Zugegeben, ich war schon ziemlich stolz, als mein Testbike, das Yeti SB6c, zum ersten Mal in all seiner Pracht bei uns in der Redaktion stand. Und ich genoss den Neid der sich manchmal unter die einstimmige Bewunderung für die aggressive und doch gefällige Optik mischte und nicht selten kamen Kollegen wie zufällig des Weges, um das Bike mit ungläubigem Blick hochzuheben und sich selbst von dessen niedrigem Gewicht zu überzeugen. Dementsprechend positiv fiel dann auch der erste Eindruck aus, wie man hier noch einmal nachlesen kann. Mittlerweile hat diese türkise Traumbike seine ersten 1000 Testkilometer absolviert und es wird Zeit, die eine oder andere Frage zu beantworten. Hat sich das Yeti letztendlich doch so seine Schwächen geleistet? Konnte das vielgepriesene Switch Infinity System auch in der Praxis vollends überzeugen? Im folgenden ausführlichen Zwischenfazit wird versucht, diese und noch weitere Fragen zu beantworten.

Wenn du Interesse am Yeti hast, lies auch den SB6c Vergleichstest.

After 1000km it's time to check in on the Long Term Yeti SB6c
Nach nunmehr 1000km auf dem SB6c ist es Zeit für ein Zwischenfazit.

In der Vergangenheit haben wir häufig erlebt, dass viele Hersteller ihre ohnehin filigranen Carbonrahmen lediglich mit einer hauchdünnen und anfälligen Lackschicht überziehen. Umso erfreulicher ist da die Tatsache, dass sich der Lack unseres Testbikes nach nunmehr eintausend Kilometern durchaus härterer Gangart nach wie vor in einem tadellosen Zustand befindet. Mit einem Gewicht von nur 12,8 kg zählt das Yeti zwar mit zu den leichtesten Bikes seiner Kategorie, doch hinter den wohlproportionierten Carbonrohren und dem tadellosen Finish versteckt sich ein Bike, das durchaus hart im Nehmen ist. So zeugen zahlreiche Kampfspuren im robusten Lack von all diesen magischen Momenten, in denen das Selbstvertrauen größer ist, als es die fahrerischen Fähigkeiten eigentlich erlauben würden. Leider war der geklebte untere Kettenstrebenschutz weniger haltbar und flog bereits nach der ersten Woche ab. Eine Befestigung mit Kabelbindern hätte hier wohl mehr Sinn ergeben.

The lower rubber frame guard fell off with the first month
Der untere Schutz der Kettenstrebe verabschiedete sich bereits nach einer Woche.

Herzstück des SB6c ist zweifellos das neue Switch Infinity Federungssystem, das es dem Schwingendrehpunkt ermöglicht, sich während der Einfederbewegung auf zwei kashimabeschichteten Führungen vertikal frei zu bewegen. Wird der Hinterbau belastet, so geht der Dämpfer in den SAG und der Drehpunkt wandert nach oben. Im Laufe der Federwegsausnutzung dreht die Bewegung irgendwann um und der Drehpunkt wandert wieder nach unten, was insgesamt eine sehr harmonische Federkennlinie ergibt. Diese an sich kleine Bewegung von wenigen Zentimetern hat allerdings auf das Fahrgefühl eine nicht unbeträchtliche Auswirkung. Anfangs sehr sensibel, um bereits bei kleinsten Unebenheiten anzusprechen, bietet der Hinterbau in der Mitte des Federwegs genügend Stabilität um lästiges Wippen wirkungsvoll zu vermeiden. Bei großen Schlägen funktioniert das Konzept schließlich so gut, dass sich der Hinterbau nach wesentlich mehr Federweg anfühlt, als im Specsheet angegeben. Sensibles Ansprechen, stabil im mittleren Bereich und gutes Schluckvermögen; dieses Verhalten wünschen sich die meisten Hersteller von Ihren Bikes. Bei der Umsetzung verfolgen sie dabei unterschiedliche Ansätze, mit mehr oder weniger großem Erfolg. Auffällig ist, dass kein anderes System so reibungslos und unauffällig funktioniert, wie das Switch Infinity. Mit stoischer Ruhe gleicht der Hinterbau selbst bei Higspeed gröbste Schläge aus, die mit einem anderen Bike einen sicheren Abflug bedeuten würden. Wer jetzt aber glaubt, das Yeti sei ein ausgesprochenes Abfahrtsgerät, der liegt falsch. Das Yeti geht derart gut voran, dass man mitunter glaubt, auf einem XC Bike zu sitzen und selbst im offenen Dämpfermodus ist auch im Wiegetritt kein Wippen spürbar.

