welche dazu, die ebenfalls ihren Teil dazu beitragen wollen.”

“Und natürlich sieht man auch gern, wie die Leute auf Deinen Trails ihren Spaß haben. Es gab ein paar lustige Momente, in denen ich total begeisterte Fahrer getroffen habe. Sie waren gerade einen meiner Trails gefahren und hatten keinen Schimmer, dass der Erbauer dieses Trails gerade vor ihnen steht. Es vermittelt einem schon eine gewisse Befriedigung, wenn man weiß, dass man mit seiner Arbeit jemandem den Tag versüßt hat.”

ENDURO: Viele Deiner Trails sind offiziell nicht zulässig. Hat der inoffizelle Trailbau auch Vorteile?


“In erster Linie ist es die Freiheit, genau seine Vorstellung umzusetzen, in genau seinem Stil und innerhalb seines Zeitplanes. Man kann die Trails dadurch auch weniger technisch anlegen und ihnen so die Möglichkeit geben, sich im Lauf der Zeit zu entwickeln. Man kann Korrekturen und Anpassungen vornehmen, bis man das Gefühl hat, dass das Projekt abgeschlossen ist. Im Gegensatz zu den Strecken, die am Reißbrett entstehen und von Anfang bis Ende durchgeplant und –gebaut werden. So bleibt das Fahrerlebnis natürlicher und der Trail ändert Aussehen und Charakter. Diese Abwechslung kommt schließlich auch den Fahrern zu Gute.“

ENDURO: Gibt es auch Nachteile?

“Hauptsächlich geht es um die langfristige Sicherheit. Es wäre schön, zu wissen, dass die Ergebnisse seiner Arbeit auch längerfristig Bestand haben. Leider kann man davon in bewirtschafteten Wäldern nicht ausgehen und niemand weiß genau, wie lange ein Trail existiert, bis er von den Forstarbeitern wieder platt gemacht wird. Außerdem stehen einem beim inoffiziellen Trailbau nur begrenzte Möglichkeiten zu Verfügung. Wir verwenden keine Maschinen und können auch kein Baumaterial einbringen, wenn wir auf sumpfigen Untergrund treffen. Künstliche Strukturen zu schaffen ist auch nur in begrenztem Masse möglich. Prinzipiell arbeitet man hier ausschließlich von Hand, was das Ganze zu einer ziemlich arbeitsintensiven Angelegenheit macht. Auf der anderen Seite ist diese Arbeitsweise für die Entstehung naturnaher, technischer Trails jedoch unabdingbar.”

Wenn ich an einem Projekt arbeite, opfere ich die Hälfte der Tage, an denen ich fahren könnte, für's Bauen. Glücklicherweise habe ich wenig andere Verpflichtungen.
Wenn ich an einem Projekt arbeite, opfere ich die Hälfte der Tage, an denen ich fahren könnte, für’s Bauen. Glücklicherweise habe ich wenig andere Verpflichtungen.

ENDURO: Hast Du Angst vor Konflikten?
“Nicht wirklich. Während all der Zeit, die ich schon hier draußen verbracht habe, bin ich noch nie gestört worden. Zu mehr fehlt der Forstbehörde dann auch die Befugnis. Und da unsere Trails den Aufwuchs der Jungpflanzen nicht beeinträchtigen ist in meinen Augen alles gut. Weiterhin bin ich bemüht, weitgehend sichere Trails zu schaffen, sofern es sowas in unserem Sport überhaupt gibt. Aber ich glaube, das sieht nicht jeder so.“

"Ich bin bemüht, weitgehend sichere Trails zu schaffen, sofern es sowas in unserem Sport überhaupt gibt. Aber ich glaube, das sieht nicht jeder so.“
“Ich bin bemüht, weitgehend sichere Trails zu schaffen, sofern es sowas in unserem Sport überhaupt gibt. Aber ich glaube, das sieht nicht jeder so.“

ENDURO: Macht der Unterhalt der Trails viel Arbeit?


“Nachdem wir unsere Naturtrails nicht versiegeln wie es bspw. in den Bikeparks der Fall ist, verändert sich ihr Gesicht im Lauf der Zeit. Besonders nach dem ersten Winter merkt man dies sehr deutlich. In den ersten beiden Monaten muss man hie und da etwas nach- oder ausbessern, und im Frühjahr bedarf es dann einer größeren Revision, auch wenn wir unsere Trails hier gerne anspruchsvoll mögen. Der Zeitaufwand zur Trailpflege verringert sich aber mit der Zeit, da sich die Trails immer tiefer in den Untergrund schneiden und der Untergrund zunehmend härter wird.
Mittlerweile haben wir jedoch ein anderes Problem. Die handgemachten Naturtrails werden immer öfters in Rennstrecken einbezogen, und oft ist der normale Verschleiß eines Jahres plötzlich schon nach einem Wochenende sichtbar. Es bleibt zu hoffen, dass eine gewisse Pflege des Trailnetzwerkes irgendwann zur Rennkultur dazu gehört.“

"Wir verwenden keine Maschinen und können auch kein Baumaterial einbringen, wenn wir auf sumpfigen Untergrund treffen."
“Wir verwenden keine Maschinen und können auch kein Baumaterial einbringen, wenn wir auf sumpfigen Untergrund treffen.”

Für mich war es äußerst interessant und inspirierend, zu erleben, wieviel Arbeit, Kreativität und Hingabe in der Entstehung eines handgebauten Trails steckt. Solltet ihr einmal einen solchen befahren, denkt bitte kurz an diesen Artikel, bevor ihr für euer Instagram Showalbum das Hinterrad spektakulär kommen lasst. Habt trotzdem Euren Spaß und genießt die Trails. Aber repariert auch, was ihr kaputt macht und unterstützt die Leute, die dies für euch tun. An dieser Stelle gilt unser Dank all den Männern und Frauen, die im Schutze der Dunkelheit Ihre Arbeit verrichten, und ohne die unser Sport nur halb so viel Spaß machen würde.

Text und Fotos: Trev Worsey


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als ENDURO-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, das die Mountainbike-Welt auch weiter ein kostenloses und unabhängiges Leitmedium hat. Jetzt Supporter werden!