Zeit für einen neuen Lifestyle, neue Denkweisen und eine neue Komfortzone. Dazu haben wir uns mit Hard Enduro-Phänomen Mani Lettenbichler in den österreichischen Bergen verabredet und unsere Motoren mal ordentlich auf Temperatur gebracht. Achtung, es wird laut, dreckig und elektrisch!

Unsere Zweitakter tuckern sich langsam warm und mischen leichten Ölgeruch unter den Duft von frisch gesägtem Holz. Gäbe es das als Parfüm, würden wir es tragen. Wir stehen auf dem Hof eines riesigen Sägewerks inmitten der österreichischen Berge. Wo genau, bleibt unser Geheimnis. Unser Spielplatz besteht aus 400 Hektar Privatwald. Mehr Zeit unter als auf dem Motorrad steht uns bevor. Aber das wissen wir zum Glück noch nicht, auch wenn wir es hätten ahnen können.

Hauptgrund für unsere zukünftigen Bodenproben ist Mani Lettenbichler. Der stolze Bayer ist Red Bull KTM Factory-Pilot, 3-facher Hard Enduro-Weltmeister und hat erst im vergangenen Jahr das scheinbar Unmögliche möglich gemacht. Sechs Siege – unter anderem beim berüchtigten Red Bull Erzbergrodeo – in Folge haben ihm nicht nur den Titel als FIM Hard Enduro Weltmeister, sondern auch eine perfekte Saison beschert. Klar also, dass er seinen Spaß hat, während wir mühsam unsere Motorräder die Hänge raufschieben. Aber warum, zur Hölle, tun wir uns als Mountainbike-Redakteure sowas an?

Die Antwort darauf ist denkbar einfach: Wir wollen unsere MTB-Skills auf das nächste Level heben, raus aus unserer Komfortzone kommen und uns neuen Herausforderungen stellen.
Dazu muss man einfach mal die MTB-Bubble verlassen und über den Tellerrand hinausschauen. Sich einem neuen Lifestyle, neuen Persönlichkeiten und einem neuen Mindset stellen. Rein ins feindliche Territorium und das Tabu brechen, einen „echten Motor“ zu fahren. Zeit für einen Perspektivwechsel.

Training ist eine Anpassungsleistung. Mit einem vertrauten Setup den immer gleichen Trail runter zu ballern, bringt uns nicht weiter. Wer besser werden will, muss auch im Kopf flexibel bleiben. Wir wachsen, wenn wir uns auf Neuland begeben, und schaut man sich im Profisport um, fällt auf, dass die Integration anderer Sportarten oder Disziplinen fester Bestandteil des Trainings ist. Egal, ob Rennrad-Profis wie Peter Sagen auf`s Mountainbike springen oder Rallye-Legenden wie Walter Röhrl nur knapp an der Dropbar-Karriere vorbei gedriftet sind. Wer seine Fähigkeiten und Techniken verfeinern oder auf das nächste Level heben will, muss Neues probieren. In unserem Fall war das Mopped – oder besser gesagt: Enduro-Motocross fahren. Am Anfang noch völliges Neuland, aber schon nach kurzer Zeit die perfekte Abwechslung und Ergänzung.

Mani macht hier keine Ausnahme. Denn als Hard Enduro-Profi verbringt er hunderte von Stunden im Jahr hinter dem Cockpit seiner KTM. Da kommt Mountainbiken wie gerufen. So kreuzen sich unsere Wege, aber wer hätte gedacht, dass wir nicht nur unseren Horizont erweitern können, sondern auch neue Motivation und Skills erlernen und so viel über Manis Erfolgsrezept und seine Lebensweise erfahren würden. Soweit die Theorie. Die Praxis ist deutlich schmutziger.

Mit einer ordentlichen Portion Respekt steigen wir am ersten Morgen auf unsere Motorräder. Wir folgen – wie frisch geschlüpfte Welpen ihrer Mutter – Mani in Richtung Trails. Schon im ersten Anstieg fressen wir ordentlich Dreck von seinem Hinterrad, während wir mit kindlicher Vorfreude selbst am Hahn ziehen, um nicht vollständig abgehängt zu werden. Rauf runter, rauf runter, rauf runter. Und das den ganzen Tag. Zwischendrin quälen wir uns ein schmales Flussbett entlang, mit Wasserfällen, die höher sind als wir selbst. Bei Mani sieht das spielerisch aus. Ein leichter Gasstoß, das kurze Aufheulen seiner Zweitakter, und schon ist er oben. Wir noch nicht …

Wer einmal bei einem Downhill-Worldcup, der Red Bull Rampage oder einer vergleichbaren Veranstaltung war, weiß, wovon wir sprechen. Das Internet ist voll von abgefahrenen Videos, aber wenn man dann wirklich am Streckenrand steht, ist alles so viel schneller, steiler und größer als in unserer Vorstellung. Aber genau das macht das Erlebnis so spektakulär und einzigartig. Den Wasserfall allerdings auch.