The rear end is still stiff with no lateral play, but the bearing did need to be replaced at 400km
Auch wenn die Lager nach 400 km erneuert wurden, ist am steifen Hinterbau keinerlei Seitenspiel feststellbar.
We swapped in a Vorsprung Corset air can to improve the small bump compliance
Um das Ansprechverhalten bei kleineren Unebenheiten zu verbessern, verbauten wir am Foxdämpfer eine Corset Luftkammer von Vorsprung.

Anfangs war ich mit dem originalen Fox Float X und 30% Sag eigentlich zufrieden. Erst ein kurzes Intermezzo mit einem PUSH ElevenSix Stahlfederdämpfer öffnete mir die Augen und zeigte, was der brilliante Hinterbau des SB6c tatsächlich zu leisten im Stande ist. Die Montage einer Corset Luftkammer von Vorsprung am Originaldämpfer brachte das Ansprechverhalten tatsächlich mehr in Richtung des PUSH Dämpfers. Die größere Negativluftkammer verbessert das Ansprechverhalten spürbar. Allerdings brauchte es etwas, bis ich realisierte, dass die Tuningluftkammer mit deutlich mehr Druck (210psi statt 160psi) zu fahren ist, als das Original. Das Losbrechmoment ist schon jetzt dem eines Stahlfederdämpfers ebenbürtig und der Hinterbau reagiert bereits, wenn man den Sattel mit dem kleinen Finger nur berührt. Trotzdem werde ich sicher noch einige Zeit in das Setup invertieren. Mittlerweile bin ich bei einem Sag von 28% und fahre mit etwas reduzierter Zugstufe. Damit fühlt sich der Hinterbau immer noch nach unendlich viel Federweg an, aber insgesamt ist das Bike damit straffer und der verspielte Charakter kommt mit diesem Setup deutlich besser zur Geltung. In nächster Zeit werde ich noch ein wenig mit ein paar Volumenspacern experimentieren, aber prinzipiell bin ich aktuell ganz zufrieden.

After 1000km the internals of the FOX 36 were immaculate
Das Innenleben der Fox 36 präsentierte sich auch nach 1000km makellos.
The FOX 36 forks have been exceptional performers, with no damping issues
Die Fox 36 an der Front gab bisher keinerlei Anlass zur Kritik.

Die Fox 36 RC2 funktionierte tadellos, und eine Komplettzerlegung ließ auch im Inneren keinerlei Verschleiß erkennen. Da man im Sommer generell mit höheren Geschwindigkeiten unterwegs ist, verbaute ich zusätzlich zum original installierten blauen Volumenspacer einen weiteren blauen (7.6cc) und einen orangen (10.8cc), um die Kennlinie etwas progressiver zu gestalten. Ansonsten ist die Gabel tadellos und sie funktioniert nach wie vor wie am ersten Tag. Mit einem Sag von 20% habe ich an der Front bereits mein persönliches Idealsetup gefunden.

The cockpit of the SB6c is great. Trev is not a huge fan of the XT brakes, they have proven a little grabby and the front lever stopped working during a race
Am ansonsten einwandfreien Cockpit des SB6c störten Tester Trev lediglich die verbauten XT Bremsen. Diese sind für sein Dafürhalten nicht Dosierbar genug. Zudem versagte während eines Rennens ein Hebel seinen Dienst.

Neben dem Sattel unterliegt das Cockpit wohl am meisten den persönlichen Vorlieben des jeweiligen Fahrers. Nicht selten werden die Testbikes mit viel zu langen Vorbauten und unzureichend breiten Lenkern ausgestattet, so dass hier bereits vor der ersten Ausfahrt einige Komponeneten gewechselt werden müssen. Nicht so beim Yeti. Hier prangt ein breiter Easton Havoc Carbonlenker an einem kompakten 50mm Havoc Vorbau. Grundsätzlich mit dessen Sweep und Sise zufrieden, kürzten wir nach einigen unangenehmen Baumkontakten den Carbonlenker auf 770mm. In diesem Zug tauschten wir auch die schmächtigen Yeti Griffe gegen ein Paar unserer Lieblingsgriffe aus dem Hause Hope. Der sehr zierliche Remotehebel für die Sattelstütze ist bei hohen Geschwindigkeiten manchmal etwas schwer zu finden, sorgt aber durch seine kompakte Bauweise für eine aufgeräumte Optik.

The SRAM X01 drivetrain has proven reliable, but does skip in thick mud
Der SRAM X01 Antrieb gilt gemeinhin als sehr zuverlässig, auch wenn er in zähem Schlamm zum Überspringen neigt.

Als das Yeti seinen Dienst aufnahm befanden wir uns inmitten eines grimmigen, typisch schottischen Winters und so rechnete ich beim Antrieb ehrlich gesagt nicht mit einer besonders hohen Lebensdauer. Erfreulicherweise konnten mich die X01 Komponenten eines besseren belehren, und so musste ich in den vergangenen acht Monaten lediglich zwei Mal den Schaltzug wechseln und für eine saubere und ausreichend geschmierte Kette sorgen. Natürlich erfordern alle 11-fach Antriebe etwas Feingefühl und Aufwand bei der Justierung, aber einmal sauber eingestellt sind Verschalter ausgesprochen selten. In zähem Schlamm kann es allerdings schon einmal passieren, dass das untere Führungsröllchen streikt und seine dick-dünn Ausrichtung verliert, so dass es dann munter vor sich hinscheppert, was aber durchaus an der besonderen Schlammkonsistenz bei uns im Tweed Valley liegen kann.

We had to change out the first set of bearings at 400km
Der Hinterbau wurde bei 400km mit neuen Lagern ausgestattet.
The hardware on the Yeti is just beautiful to work with, sublime machining
Durch seine herausragende Verarbeitungsqualität gibt sich das Yeti äußerst wartungsfreundlich.
We noticed some cosmetic wear on the Switch Infinity stanchions
Minimale Gebrauchsspuren an den Führungen des Switch Infinity Systems.

Nach eintausend Kilometern auf einem Bike erwartet man natürlich den ein oder anderen Serviceeingriff und auch das Yeti SB6c macht hier keine Ausnahme. Kurz nach Ende des Winters entschloss ich mich, den Dämpfer einem kleinen Service zu unterziehen. Als ich diesen ausgebaut hatte, bemerkte ich, dass der Hinterbau sehr rauh lief. Schuld waren vier der verbauten Lager vom Typ F6902 LLU, die bereits verschlissen waren. Ein nachfetten der Lager brachte brachte nur für eine Woche Abhilfe, bevor das Spiell von Neuem losging. Also kam ich nicht umhin, die Lager auszupressen und gegen ein paar neue zu ersetzen. Nach einer Laufleistung von nur 400km war ich darüber doch ernsthaft überrascht, aber wie bereits an anderer Stelle erwähnt, hatte es der letzte Winter durchaus in sich. Wie dem auch sei, die Ersatzlager laufen nun schon seit ca. 600km und bisher weisen diese auch noch keinerlei Verschleiss auf. Auch an den kashimabeschichteten Führungsstangen des Switch Infinity Systems waren bereits kleine Verschleisserscheinungen sichtbar, die aber die Funktion in keiner Weise beeinträchtigen. So ärgerlich ein Satz kaputter Lager auch sein mag, der Wechsel an sich war ein Kinderspiel, denn das SB6c ist eines der wartungsfreundlichsten Bikes, die wir je im Test hatten. Die Abdeckungen der Lager sind im Nu demontiert und der Ausbau des Hinterbaus ist eine Sache von wenigen Minuten. Auch das Aus- und wieder Einpressen der Lager war aufgrund der guten Verarbeitungsqualität des Rahmens ein Kinderspiel.

The Maxxis Minion DHR rear tyre has had a number of tubeless plugs fitted but it still holding pressure
Der Maxxis Minion DHR am Heck, wurde schon häufig mittels tubeless plugs geflickt, hält aber immer noch beharrlich seinen Druck.

Wie erwartet, machten die Laufräder keine Probleme. Die DT350 Naben erwiesen sich robust genug, um einen schottischen Winter schadlos zu überstehen. Die Lager laufen immer noch leicht und spielfrei und der Freilauf greift gewohnt sauber. Die Ex471 Felgen mit einer 25mm Innenweite bieten den meisten großvolumigen Reifen ausreichend Halt. Lediglich das Hinterrad musste nach ca. einem Monat nachzentriert werden doch seither läuft auch dieses ohne Seitenschlag. Serienmäßig kommt das Bike auf einem Satz Maxxis High Roller II EXO daher. Dieser an sich großartige Allroundreifen musste für etwas mehr Grip im schottischen Schlamm einem Satz Shortys, ebenfalls von Maxxis, weichen. Mittlerweile haben wir Sommer (sofern diese Jahreszeit in Schottland überhaupt existiert) und ich habe wieder die Originalreifen montiert. Die relativ breiten Felgen ermöglichen mir einen Druck von 22 bzw. 24 psi zu fahren ohne dass dadurch die Stabilität der Seitenwand negativ beeinflußt wird. Um den herausragenden Kurveneigenschaften des Yeti noch besser gerecht zu werden, werde ich später noch einen Laufradsatz mit 30mm Innenweite testen und dabei den Reifendruck weiter reduzieren.