Wir lassen die Chance aber nicht ungenutzt, schließlich steht nicht jeden Tag der Hard Enduro-Weltmeister für einen bereit, um das Motorrad zu fangen, falls es doch nicht klappt. Zu Manis – und auch unserer – Belustigung machen wir ein weiteres Mal den Maikäfer und landen strampelnd auf dem Rücken. Rauf geschafft haben wir es aber dennoch irgendwie, und das Gefühl, seinen inneren Schweinehund zu überwinden, tut gut. Wie wir es vermisst haben! Nachdem wir zum gefühlt hundertsten Mal die schwere Maschine vom Boden gehievt haben, geht uns aber langsam die Kraft aus. Wir cruisen zurück Richtung Sägewerk. Mani lässig auf dem Hinterrad, wir patschnass von unserem Tauchgang im Flussbett.

Runde 1: Done. Und es sollten noch zahlreiche weitere folgen. Dazwischen Tech-Talk, dumme Witze und Ratschläge. Commitment und ein gutes Gefühl dafür, was machbar ist, sind essenziell beim Hard-Enduro. Dass wir mit Mani nicht mithalten können, war uns von Anfang an klar, aber wir sind stark davon ausgegangen, dass wir wenigstens wissen, was in der Theorie machbar ist. Als wir dann an der 5 Meter hohen Fels-Abbruchkante angehalten haben und Mani meinte, dass er da hochfahren würde, konnten wir uns nur noch fragend angucken. Wo will er hoch?

Damit hätten wir nicht gerechnet, und die imaginären Grenzen, die in unseren Köpfen herrschten, wurden gerade in Dauerschleife verschoben. Denn Mani ist Runde für Runde die Felswand hoch- und auch wieder runtergesprungen. Wir beschließen, es für heute gut sein zu lassen, und cruisen leicht verstört zurück zum Sägewerk. Zu unserer Überraschung ist Mani der Erste, der fragt, ob wir jetzt ein Bier trinken. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Einen Kasten deutsches – sogar schwäbisches – Bier haben wir eh im Auto. In weiser Voraussicht bereits kühl gestellt. Mit einem zufriedenen Grinsen stoßen wir auf einen geilen Tag an – cheers!

Genüsslich nuckeln wir bei den letzten Sonnenstrahlen an unserem Bier und philosophieren über den nächsten Tag. Mountainbiken steht auf dem Plan, auch wenn wir am liebsten noch einen weiteren Tag auf dem Mopped verbracht hätten. Mani hingegen hat bereits jetzt funkelnde Augen, denn er hatte die letzten Monate keine Zeit, aufs MTB zu hüpfen, und zudem sein nagelneues YT DECOY dabei, was er gerade erst aufgebaut hat.

Es ist sogar so frisch, dass es noch mit Schläuchen ausgestattet ist, weil keine Zeit war, es auf Tubeless umzubauen. Unsere dummen Sprüche darüber, winkt er gekonnt ab. Karma is a bitch – aber dazu später mehr ;) Im Turbo-Modus beamen wir uns in Richtung Bergspitze. Wir versuchen währenddessen aus Mani herauszukitzeln, wo er sonst so Motorrad fährt. Denn er lebt nur wenige hundert Meter von der österreichischen Grenze entfernt und somit mitten in den Bergen. Da muss doch was gehen! Gegen unsere Erwartungen verneint er die Frage. Zu viel Risiko und Stress-Potenzial, weil es schlichtweg illegal ist. Zudem fällt es durch seine Bekanntheit leicht auf ihn zurück. Die Polizei hat anscheinend schon öfters an seiner Tür geklopft, wenn mal wieder jemand im Wald Motorrad gefahren ist. Warum also nicht an einen Ort, wo man geil trainieren und fahren kann und am besten noch den ganzen Winter durch?