The paintwork of the carbon has held up well, with only a few small chips
Bis auf ein paar klein Macken ist der ansprechende Lack bis dato unversehrt

Was bleibt schließlich über das Fahrverhalten zu sagen? Nach den nun etwas über 1000km auf dem Bike habe ich für die Beschreibung nur ein Wort: Sensationell! Durch den niedrigen Schwerpunkt fühlt sich das Bike über alle Massen agil aber nie übermotorisiert an. Dabei habe ich es von Dual Slalom- über Enduro in den unterschiedlichsten Rennen getestet. Einmal habe ich mit ihm sogar an einem sechs Stunden Ausdauerrennen teilgenommen und wünschte mir zu keiner Zeit ein anderes Bike.

Egal, ob kleine Unebenheit oder grober Einschlag, das Switch Infinity System saugt jegliche Einflüsse geradezu auf und glänzt dabei stets mit wohldosierter Dämpfung. Unzählige Male bin ich blind in eine gefährlich direkte Linie geraten, stets in Erwartung des unvermeidlich scheinenden großen Kicks, der mich unweigerlich aus den Pedalen hauen würde, doch dieser kam nicht. Dabei kann das System nicht nur bergab punkten. Auf der Geraden oder bergauf geht das Bike mühelos und fast schon brutal vorwärts. so dass ich auf dem Yeti so schnell unterwegs bin, wie auf noch keinem anderen Bike zuvor. Dies lässt sich mit einem Blick auf meinen Strava Account einwandfrei belegen.

The Yeti is exceptionally fun to ride, agile, accurate and engaging
Das Yeti ist das ultimative Traumbike: schnell, agil und absolut zuverlässig.

Mit der Geometrie des SB6c ist den Entwicklern ein wahrhaft großer Wurf gelungen. Das Bike ist weder heck- noch frontlastig und präsentiert sich nicht nur in Kurven unheimlich ausgewogen. Dort macht das agile Handling am meisten Spaß und fast liegt die Vermutung nahe, dass kontrolliertes Driften mit genau diesem Bike erfunden wurde. Die tiefe Front bringt viel Druck aufs Vorderrad und zwingt den Fahrer fast zu einem aggressiven Fahrstil, welcher durch das hervorragende Beschleunigungsverhalten zusätzlich begünstigt wird. Dabei wirkt das Bike stets kontrolliert und nicht selten gab es Situationen in denen mich das Yeti aus einer brenzligen Situation retten musste, anstatt umgekehrt.

When sprinting the rear end provides a surge of acceleration
Im Sprint entwickelt das Yeti einen schier unglaublichen Vortrieb.

Wenn du Interesse am Yeti hast, lies auch den SB6c Vergleichstest.

Mehr gibt es aktuell über die erste 1000 Testkilometer nicht zu sagen. Das Yeti erwies sich auf dieser Distanz als ausgesprochen zuverlässiger Begleiter und bis auf einen Lagertausch waren keinerlei Reparaturen notwendig. In den kommenden Wochen werden wir an ihm noch einige interessante Komponenten testen, so dass es sich durchaus lohnt, unsere Dauertest-Timeline im Auge zu behalten.

Text & Fotos: Trev Worsey


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Über den Autor

Aaron Steinke

Aaron war der erste Mitarbeiter unseres Unternehmens, hat es tatkräftig mit aufgebaut und dabei den Auftritt und die Ausrichtung unserer Magazine maßgeblich mitgeprägt. Seit Mitte 2020 verfolgt er eigene Projekte, berät und unterstützt uns aber weiterhin bei Marketing- und Technik-Themen. Viele Jahre lang konnte man Aaron vor allem auf spaßorientierten Enduro-Rennen finden, in letzter Zeit auch vermehrt auf dem Rennrad – es lebe die Freiheit auf zwei Rädern!