„Klar, hab ich schon öfter mit dem Gedanken gespielt, die Location zu wechseln – und z. B. nach Spanien zu ziehen – um bessere Trainingsbedingungen zu haben. Schlussendlich fühl ich mich aber in meiner Heimat am wohlsten, und das zählt für mich. Ein Grund, warum mich das Mountainbiken so reizt. Ich kann einfach vor meiner Tür starten und mal schnell eine Runde Trails ballern gehen, ohne mir Gedanken machen zu müssen. Ich kenn mich hier aus, kenne die Leute und hab meine Familie und all meine Freunde um mich herum. Das ist der beste Ausgleich, den man sich vorstellen kann. In Spanien würde sich alles nur ums Training und Motorradfahren drehen, das brauche ich nicht.“

Schon auf dem ersten Trail zeigt sich, dass Mani auch auf dem E-Mountainbike weiß, was er da macht. Anlieger für Anlieger verschwindet er weiter aus unserem Blickfeld und macht keine Anstalten, eine Pause einzulegen. Bis – zu unserem Glück – der Ride durch ein lautes Zischen unterbrochen wird. Unter zynischem Grinsen nimmt Mani dann unseren Ersatzschlauch entgegen, um seinen platten Hinterreifen zu flicken. Er pumpt und wir verschnaufen, bis wir dann noch ein paar weitere Runs in unsere Runde einbauen, bevor die Akkus zur Neige gehen.

Die beiden Sportarten – also Mountainbiken und Enduro-Motocross – haben mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick denkt. Daheim sind beide abseits befestigter Wege. Am meisten Spaß hat man auf Trails. Mit dem Mountainbike sind wir allerdings primär talwärts unterwegs. Mit dem Mopped darf es auch gerne mal steil bergauf gehen. Den Untergrund lesen – also zu wissen, wo man fahren kann, wo der Grip gut ist und wo man lieber die Reifen davon lassen sollte – ist für beide Sportarten essenziell. Das lässt sich leicht übertragen, genauso wie die Balance auf dem Bike und das Gefühl für Geschwindigkeit. Das hat uns Mani mit seinen Skills deutlich gezeigt, aber auch wir spüren den Fortschritt schnell. Egal, ob wir mit dem E-Mountainbike steile Spitzkehren im Uphill bewältigen oder mit ordentlich Selbstbewusstsein durchs Steinfeld poltern. Außerdem verbringen wir mit dem Mountainbike gerne den ganzen Tag in der freien Natur, entdecken neue Trails und unbekannte Gegenden. Jetzt haben wir eine weitere Möglichkeit gefunden, genau das zu machen.

Das Gefühl, sich aus seiner Komfortzone zu bewegen, einen neuen Stunt zu wagen und es dann mit einem fetten Grinsen zu schaffen, ist unbeschreiblich. Hard Enduro Motocross gibt uns genau das und sorgt neben unvergesslichen Erinnerungen und einem riesigen Entdecker-Potenzial für neue Motivation und Skills, um es auf dem MTB noch mehr krachen zu lassen. Warum sich also nur auf ein geiles Hobby beschränken, wenn man auch zwei haben kann?


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Text: Peter Walker Fotos: Peter Walker

Über den Autor

Peter Walker

Peter ist nicht nur ein Mann der Worte, sondern auch der Taten. Mit ernsthaften Bike- und Schrauber-Skills, seiner Motocross-Historie, diversen EWS-Teilnahmen und über 150 Bikepark-Tagen in Whistler – ja, der Neid der meisten Biker auf diesem Planeten ist ihm gewiss – ist für Peter kein Bike zu kompliziert und kein Trail zu steil. Gravel und Rennrad kann er übrigens auch! Das für unsere redaktionelle Arbeit wichtige Thema Kaufberatung hat Peter in Vancouvers ältestem Bike-Shop von der Pike auf gelernt und setzt sein Know-how auch im journalistischen Alltag um. Wenn er nicht gerade die Stuttgarter Hometrails auf neuen Test-Bikes unsicher macht, genießt er das Vanlife mit seinem selbst ausgebauten VW T5. Dass er dazu noch ausgebildeter Notfallsanitäter ist, beruhigt seine Kollegen bei riskanten Fahrmanövern. Zum Glück mussten wir Peter bislang nie bei seinem Spitznamen „Sani-Peter“ rufen. Wir klopfen auf Holz, dass es dazu auch nie kommen wird!